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# taz.de -- Polens Premierministerin tritt zurück: Nur eine Marionette Kaczyń…
> Die Premierministerin Beata Szydło tritt ab. Jarosław Kaczyński, der
> Parteichef von „Recht und Gerechtigkeit“, bleibt der mächtige Mann in
> Polen.
Bild: Beata Szydło hat ihren Rücktritt erklärt
Warschau taz | Nur zwei Jahre regierte Polens Premierministerin Beata
Szydło (54). Nach einer wochenlangen öffentlichen Debatte über ihren
Rücktritt warf die Exbürgermeisterin einer Kleinstadt in oberschlesischen
Kohlenpott am Donnerstag das Handtuch. Zwar dankten ihr der Vorstand und
Abgeordnete der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS)
überschwänglich für die „gute Arbeit“, ernannten aber sofort einen
Nachfolger.
Schon Ende nächster Woche könnte Mateusz Morawiecki (49), der bisherige
Minister für Wirtschaftsentwicklung und Finanzen, den Posten von Szydło
übernehmen. Bei der Gelegenheit wird er auch gleich ein paar Minister
entlassen und neue ernennen – auf Ansage von Parteichef Jarosław Kaczyński
(68). Kaum jemand in Polen gibt sich der Illusion hin, Morawiecki könnte
etwas anderes sein als eine Marionette Kaczyńskis.
Warum Szydło überhaupt gehen muss, ist unklar. Als brave Parteisoldatin
zerstörte sie auf Anweisung des Parteichefs Kaczyński – gemeinsam mit
Staatspräsident Andrzej Duda – Polens Rechtsstaat. Zur Zeit debattieren
Polens Abgeordnete die Demontage des letzten Pfeilers der Gewaltenteilung:
die Richter sollen nicht mehr unabhängig sein, sondern der Kontrolle der
„demokratisch gewählten Volksvertreter“ unterliegen.
Da bei den letzten Parlamentswahlen im Herbst 2015 die PiS mit einem
Stimmenergebnis von gerade mal 37 Prozent die absolute Mehrheit im Sejm und
Senat eroberte, heißt das im Klartext: „Staatsanwälte und Richter
unterliegen der Parteikontrolle.“ Zu dem seltsamen Kräfteverhältnis im
Parlament kam es durch das Wahlsystem, das den Sieger einseitig bevorzugt:
da es vier Parteien nicht über die Fünf- bzw Acht-Prozenthürde (für
Parteienbündnisse) schafften, gingen deren Sitze nach dem Prinzip „The
winner takes it all“ an die PiS.
Ganz zu Beginn sollte Szydło so etwas wie eine „Mutti“ in Sinne der
deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel sein. Tatsächlich ist sie bei den
meisten Polen aufgrund der üppigen Sozialprogramme, insbesondere das
monatliche Kindergeld in Höhe von rund 125 Euro ab dem zweiten Kind,
überaus beliebt. Viele nervte allerdings auch ihre Ergebenheit gegenüber
Parteichef Kaczyński und dem Radio- und Fernseh-Pater Tadeusz Rydzyk in
Thorn.
Auch im Ausland eckte die Premierministerin Polens mit ihrer
ruppig-beleidigenden Art überall an. Zudem nahm man ihr die dreisten Lügen
über die angebliche Aufnahme von hunderttausenden Kriegsflüchtlingen aus
der Ukraine übel. So fällt ihre Bilanz – objektiv gesehen – fatal aus:
Proteste im ganzen Land gegen die Demontage der Demokratie, Isolierung
Polens in der EU, mehrere Rechtsverfahren und Klagen vor dem Europäischen
Gerichtshof. Doch die Partei will Szydło keineswegs fallen lassen. In der
neuen Regierung soll sie auch wieder einen Posten bekommen.
## „Wunderkind der PiS“
Mateusz Morawiecki, der Nachfolger Szydłos, wurde bislang als „Wunderkind
der PiS“ gehandelt, obwohl er der Partei erst 2016 beitrat. Der studierte
Historiker, der aber auch an verschiedenen Universitäten Europas Kurse in
Business-Administration, Europarecht und Wirtschaftsintegration
absolvierte, schlug nach einem Praktikum bei der Deutschen Bundesbank eine
Karriere als Banker ein. 2014 stand er an der Spitze der drittgrößten Bank
Polens und verdiente über 1,7 Millionen Zloty (ca 425.000 Euro).
Politisch war Morawiecki bislang weniger an Parteiprogrammen, denn an der
Macht interessiert. So gehörte er ab 2010 zum Beraterstab des damaligen
Premiers Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO).
Die PiS stellt den heutigen EU-Rats-Vorsitzenden gern als Landesverräter
dar. Nach dem Regierungswechsel in Polen 2015 vollzog Morawiecki den
fliegenden Wechsel und wurde von der PiS mit offenen Armen aufgenommen. Er
soll in der neuen Regierung vor allem dafür sorgen, dass die EU die
milliardenschweren Direktbeihilfen an Polen nicht an die Einhaltung
rechtsstaatlicher Grundprinzipien bindet.
8 Dec 2017
## AUTOREN
Gabriele Lesser
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