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# taz.de -- Zusammenarbeit in der Kunst: Kurzlebige Nord-Süd-Achse
> 1906 wurde Emil Nolde Mitglied der Künstlergruppe „Brücke“. Für wen si…
> was lohnte, zeigt nun die Kieler Kunsthalle.
Bild: Emil Nolde, Maler Schmidt-Rottluff.
Hamburg taz | Am 4. Februar des Jahres 1906 erhält der Maler Emil Nolde
einen Brief. Der Absender kommt ohne Umschweife zur Sache: „Dass ich gleich
mit der Sprache herausrücke – die hiesige Künstlergruppe Brücke würde es
sich zur hohen Ehre anrechnen, Sie als Mitglied begrüssen zu können“,
schreibt Karl Schmidt-Rottluff. Die daraus folgende Zusammenarbeit ist
jetzt Gegenstand einer Ausstellung der Kunsthalle zu Kiel.
Schmidt-Rottluff wirbt damit, dass man in einer Gruppe Ausstellungen viel
besser organisieren könne als im Alleingang. Und man strebe einen eigenen
Ausstellungsraum an! Die noch kleine Gruppe von gleichgesinnten Künstlern
findet Nolde toll, und sie finden, dass er bei ihnen mitmachen sollte, da
sie es in dieser Welt zu etwas bringen wollen.
„Mit dem Glauben an Entwicklung, an eine neue Generation der Schaffenden
wie der Geniessenden rufen wir alle Jugend zusammen. Und als Jugend, die
die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen
gegenüber den wohlangesessenen, älteren Kräften“, so hatten sie es einige
Monate zuvor keck in ihrem Gründungsprogramm formuliert.
Selbstbewusst hatten die vier Architekturstudenten Fritz Bleyl, Ernst
Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff danach ein
Wohnatelier bezogen und es mit ihrem Studium nicht mehr ganz so ernst
genommen – mit der Kunst aber umso mehr. Diese Ernsthaftigkeit bei zugleich
vorhandenem Mut mit bildnerischen Konventionen zu brechen, sehen sie auch
bei Nolde am Werk.
Noldes farbwuchtige Bilder sind ihnen in der Galerie Arnold in Dresden
aufgefallen, und was sie da gesehen haben, hat sie begeistert. Nolde zögert
zwei, drei Tage zu antworten – und stimmt dann zu. Auch weil seine Frau
Ada, die ihm als eine Art künstlerische Beraterin zu Seite steht, zu diesem
Schritt rät. „Zukunftsfroh“ wird er seine neue Kunstfreunde bald nennen,
die deutlich jünger sind: mal 13, mal 16, mal 17 Jahre. Eine andere
Generation eigentlich. Aber warum soll es nicht klappen?
## Nur wenige persönliche Treffen
Nolde kann zudem eine künstlerische Jungkur gut gebrauchen, auch finanziell
gesehen: Er kann zwar über 30 Ausstellungsbeteiligungen vorweisen, doch im
Vergleich dazu hat er bisher wenig verkauft. „Ich merke es immer mehr, die
Alten tadeln mich und nörgeln, die Jungen jubeln mir entgegen“, wird er
bald schwärmen. Und: „Und ich, Gott sei Dank, fühle mich in meiner Kunst so
herrlich kräftig und jung und stehe tausendmal lieber kämpfend unter der
Zahl der Jungen als zwischen den sesshaften, verrosteten Alten.“
Nach 20 Monaten ist die Verbindung schon wieder zu Ende. Und so, wie es nur
sehr begrenzt zu engeren Begegnungen gekommen ist, erklärt Nolde im
November 1907 ohne großes Getöse und ohne großen Streit seinen Austritt.
Allzu oft persönlich getroffen hat man sich nicht – bis auf den vermutlich
nicht unwichtigen Besuch Schmidt-Rottluffs auf der dänischen Insel Alsen,
wo die Noldes eine Zeitlang lebten.
Vom Mai 1906 an schläft Schmidt-Rottluff auf deren Sofa, sucht sich dann
eine eigene Unterkunft und bleibt bis Ende September. Der Besuch verwandelt
sich also in ein fortlaufendes Arbeitstreffen, auch wenn das die Ausnahme
bleiben wird.
Die beiden Männer malen, was sie zu malen haben, tauschen sich auch aus,
zeigen sich ihre Skizzen und Studien. Und manchmal wird Schmidt-Rottluff
auch auf Ada geschaut haben und sie auf ihn, jedenfalls entwickelt sich ein
reger Briefwechsel zwischen den beiden, der in seiner Intensität und
jugendlichen Aufgeregtheit Nolde nur begrenzt gefallen haben dürfte. Später
wird sich das auf andere und durchaus ernstere Weise mit Ada Nolde und
Ernst Heckel wiederholen.
Was in diesen nicht ganz zwei Jahren jeweils passierte, wie die
verschiedenen Akteure davon profitierten und auch nicht, zeigt nun die
Kieler Ausstellung, die unpompös den Titel „Nolde und die Brücke“ trägt.
Über 140 Werke wurden dafür zusammengetragen: von den verlässlich immer
wieder beeindruckenden Landschafts- und Selbstporträts bis hin zu kleinen,
fast fragilen Radierungen und Drucken: „Segler“ – „Segelboot auf dem
Wasser“ – „Schlepper auf der Elbe“. Nun also geht es langsam bei Emil N…
in die Randbereiche. Und zugleich wird eben auch deutlich, dass der Maler
aus Seebüll eine prägende Gestalt war.
## Kunst des Holzschnitts und der Radierungen
Die Kieler Ausstellung geht dabei, was naheliegt, chronologisch vor. Sie
zeigt den jeweiligen Stand, bevor man zusammenkam; sie zeigt, wo sich
Verbindungslinien aufbauen, aber auch dauerhafte Unterschiede bleiben. Sie
wagt nicht zuletzt einen Ausblick, nachdem man wieder auseinander gekommen
ist, und auch in der nun Nolde-losen Brücke sich Brüche und Differenzen
nicht mehr überbrücken lassen.
Natürlich gibt es von all den Querverweisen und Vergleichsmöglichkeiten
gänzlich unbenommen Nolde satt und die Brücke-Maler satt, und wer gegenüber
unserer gegenwärtigen bildenden Kunst mit ihrem hohen Anteil aus zuweilen
schwer zu dechiffrierenden Installationen und den dazu gehörigen
theoretischen Ableitungen nun mal fremdelt, der wird im Haus am
Düsternbrooker Weg schlicht vergnügliche Stunden haben, was ja auch etwas
wert ist. Nolde geht immer, und die Brücke geht immer, kann man guten
Gewissens ausrufen und muss sich dafür überhaupt nicht schämen.
Für Fans des einen und der anderen gibt es aber noch etwas Neues zu
entdecken: Es lässt sich sehr schön nachvollziehen, wie die Brücke-Künstler
dem Nolde die Kunst des Holzschnitts und der Radierung nahe brachten – der
sich seinerseits damit revanchierte, dass er mit den neuerworbenen
Techniken sehr frei umging und sehr freie Ergebnisse schuf, was die
Brücke-Männer gern aufgriffen.
Spannend ist auch der Blick in ein Kabinett, gut gefüllt mit Faksimiles von
Archivarien, die einen soliden Blick in die organisatorische Welt der
Brücke plus Nolde erlauben. Denn die nun angereicherte Gruppe, die von
Anfang an die Position eines Geschäftsführers installiert und so die
geschäftliche Dimension von Kunst im Blick hatte, machte sich sogleich auf
die Suche nach neuen Vermarktungsstrategien, jenseits der klassischen
Verkaufssituation im Atelier oder im Rahmen einer Ausstellung.
Ein Logo wird entwickelt, Mitgliederkarten werden kreiert. Und nicht
zuletzt kommt man auf eine Idee, die besonders Ada Nolde als eben auch
Emils PR-Frau einleuchtet und die sie bald tatkräftig umsetzt: Neben den
Künstlern als den eigentlichen Mitgliedern der Gruppe wird sich eine
Fördergruppe aus Nichtkünstlern bilden, die erstere unterstützt.
## Weniger Erfolg als gedacht
Angesprochen werden sollen dafür natürlich Menschen mit Einfluss, mit
Verbindungen und Vernetzungspotenzial: Kunsthändler, Galeristen, Sammler,
schlicht Menschen mit Kenntnis und mit Geld. Sie als passive Mitglieder der
Brücke werden bald systematisch mit Ausstellungsterminen versorgt, erhalten
mit dem jährlichen Geschäftsbericht auch eine Mappe mit Drucken, die
Jahresmappe.
Doch der erhoffte Erfolg stellt sich nicht ein: Mit viel Enthusiasmus
angeschobenen Gruppen- wie Einzelausstellungen können doch nicht realisiert
werden. Und Nolde, der so darauf gesetzt hat, dass sich zusammen
geschäftlich mehr reißen lässt denn allein, wendet sich immer mehr von dem
dazugehörigen Gemeinschaftsstil und auch -gebaren der Gruppe ab.
„Es ist so viel in der ‚Brücke‘ was ich anders haben möchte, u. diese
Gedanken beschäftigen mich viel zu sehr. Ich muss mich sehr concentrieren
um arbeiten zu können u. jede Ablenkung ist meiner Kunst zum Nachteil“,
formuliert er schließlich in seinem Austrittsschreiben.
Man wird sich in den kommenden Jahren, bis die Brücke sich im Mai 1913 per
se auflöst, aus der Ferne beobachten und dabei durchaus schätzen. Heckel,
Kirchner und auch Schmidt-Rottluff werden auch immer mal wieder in
Schleswig-Holstein und im angrenzenden Dänemark unterwegs sein, auch um
dort zu arbeiten. Mit Emil Nolde werden sie sich nicht treffen.
2 Jan 2018
## AUTOREN
Frank Keil
## TAGS
Emil Nolde
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Kiel
Kunst
Moderne Kunst
Emil Nolde
Emil Nolde
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Kunst
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