# taz.de -- Debatte Rüstungsexporte nach Ägypten: Die Kairo-Kumpanei | |
> 2017 gingen so viele Rüstungsexporte wie noch nie an Ägypten. Der | |
> Bundesregierung sind menschenrechtliche Verpflichtungen nicht so wichtig. | |
Bild: Gute Freunde, schon 2015: Ägyptens Präsident al-Sisi und Sigmar Gabriel | |
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Rüstungsexporte in Höhe von 428 | |
Millionen Euro genehmigte die Bundesregierung im Jahr 2017 an Ägypten. Das | |
sind fast sieben Prozent mehr als im Vorjahr, so viel wie nie zuvor. | |
Bereits zum zweiten Mal in Folge liegt das Folterregime Abdel Fattah | |
al-Sisis damit unter den Top Five der Empfänger deutscher Wehrtechnik | |
weltweit – ungeachtet des anhaltenden Abbaus rechtsstaatlicher Verfahren, | |
Zehntausender politischer Gefangener und des lautlosen Verschwindenlassens | |
von Dissidenten durch al-Sisis Sicherheitsapparat. | |
Die skrupellose Zusammenarbeit Berlins mit Kairo in sicherheitspolitischen | |
Fragen hat einen einfachen Grund: die Sorge, dass sich Zehntausende Ägypter | |
über das Mittelmeer Richtung Europa begeben könnten. Um das zu verhindern, | |
unterzeichneten Außenminister Sigmar Gabriel und sein ägyptischer Kollege | |
Samih Shoukry bereits im vergangenen Herbst ein Abkommen über „bilateralen | |
Dialog zu Migration“. Das sieht auch die Zusammenarbeit mit | |
Sicherheitsbehörden vor, die für Folter und möglicherweise | |
außergerichtliche Tötung verantwortlich sind. | |
Anlass zur Flucht gibt es für viele der neunzig Millionen Ägypter. Im | |
fünften Jahr der Herrschaft al-Sisis liegt die Wirtschaft am Boden, die | |
Inflation treibt immer mehr Menschen in die Armut. Längst verblasst ist das | |
Versprechen al-Sisis nach dem Militärputsch 2013, Ägypten zu alter Größe | |
zurückzuführen. Wenn der einstige Armeechef im Frühjahr als Staatsoberhaupt | |
wiedergewählt werden sollte, dann nur, weil es ihm gelungen ist, jegliche | |
Opposition mit aller Gewalt zu unterdrücken. Durch ihre Rüstungsexporte | |
unterstützt die Bundesregierung diesen Repressionskurs. | |
Die augenzwinkernde Kumpanei Gabriels und Angela Merkels mit dem Regime | |
al-Sisi hat aber noch einen anderen Grund: die Handelsfixierung der | |
deutschen Außenpolitik. Kanzlerin und Vizekanzler sind Gewinne der | |
deutschen Verteidigungsindustrie wichtiger als menschenrechtliche | |
Verpflichtungen. So machten 330 Luft-Luft-Raketen des Munitionsmultis Diehl | |
Defence und ein von ThyssenKrupp Marine Systems hergestelltes U-Boot den | |
Löwenanteil der Exporte an Ägypten aus, die der von Merkel geleitete | |
Bundessicherheitsrat im vergangenen Jahr genehmigte. | |
## Stagnation als Stabilität | |
Tödliches Material, das übrigens nicht nur im eigenen Land eingesetzt | |
werden kann. Die Waffenbrüderschaft al-Sisis mit Saudi-Arabien und den | |
Vereinigten Arabischen Emiraten reicht von Jemen bis Libyen. Ziel der | |
konterrevolutionären Achse ist es, die bis 2011 herrschende Ordnung in | |
Nahost und Nordafrika wiederherzustellen – unter undemokratischen | |
Bedingungen. Im Golf von Aden unterstützt die ägyptische Marine die von | |
Riad geführte Militärkoalition gegen die Huthis; Kampfflieger aus den | |
Emiraten dürfen auf ägyptischen Militärstützpunkten zwischenlanden, um von | |
dort zu Angriffen auf Dschihadistenstellungen in Libyen zu starten. | |
Ein völkerrechtliches Mandat für diesen Antiterrorkrieg hat der | |
UN-Sicherheitsrat nie erteilt, doch das tangiert deren Nutznießer nicht. | |
Wie Rheinmetall Defence, Airbus und Krauss-Maffei Wegmann profitieren Diehl | |
Defence und ThyssenKrupp Marine Systems von den laxen deutschen | |
Ausfuhrkontrollen, die Exporte in Spannungsgebiete und Staaten, die | |
Menschenrechte verletzen, eigentlich verhindern sollten. Doch davon ist | |
mehr als ein halbes Jahrzehnt nach den Protesten auf dem Tahrirplatz keine | |
Rede mehr: Allein seit Beginn des Jemenkriegs im Jahr 2015 sind für rund | |
850 Millionen Euro Waffen aus Deutschland nach Ägypten geliefert worden. | |
Und das, obwohl die EU nach der Tötung von mehr als 800 Demonstranten durch | |
Sisis Sicherheitskräfte im August 2013 einen Ausfuhrstopp für Munition und | |
Waffen verhängt hatte. Dass trotzdem weitergeliefert wird, zeigt, wie wenig | |
Merkel und Gabriel aus dem Aufstand gegen Husni Mubarak 2011 gelernt haben: | |
Abermals setzt die Bundesregierung auf einen Machthaber, der der Welt | |
Stagnation als Stabilität verkauft – und bleierne Friedhofsruhe als | |
Strategie gegen den Terror. Soziale Dimensionen von Sicherheit spielen | |
offenbar keine Rolle, solange der neue Krieg gegen den Terror den deutschen | |
Rüstungsriesen laufende Umsätze garantiert. | |
## Schmusekurs beenden! | |
Man könne das Land am Nil nicht im Chaos versinken lassen, lautet die Logik | |
hinter der deutschen Leisetreterei angesichts anhaltender Anschläge des | |
„Islamischen Staats“ (IS). Statt sich aber für die drangsalierte | |
Zivilgesellschaft einzusetzen, adelte Gabriel al-Sisi bei seinem letzten | |
Besuch in Kairo mit den Worten: „Sie haben einen beeindruckenden | |
Präsidenten.“ Deutlicher lässt sich eine Realpolitik nicht auf den Punkt | |
bringen, die Menschenrechte hintanstellt und den Antiterrorkampf an erste | |
Stelle setzt. | |
Doch auch sechs Wochen nach dem verheerenden [1][Angriff auf eine | |
Sufimoschee im Norden des Sinais] mit 311 Toten zeigt sich, dass den | |
bewaffneten Islamisten mit militärischen Mitteln allein nicht beizukommen | |
ist. Nach dem Anschlag hatte al-Sisi die Sicherheitskräfte angewiesen, „mit | |
aller brutaler Gewalt“ vorzugehen. Neu ist diese Linie nicht: Seit dem | |
Putsch gegen Staatspräsident Mohammed Mursi 2013 setzt al-Sisi erfolglos | |
auf Gewalt, um den dschihadistischen Aufstand auf der Halbinsel Sinai | |
niederzuschlagen. Statt Konsequenzen aus dem Scheitern seiner | |
Antiterrorstrategie zu ziehen, weitet er die Bombardierung von Wohngebieten | |
im verarmten Grenzgebiet zum Gazastreifen und zu Israel immer weiter aus. | |
Den Preis für das anhaltende Aufrüsten zahlen auch die entweder ins Exil | |
gegangenen oder im Gefängnis gelandeten Revolutionäre vom Tahrirplatz. | |
Sieben Jahre nach Beginn der Proteste in Kairo könnte die Bundesregierung | |
ein deutliches Zeichen der Solidarität setzen, indem sie ihren Schmusekurs | |
mit al-Sisi endlich beendet. | |
8 Jan 2018 | |
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[1] /Nach-Angriff-auf-Moschee-in-Aegypten/!5466220 | |
## AUTOREN | |
Markus Bickel | |
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