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# taz.de -- Politische Elite in den USA: Die Freiheit der wenigen
> Die Autorinnen Nancy MacLean und Jane Mayer rekonstruieren, wie einige
> Superreiche unbeobachtet die radikale Rechte in Stellung brachten.
Bild: Weihnachtsgeschenk für die Reichen: Trump ließ sich Ende Dezember 2017 …
Zwei Milliardäre und ein gutes Dutzend Multimillionäre hat Donald Trump in
seinem Kabinett versammelt. Sie steigen aus dem Klimaschutz aus, wollen die
Steuern für Reiche senken, Schulen privatisieren, und nach Obama-Care auch
die Rentenversicherung abschaffen. Diese Upperclass-Desperados betreiben
keine populistische Politik, sondern eine eigennützige.
Gleich zwei Autorinnen widmen sich in heftig diskutierten Büchern den
Zirkeln radikaler Superreicher, die mit ihrem destruktiven Libertarismus
den Boden für Trumps Regierung bereitet haben: Während Jane Mayer als
langjährige Reporterin des New Yorker dem Geld nachgeht, folgt die
Historikerin Nancy MacLean den historischen Spuren nach Virginia.
MacLean stieß bei Forschungen zur Bürgerrechtsbewegung zufällig auf den
vergessenen Nachlass des 2013 verstorbenen libertären Ökonomen James McGill
Buchanan, der für seine Public-Choice-Theorie 1986 den
Wirtschaftsnobelpreis erhalten hatte, doch die bête noire des
demokratischen Denkens blieb. Kistenweise hat MacLean Schriften und
Memoranden gesichtet, mit denen Buchanan den Aufbau einer
„Gegen-Intelligenzija“ forcierte.
MacLeans Buch „Democracy in Chains“ zeichnet von Buchanan das Bild eines
politischen Strategen und Theoretikers, dessen Denken tief im
oligarchischen Süden wurzelte und dessen akademisch nobilitierte
Demokratieverachtung heute den an die Macht strebenden Milliardären die
intellektuelle Munition liefert.
Der 1919 in Tennessee geborene Buchanan begann seine akademische Karriere
in den fünfziger Jahren in Charlottesville an der University of Virginia,
wo sich die weiße Oberschicht mit aller Macht dagegen sperrte, die
Segregation an den Schulen aufzuheben. Virginia gab viel auf seine
Vornehmheit, die Gentlemen hier schickten nicht wie in Mississippi
zündelnde Reiterhorden los, sie hebelten die schwarzen Bürgerrechtler
formell aus: Sie vergaben Voucher, damit weiße Familien auf Staatskosten
ihre Kinder in Privatschulen geben konnten, und ließen die staatlichen
Schulen verkommen.
## Keine Gesellschaft und kein politisches Wir
Hier gründete Buchanan sein Thomas Jefferson Center zur Verteidigung der
individuellen Freiheit. Doch wie MacLean zeigt, zielte in Virginia die
Rhetorik der Selbstbestimmung stets gegen Washingtons Einmischung und den
Zwang, die Bürgerrechte aller anzuerkennen, Steuern zu zahlen,
Gewerkschaften zu erlauben und Arme wählen zu lassen. Es ist die Freiheit
der wenigen vor den vielen.
MacLean führt auch Buchanans Public-Choice-Theorie auf dieses
Südstaaten-Denken zurück. In seinem Buch „The Calculus of Consent“ erklä…
der Ökonom in rationalistischer Manier, dass auch politisches Handeln nur
von Gewinnmaximierung geleitet sei: Politiker wollen Stimmen, Wähler ihren
Vorteil, und Mehrheiten formieren sich, um größtmöglichen Profit aus ihrem
Votum zu schlagen. Rent-seeking nannte Buchanan das.
Es ist ein toxisches Denken, das keine Überzeugungen kennt, keine
Gesellschaft und kein politisches Wir. Es nimmt der Mehrheit jede
moralische Legitimation. Für Buchanan waren nicht die demokratischen Länder
die freiesten, sondern Despotien wie Chile oder Singapur.
MacLean zeichnet kein ausgewogenes Porträt von Buchanan. Ihr wütendes Buch
ist Revision und Anklage eines Denkers, der nicht nur der radikalen Rechten
den Weg in den Mainstream ebnete, sondern auch an der Demontage der
demokratischen Idee mitwirkte.
Das Verschwörerische jedoch, das im Untertitel anklingt, geht nicht auf die
Autorin zurück, sondern auf Buchanan. Immer wieder hielt er sein
weitreichendes politisches und ökonomisches Netzwerk zu Konspiration und
Geheimhaltung an. Die Mont-Pèlerin-Gesellschaft und die Think Tanks der
Brüder Koch teilen mit ihm eine recht illiberale Vorliebe für Lenins
Strategie der Klandestinität: Kader bilden. Lieber weniger, aber besser.
## Politische Torwächter
Dieses Netzwerk aus Milliardären, Libertären und extrem Rechten hat die
Reporterin Jane Mayer mit ihrer einschlägigen Recherche „Dark Money“ von
2016 ans Licht gezogen. Souverän rekonstruiert sie, wie die Damen und
Herren Philanthropen ein ganzes Konglomerat aus Think Tanks und
Lobbygruppen gründeten, Medien und Wahlkämpfe finanzierten und die Tea
Party lancierten.
Unter den Hedgefonds-Manager und Ölmagnaten ragen die notorischen Brüder
Charles und David Koch aus Kansas hervor, die zusammen das größte Vermögen
der Welt besitzen. Nach den Vorstellungen dieser Libertären muss die
Regierung nicht schlanker werden, sondern abgeschafft. Einem Nachtwächter
gleich soll sie nur noch dafür da sein, Personen und Eigentum schützen.
Einen Großteil ihres Geldes haben die Koch-Brüder von ihrem Vater geerbt,
der in den dreißiger Jahren mit seinen Raffinerien ein Vermögen machte, vor
allem in der Sowjetunion und in Nazi-Deutschland. Mayer schildert die
Brüder als hart, kalt und extrem zielstrebig: Für ihren um das Cato
Institute herum aufgebauten Agitprop-Verband arbeiten mehr Menschen als für
die Republikanische Partei. Sie haben ihren Schützling Mike Pence zum
Vizepräsidenten gemacht und Mike Pompeo zum CIA-Chef.
Zu den Finanziers der radikalen Rechten gehören auch der inzwischen
verstorbene Richard Mellon Scaife mit seinem American Enterprise Institute,
der Hedgefonds-Manager Robert Mercer oder die Erbin Betsy DeVos. Die John
Olin Foundation stiftete Professuren, um die neue Disziplin „Law and
Economics“ durchzusetzen, dank der Juristen die wirtschaftlichen Folgen
ihrer Urteile zu berücksichtigen lernen. Sie lädt auch amtierende Richter
zur Umerziehung in exklusive Sommer-Camps.
Der größte Erfolg der libertären Milliardäre, meint Mayer, war die
Entscheidung des Supreme Courts im Fall „Citizens United“. Seitdem gelten
Geldspenden als freie Meinungsäußerung und dürfen unbegrenzt fließen.
Bitter resümiert Mayer, dass dieses Urteil nicht wie befürchtet dazu
führte, dass Konzerne nach Belieben spenden, sondern die radikalen
Superreichen. Sie sind die „politischen Torwächter des Landes“ geworden.
7 Jan 2018
## AUTOREN
Thekla Dannenberg
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