# taz.de -- Kommentar Diätenerhöhung: Warum die Aufregung? | |
> Abgeordnete von Union, SPD und FDP wollen höhere Bezüge. Zu Recht! | |
> Fragwürdig ist vielmehr, woher sie sonst noch so ihr Geld beziehen. | |
Bild: Wer hier einen Sitzplatz ergattert, macht ordentlich Schotter | |
Was fällt ihnen eigentlich ein, diesen sogenannten Volksvertretern? Noch | |
immer gibt es keine Regierungskoalition, führungslos treibt die | |
Bundesrepublik durch die Zeitgeschichte. Und dann haben die Abgeordneten | |
des Bundestags nichts Besseres vor, als sich erst einmal selbst die Bezüge | |
zu erhöhen. Von einem „Diäten-Hammer“ spricht [1][die Bild]. Die | |
Boulevardzeitung hat in Erfahrung gebracht, dass die Fraktionen von Union, | |
FDP und SPD einen gemeinsamen Antrag eingereicht haben, der vorsieht, dass | |
die Abgeordnetenentschädigung, angelehnt an den Nominallohnindex, jeweils | |
automatisch zum 1. Juli des Jahres erhöht wird. | |
Vor allem in rechtsgerichteten Medien [2][ist die Aufregung groß]. Immerhin | |
erhalten die Abgeordneten schon jetzt 9.541,74 Euro monatlich. Ein | |
stattlicher Betrag – der aber durchaus berechtigt ist. Diäten dienen dazu, | |
Abgeordneten eine unabhängige Wahrnehmung ihres Mandats zu ermöglichen. Wer | |
gut verdient, ist im Optimalfall auch weniger anfällig für Korruption. | |
Die volkswirtschaftliche Belastung für die Bürger ist zudem überschaubar. | |
Bereits in der vergangenen Legislaturperiode vereinbarte der Bundestag eine | |
automatische Diätenerhöhung. Damit erhielten die Abgeordneten monatlich | |
245,21 Euro mehr. Bei damals 631 Abgeordneten kostete die Erhöhung demnach | |
knapp 1,9 Millionen Euro im Jahr – das macht etwa 0,0006 Prozent des | |
Bundeshaushaltes aus. | |
Die Koppelung an die Lohnentwicklung bietet durchaus Vorteile: Die mauen | |
Gehälter in Deutschland waren vielen Abgeordneten bisher offenkundig | |
herzlich egal. Immerhin ist die „Lohnzurückhaltung“ ja elementar für den | |
Kampf um die fiktive Exportweltmeisterschaft. Wenn mit den Löhnen auch die | |
Bezüge steigen, haben Abgeordnete endlich einen Anreiz sich legislativ für | |
Einkommenssteigerungen in Deutschland einzusetzen. | |
Das Geld bleibt auch nicht komplett in der eigenen Tasche: Die | |
Parlamentarier führen einen Teil ihrer Einkünfte [3][an die Parteien ab]. | |
Wer auf dem Ticket von SPD, Grünen und Co. in den Bundestag segelt, muss | |
umgekehrt auch die Partei finanziell unterstützen. | |
## Lukrative Nebeneinkünfte | |
Mehr als 9000 Euro im Monat zu verdienen, scheint im | |
Agenda-2010-Deutschland für einen Großteil der Bevölkerung zwar | |
astronomisch. Dennoch sind Diätenerhöhungen weniger fragwürdig als die | |
sonstigen Einkünfte der Parlamentarier. Bis zu 48,7 Millionen Euro haben | |
Abgeordnete des Bundestags in der vergangenen Legislaturperiode [4][laut | |
Abgeordnetenwatch] mit Nebentätigkeiten verdient, die dank auskömlicher | |
Diäten eigentlich nicht notwendig sein sollten. Vor allem in den | |
Aufsichtsräten großer Unternehmen tummeln sich Parlamentarier. „Konzerne | |
erhalten auf diese Weise einen privilegierten und exklusiven Zugang zur | |
Politik, den andere Unternehmen, Vereine oder die Bürgerinnen und Bürger | |
nicht haben“, schreibt Abgeordnetenwatch. | |
Der jüngst aus dem Amt geschiedene ehemalige Bundestagspräsident Norbert | |
Lammert verdiente zum Beispiel bis zu 30.000 Euro (zu genaueren Angaben | |
sind die Abgeordneten nicht verpflichtet) als Aufsichtsratmitglied des | |
Kohlekonzerns RAG. 2008 setzte sich Lammert für eine Verlängerung der | |
Laufzeit des von RAG betriebenen Bergwerks Ost in Hamm ein. Dem neuen | |
Bundestag gehört der CDU-Politiker nicht mehr an. Im November wurde | |
bekannt, dass Lammert Kurator in der RAG-Stiftung wird. Er erhält nach | |
Unternehmensangaben 30.000 Euro Vergütung im Jahr und 500 Euro | |
Sitzungsgeld. Dagegen sind geringe Diätenerhöhungen Peanuts. | |
13 Dec 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.bild.de/geld/mein-geld/mdb/diaeten-erhoehung-54162006.bild.html | |
[2] https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/diaetenerhoehung-im-bundest… | |
[3] http://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/parteien-finanzierung-100.html | |
[4] https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2017-08-02/abgeordnete-kassierten-mil… | |
## AUTOREN | |
Jörg Wimalasena | |
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