# taz.de -- Orkan über Norddeutschland: „Sebastian“ – größer als „Ir… | |
> Ungewöhnlich früh wird die Orkansaison mit einer Sturmflut eingeleitet. | |
> Von Klimawandel wollen Meteorologen aber nicht sprechen. | |
Bild: So sollte es am Abend auf den nordfriesischen Halligen mal wieder aussehe… | |
HAMBURG taz | Manche Träume erfüllen sich rascher als gedacht. „Sehr | |
gespannt“ auf sein erstes „Land unter“ auf der Hallig Hooge sei er, | |
erzählte Michael Engbert am Montag bei einer Wattwanderung mit der taz. Am | |
gestrigen Mittwoch schon durfte der 25-Jährige, der bei der Schutzstation | |
Wattenmeer auf Hooge ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) ableistet, | |
diese Erfahrung machen: Ungewöhnlich früh läutete Orkan „Sebastian“ die | |
Sturmflutsaison 2017/2018 an der Nordsee ein. Einen solch schweren Sturm | |
„schon Mitte September“ habe es schon lange nicht mehr gegeben, berichtete | |
Katrin Brogmus, die auf der Backenswarft auf Hooge eine Pension betreibt: | |
„Mitte September ist sehr früh, Mitte Oktober wäre normal.“ | |
Doch der Orkan, der am gestrigen Mittwochabend an der deutschen | |
Nordseeküste seine volle Energie freisetzen sollte, ist der erste in der | |
neuen Sturmflutsaison, aber er wird nicht der schwerste sein. Das Abend- | |
und Nachthochwasser war mit 1,50 bis 2,00 Metern über mittlerem Hochwasser | |
vorhergesagt – eine ganz normale Sturmflut, keine sonderlich schwere (siehe | |
Kasten). Aber ausreichend, um die weitgehend ungeschützten Halligen an der | |
nordfriesischen Küste zu überfluten: Hooge, Langeness, Oland, Gröde und | |
Habel werden spätestens nach 18 Uhr „Land unter“ gemeldet haben, die | |
kleinen äußeren Halligen Südfall, Süderoog und Norderoog bereits früher. | |
Und das ist alles andere als romantisch. Katrin und Heiner Brogmus hatten | |
bereits am Dienstag mit den Vorbereitungen begonnen. Eine Galloway-Kuh mit | |
einem drei Tage alten Kälbchen holten sie in eine eigene Box im Stall, den | |
Rest der Herde am Mittwoch. Überall auf Hooge wurden Pferde, Rinder und | |
Schafe auf die Warften getrieben, die Hühner eingefangen und die Häuser und | |
Scheunen flutsicher gemacht. Auch die Strandkörbe und Toilettenwagen, die | |
rund um die Hallig verteilt sind, wurden am Mittwoch auf die sicheren | |
Wohnhügel gebracht. | |
Zehn- bis zwölfmal im Jahr ist das so, das gehört zum Leben auf den | |
Marschinselchen vor der schleswig-holsteinischen Westküste dazu, aber | |
normalerweise nicht schon Mitte September. Windstärke 12 und mehr und damit | |
Orkanstärke sagten die Meteorologen übereinstimmend für Mittwoch voraus, | |
Böen mit bis zu 150 Stundenkilometern. Das Sturmtief „Sebastian“ reicht | |
zudem von Dänemark bis Norditalien: „Der hat einen Durchmesser von rund 900 | |
Kilometern“, sagt Meteorologe Dominik Jung vom Portal wetter.net, „damit | |
ist er größer als der Hurrikan Irma, der gerade die Karibik und Florida | |
heimsuchte.“ | |
Aber, zum Glück, ist Sebastian lange nicht so gewalttätig. „Es pfeift | |
mächtig und der Regen fliegt hier waagerecht“, berichtet am frühen | |
Nachmittag Michael Klisch, Leiter der Schutzstation Wattenmeer auf Hooge. | |
Das werde, so seine Prognose, „ungemütlich“. Auch für die Touristen, die | |
auf der Hallig festsitzen: Der Fährverkehr wurde Mittwochmittag | |
eingestellt, auch Helgoland war nicht mehr erreichbar, die Inseln Amrum, | |
Föhr und Pellworm nur unregelmäßig. | |
Als Konsequenz der Erderwärmung will Meteorologe Jung den September-Orkan | |
aber nicht bezeichnen. „Ungewöhnlich und auffällig“ sei der frühe Zeitpu… | |
schon, sagt er, aber mit dem Etikett „Klimakatastrophe“ sei er vorsichtig. | |
Aber wenn sich das in den nächsten Jahren wiederhole, müsse man das | |
Phänomen neu betrachten. | |
Eine neue Betrachtungsweise hat auf jeden Fall FÖJler Michael Engbert, der | |
vom Haus der Schutzstation auf der Hanswarft die Nordsee 100 Meter entfernt | |
über den Deich schwappen sieht: „Das wird aufregend heute Nacht.“ Genau so | |
wollte er es ja haben. | |
13 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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