| # taz.de -- Rechtspopulisten im Bundestag: Der erste richtige Auftritt der AfD | |
| > In der ersten regulären Sitzungswoche im Parlament provoziert die AfD mit | |
| > rechten Sprüchen. Die Anderen springen über das Stöckchen. | |
| Bild: Das sind sie: Abgeordnete der AfD am Dienstag im Bundestag | |
| Berlin taz | Minuten vor ihrem Auftritt rutscht Alice Weidel auf ihrem | |
| Stuhl von vorne nach hinten und wieder zurück. Dann wird am späten | |
| Dienstagnachmittag, der Bundestag tagt bereits seit sieben Stunden, Top 9 | |
| aufgerufen, der erste Sachantrag der AfD. Die Fraktion will eine Klage | |
| gegen sämtliche Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank seit 2015 | |
| durchsetzen, so steht es in Drucksache 19/27. | |
| Weidel, eine der beiden ChefInnen der Fraktion, geht zum Redepult, stellt | |
| sich dort wie immer kerzengerade auf und zitiert Helmut Kohl: „Nach den | |
| vertraglichen Regeln zum Euro gibt es keine Haftung der Gemeinschaft für | |
| Verbindlichkeiten der Mitgliedsstaaten und keine zusätzlichen | |
| Finanztransfers.“ So, sagt Weidel, sei es den Wählern versprochen worden. | |
| „Aber offensichtlich ist es Ihnen, die hier schon länger sitzen, egal, was | |
| Sie den Bürgern versprechen.“ Weidels Ton ist von Beginn an scharf, er | |
| unterscheidet sich kaum von den Reden, die sie im Wahlkampf gehalten hat. | |
| Die Politik sei „verantwortungslos“, „unmoralisch“ und „rechtswidrig�… | |
| Bürger würden „kalt enteignet“, die Anleihenkäufe seien „verfassungswi… | |
| und verstoßen gegen europäisches Vertragsrecht“. So geht es sechs Minuten | |
| lang, immer wieder unterbrochen vom Applaus der AfD-Fraktion, die sich | |
| zunehmend begeistert. Am Ende sagt Weidel: „Die Bürger haben es satt, eine | |
| abgehobene Politik der arroganten Gutsherrenart auszuhalten und es muss nun | |
| endlich wieder zur Rechtsstaatlichkeit zurückgekehrt werden.“ Als sie zu | |
| ihrem Platz geht, stehen die AfD-Abgeordneten auf und klatschen sich in | |
| Euphorie. Die anderen schauen irritiert bis entsetzt. Auch für sie ist es | |
| eine Premiere: Wie mit der AfD umgehen? | |
| Eckhard Rehberg, CDU-Abgeordneter aus Mecklenburg-Vorpommern, fällt die | |
| Aufgabe zu, als erster auf Weidel zu antworten. Er wirft ihr eine Tonlage | |
| wie jener von Erich Honecker oder Walter Ulbricht vor und dass sie gegen | |
| Europa hetze, „eine 70jährige Friedensgeschichte“. Doch Rehberg geht, wie | |
| alle folgenden RednerInnen, auch inhaltlich auf den Antrag ein: „Sie | |
| fordern den Bundestag zum Rechtsbruch gegen die Unabhängigkeit der EZB | |
| auf.“ Dafür erhält er Applaus von Ex-Jamaika bis zur SPD. | |
| „Blockparteigequatsche ist das“, ruft einer aus der AfD-Fraktion | |
| dazwischen. Rehberg hält inne. „Wissen Sie, ein bisschen Benehmen gehört im | |
| Bundestag mit dazu“, entgegnet er unter Applaus. Dann fährt er fort. | |
| „Vertragsbruch“ tönt es jetzt aus den Reihen der AfD, auch Weidel ruft | |
| dazwischen. „Frau Kollegin Weidel“, entgegnet Rehberg, „Sie suggerieren in | |
| ihrem Antrag, dass das Bundesverfassungsgericht ihren Aussagen Recht gibt. | |
| Mitnichten ist das so. Sie tricksen mit wörtlicher Rede. Das ist infam.“ | |
| ## „Gerichtshuren“ im „Unrechtsstaat“? | |
| Die SPD-Politikerin Bettina Hagedorn verweist darauf, dass der | |
| AfD-Abgeordnete Peter Böhringer als erster auf dem Antrag stehe. Dieser | |
| habe das deutsche Gerichtswesen „Gerichtshuren“ genannt, die Bundesrepublik | |
| einen „Unrechtsstaat“ und das Bundesverfassungsgericht ein „deutsches | |
| Systemgericht“. Das zeige: Das Vorgehen der AfD sei scheinheilig. FDP-Mann | |
| Otto Fricke räumt ein, dass der Antrag der AfD durchaus kritische Punkte | |
| anspreche. Aber er suggeriere auch, dass dies den Rest des Bundestags nicht | |
| interessiere. Das zerstöre das Vertrauen in das Parlament. | |
| Der Grüne Manuel Sarrazin betont, dass das Bundesverfassungsgericht | |
| mehrfach entschieden habe, dass die Eurorettung rechtskonform sei. „Wollen | |
| Sie dem Bundesverfassungsgericht widersprechen?“, sagt er Richtung AfD. | |
| „Ja“, schallt es zurück. Nicht einer ruft das, sondern mehrere. „Wollen … | |
| damit die Gewaltenteilung in diesem Land in Frage stellen? Machen Sie sich | |
| zum Richter über das, was Recht ist und was nicht?“ Die AfD, so Sarrazin, | |
| stehe nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes. Applaus von Ex-Jamaika | |
| bis SPD. Hier klappt es ganz gut mit der Abgrenzung von der AfD. | |
| Schwieriger hat es Andrej Hunko von der Linkspartei. Als er sagt, dass die | |
| Eurozone von Beginn an eine Fehlkonstruktion gewesen sei, klatschen seine | |
| Fraktion – und die Rechtspopulisten. Als er ausführt , dass der AfD-Antrag | |
| mit Blick auf den rechtlichen Rahmen „fanatisch“ sei, aber kein einziges | |
| wirtschaftspolitisches Argument enthalte, ist das vorbei. | |
| ## AfD jubelt auf Twitter | |
| In den sozialen Netzwerken wird die AfD später posten, dass Weidel eine | |
| fulminante Rede gehalten habe und fordert zum Weiterverbreiten des | |
| Mitschnitts auf. „Ein Wahnsinnseinstieg! Super gemacht @AliceWeidel“, | |
| schreibt einer der Abgeordneten auf Twitter. Davon, dass Weidels | |
| Co-Fraktionschef Gauland versprochen hatte, im Parlament herrsche ein | |
| anderer Ton als im Wahlkampf, ist nicht die Rede. | |
| Schon am Vormittag, als der Bundestag über die Verlängerung von | |
| Auslandseinsätzen der Bundeswehr berät, streuen Redner der AfD | |
| Provokationen ein. Jan Nolte sagt mit Blick auf die Rettung schiffbrüchiger | |
| Flüchtlinge durch deutsche Soldaten im Mittelmeer, dass dies „unsere | |
| Bundeswehr zum Schlepper macht“. Norbert Kleinwächter kritisiert, man könne | |
| nicht den IS zum Feind erklären und gleichzeitig sagen, dass der Islam zu | |
| Deutschland gehört. Und Gauland stellt den Afghanistan-Einsatz unter | |
| anderem deshalb als Misserfolg da, weil im vergangenen Jahr 227.000 | |
| Afghanen einen Asylantrag in Deutschland gestellt hätten und damit 42 Mal | |
| mehr als zum Höhepunkt der Taliban-Herrschaft. | |
| „Und jetzt, verehrte Bundesregierung und Frau Verteidigungsministerin, | |
| wollen Sie erneut deutsche Soldaten zur Staatenrettung nach Afghanistan | |
| schicken, während afghanische Flüchtlinge auf dem Ku'damm Kaffee trinken, | |
| anstatt beim Wiederaufbau ihres Landes zu helfen.“ Am Ende stimmt die AfD | |
| zu, dass drei der fünf Entscheidungen zur Beratung in den Hauptausschuss | |
| des Bundestages verlagert werden. Afghanistan und Syrien gehören nicht | |
| dazu. | |
| ## Nur die Linke geht nicht darauf ein | |
| Die meisten Abgeordneten springen an diesem Vormittag über die Stöckchen, | |
| die die AfD ihnen hinhält: Fast alle gehen in einem Schlenker auf die | |
| Provokationen ein. Die erste, die dies nicht tut, ist die Linkenpolitikerin | |
| Sevim Dagdelen. Sie wird – wie später ihr Parteifreund – von der AfD | |
| beklatscht. | |
| Die Debatte geht am heutigen Mittwoch weiter. Am Mittag befasst sich der | |
| Bundestag mit der Verlängerung von zwei weiteren Auslandseinsätzen. Am | |
| späten Nachmittag steht dann der zweite Antrag der AfD auf der | |
| Tagesordnung: „Rückführung syrischer Flüchtlinge“ heißt er und fordert … | |
| Bundesregierung auf, ein Rückreiseabkommen mit der syrischen Regierung zu | |
| schließen. | |
| 22 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
| ## TAGS | |
| Euro-Rettung | |
| Alice Weidel | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Bundestag | |
| Bundestag | |
| Schwerpunkt AfD | |
| Alice Weidel | |
| Bundestag | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kommentar Diätenerhöhung: Warum die Aufregung? | |
| Abgeordnete von Union, SPD und FDP wollen höhere Bezüge. Zu Recht! | |
| Fragwürdig ist vielmehr, woher sie sonst noch so ihr Geld beziehen. | |
| Wie das Regieren jetzt funktioniert: Auslandseinsätze gehen immer | |
| Nach dem Scheitern von Jamaika muss sich der neue Bundestag vorerst mit der | |
| alten Bundesregierung arrangieren. | |
| AfD nach dem Scheitern von Jamaika: Chance mit Risiko | |
| Offiziell freut sich die AfD über den Abbruch der Jamaika-Verhandlungen. | |
| Doch so einfach ist es nicht – eine Neuwahl ist keine Erfolgsgarantie. | |
| Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble: „Prügeln sollten wir uns hier nicht… | |
| Der neue Bundestagspräsident heißt Wolfgang Schäuble. Er fordert Respekt | |
| für Mehrheitsentscheidungen im Bundestag. AfD-Kandidat Glaser fällt als | |
| Vize durch. |