Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Wetter immer extremer: Retten, was zu retten ist
> Stürme und Überschwemmungen werden im Norden häufiger – so wie im Süden
> die Waldbrände. Der EU-Kommissar für Katastrophenschutz reist an, um für
> Zusammenarbeit zu werben.
Bild: Schon vergessen? Pittoresk stürmischer Herbsthimmel dank Sturmtief „Xa…
Hamburg taz | Wenn EU Krisenschutz-Kommissar Christos Stylianides ab Montag
Hamburg, Niedersachsen und Bremen bereist, tobt im Hintergrund bereits ein
Streit: Stylianides will den Katastrophenschutzmechanismus an die
wachsenden Herausforderungen infolge des Klimawandels anpassen. Das ist das
Gebot der Stunde. Der Zyprer schlägt im [1][taz-Interview] „eine Stärkung
des europäischen Solidarverbands auch im deutschen Interesse“ vor. Sein
Plan: eigene Helfer-Einheiten, eine Art europäisches Technisches Hilfswerk
aufbauen, Ausrüstung inbegriffen. Zudem soll die EU künftig die Kosten für
Einsätze unter ihrer Regie komplett übernehmen.
Das Echo aus Frankreich und Italien darauf war wohlwollend, teils
begeistert. In Deutschland hat der Vorschlag keine Freunde gefunden.
Blanken Hass und pure Europafeindschaft hat er im November in Hessen und
Bayern ausgelöst. Dort sieht man noch nicht einmal Gesprächsbedarf. So
[2][befürchtet] CSU-Innenminister Joachim Herrmann, dass damit die
„bewährten Strukturen unterwandert“ würden – als wäre Europa eine
feindliche Macht, die Bayerns Feuerwehr infiltriert. Und im schrillen
Tonfall eines gewöhnlichen rechtsnationalistischen Internet-Trolls hat ein
Herr Peter Beuth aus Wiesbaden [3][gepostet], es handele sich bei den
Vorschlägen um „Katastrophenideen“.
## Trolle in Verantwortung
„Don’t feed the troll“, heißt es ja immer, bloß bekleidet der in Hessen…
Amt eines Innenministers. Es kann daher Auswirkungen haben, wenn der
CDU-Mann von EU-Einheiten albträumt, „die weit weg von den
Katastrophenlagen ungelenk parallel zu den eingespielten Pfaden des
Katastrophenschutzes irrlichtern“ würden. Unsinnige Pläne seien das, die es
zu stoppen gelte, denn, so Beuth, „wir haben in Deutschland ein effizientes
und gut funktionierendes Katastrophenschutzsystem.“
Vor allem hat Deutschland geringere Risiken als beispielsweise Italien, wo
Erdbeben und Vulkanausbrüche sich häufen. Und: Der Klimawandel macht sich
in subtropischen Regionen heftiger bemerkbar. Doch immerhin, an der Küste
sind Sturmfluten ein Begriff. Auch hat man 2002, 2006 und 2013 an der Elbe
Rekordhochwasser erlebt. Und noch ist nicht vergessen, dass Anfang Oktober
nach Orkan „Xavier“ Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen und Brandenburg plus die drei Stadtstaaten fast eine Woche
lang vom Zugverkehr abgekoppelt waren, und 20 Tage später der nächste Sturm
die Hauptverbindungen noch einmal still gelegt hatte.
Freilich, von den unberechenbaren Niederschlägen, die im Herbst ganze
Dörfer in Griechenland weggespült haben, von der tödlichen Dürre in Italien
ist man [4][hier weit weg]. Und sehr beiläufig wurde hier die dritte
Waldbrandwelle Portugals registriert: Mitte Oktober, lange nach dem Ende
der bisher üblichen Waldbrandsaison, starben dort noch einmal 40 Menschen
im Feuer, auch weil die über den EU-Katastrophenmechanismus angeforderte
Luftunterstützung fast völlig ausfiel.
## Eingeschränkte Solidarität
Die europäische Solidarität funktioniert nur eingeschränkt, auch weil
Deutschland die Waldbrandbekämpfung in diesem Jahr fein den
Mittelmeeranrainern überlassen hat: Italien, Spanien, Frankreich haben zu
den drei portugiesischen Waldbrand-Einsätzen dieses Jahres über den
EU-Mechanismus 14 Flugzeuge, 56 Fahrzeuge und 298 Retter entstand und
darüber hinaus noch bilateral Direkthilfe gestellt. Hessen hat stolze 113
Schutzanzüge nach Coimbra geschickt. Obrigado, Alemanha!
Weniger zurückhaltend ist Deutschland indes, wenn es darum geht, sich aus
dem EU-Solidaritätsfonds Katastrophenschäden erstatten zu lassen: Seit
dessen Gründung 2002 wurden aus dem europaweit rund dreieinhalb Milliarden
Euro ausgezahlt – mehr als eine an Deutschland, zumal an von Stürmen und
Elbfluten betroffene Bundesländer.
In Niedersachsen meint man dennoch, „in der nicht polizeilichen
Gefahrenabwehr ein hohes Niveau“ zu haben, so das Innenministerium. Die
Pläne aus Brüssel seien „kritisch zu bewerten“: Eine verbindlichere
Organisation europäischer Hilfen „würde nur zu Lückenschlüssen in anderen
Mitgliedsstaaten führen“, die ihre eigenen „Bemühungen für die
Notfallplanung unterlassen“ könnten. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass
Niedersachsen sein – wie auch immer ermitteltes – hohes Niveau nur dank
Einsatzkräften halten kann, die gnadenlos Überstunden schieben: 2016 waren
es 88 pro Kopf in Wolfsburg, die Braunschweiger sind in Summe auf insgesamt
fast 20.000 gekommen.
## Wenig Sympathie
Auch Schleswig-Holsteins CDU-Innenminister Hans-Joachim Grote hegt wenig
Sympathie für die Pläne des EU-Kommissars. [5][Der EU-Vertrag] sehe in
diesem Bereich nur die „Unterstützung und Ergänzung der Tätigkeit der
Mitgliedstaaten“ vor: „Der rechtliche Rahmen für eigene
EU-Katastrophenschutzeinheiten ist damit nicht gegeben“, so Grotes
Auffassung.
Ein wenig wirkt das aber auch so, als wäre man in Kiel verschnupft über die
Neubewertung. Ende August hatte es ja tatsächlich aus Brüssel geheißen, das
Katastrophenschutzverfahren funktioniere. Und Mitte Oktober sollte das
nicht mehr gelten? Nur wegen Portugal? „Das Innenministerium bleibt bei der
oben erwähnten Einschätzung“, heißt es aus dem Düsternbrooker Weg.
Den ganzen Schwerpunkt zu stärkeren Fluten, höheren Deichen und der
Wahrscheinlichkeit von Nordsee-Tsunamis finden Sie in der gedruckten taz
nord am Wochenende – oder [6][hier].
17 Dec 2017
## LINKS
[1] /!5468076/
[2] https://www.stmi.bayern.de/med/pressemitteilungen/pressearchiv/2017/425/ind…
[3] https://innen.hessen.de/presse/pressemitteilung/innenminister-gegen-eu-plae…
[4] https://www.dwd.de/DE/leistungen/besondereereignisse/duerre/20170811_hitze_…
[5] http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A12012E%2FTXT
[6] /e-kiosk/!114771/
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Katastrophenschutz
Extremwetter
Sturmflut
Sturm Xavier
Europäische Union
Überflutung
Schwerpunkt Klimawandel
Fischsterben
Griechenland
Schweden
Sturmflut
Sturmflut
Nordsee
## ARTIKEL ZUM THEMA
Online-Starkregen-Portal für Bremen: Wehe, wenn es regnet
Das neue Bremer Starkregen-Portal informiert Bürger*innen per Karte, ob ihr
Grundstück bei Starkregen gefährdet ist.
Großbrand nahe Berlin: Hunderte Menschen evakuiert
Im Südwesten Brandenburgs brennen 400 Hektar Wald, drei Dörfer wurden
evakuiert. Die Löscharbeiten der Feuerwehr sind wegen Altmunition
erschwert.
Fischbestände in Ostfriesland: Stinkender Sommer
Die Wieken trocknen aus, in den Entwässerungssystemen sterben die Fische.
Ausgerechnet das Naturschutzgesetz erschwert die Rettung von Kanal-Aal,
Barsch und Zander.
Notstand im Großraum Athen: Dutzende Tote durch Waldbrände
Rund um Athen sind Dutzende Häuser niedergebrannt. Einsatzkräfte verlieren
die Kontrolle über die Feuer. Die Zahl der Toten steigt auf rund 50.
Waldbrände in Skandinavien: Schwedens schwerste Brände
Durch monatelange Dürre breiten sich in Skandinavien Waldbrände aus. Viele
sind außer Kontrolle geraten. Schweden hat es am schwersten erwischt.
Orkan über Norddeutschland: „Sebastian“ – größer als „Irma“
Ungewöhnlich früh wird die Orkansaison mit einer Sturmflut eingeleitet. Von
Klimawandel wollen Meteorologen aber nicht sprechen.
Sturmflut-Angst an der Nordsee: Die Badewanne läuft über
An der Ostsee wurde heute Nacht eine der schwersten Sturmfluten seit
Jahrzehnten erwartet. Keine Katastrophe wie 1872, aber ein Zeichen des
Klimawandels
Leben auf einer Hallig: „Was sollen wir anderswo?“
Seit 299 Jahren leben die Kruses auf der Hallig Nordstrandischmoor. Das
Land wird regelmäßig überschwemmt, das Wasser steigt. Umziehen wollen sie
nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.