| # taz.de -- Job-Poker bei den Grünen: Die Qual der Erneuerung | |
| > Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter wollen wieder | |
| > Fraktionsvorsitzende werden. Offen ist der Parteivorsitz. Da hängt alles | |
| > an einem Mann. | |
| Bild: Die alten Fraktionschef*innen wollen auch die neuen sein | |
| Berlin taz | Die Grünen sind in einer misslichen Lage. Hatten Sie gerade | |
| noch das Regieren in einem Jamaika-Bündnis vor Augen, Macht, Ministerien | |
| und Gestaltungsmöglichkeiten inklusive, drohen nun vier weitere Jahre in | |
| der Opposition. Das bedeutet auch, dass weniger Spitzenämter zu vergeben | |
| sind. Es geht vor allem um die Jobs der beiden Fraktionsvorsitzenden und | |
| die der ParteichefInnen, jeweils quotiert nach Geschlecht und nach linkem | |
| und Realo-Flügel. Wer wird was bei den Grünen? | |
| An der Fraktionsspitze wird wohl alles so bleiben, wie es ist. Die | |
| Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, möchte | |
| erneut für dieses Amt kandidieren. „Ich will sehr gern die Fraktion in den | |
| nächsten Jahren führen“, sagte Göring-Eckardt der taz am Mittwoch. „Nach | |
| einem guten Wahlergebnis und neuer Stärke und Relevanz durch die | |
| Sondierungen hat sich gezeigt: Der Kurs der Gemeinsamkeit war richtig.“ | |
| Göring-Eckardt betonte, jetzt komme es darauf an, Argumente und | |
| Verantwortung mit Leidenschaft zu verbinden, die ökologische Vernunft | |
| mehrheitsfähig zu machen und das große Ganze im Blick zu behalten. „Das | |
| will ich gern tun, mit neuem Schwung und Kraft.“ | |
| Eine Konkurrentin, die ihr das Amt streitig machen könnte, ist weit und | |
| breit nicht in Sicht. Ihr Kofraktionschef Anton Hofreiter hat ebenfalls | |
| angekündigt, noch einmal zu kandidieren. Auch seine Wahl gilt als | |
| wahrscheinlich. Hofreiter ist in der Fraktion beliebt, seine Expertise bei | |
| Klimaschutz- oder Verkehrsthemen wird geschätzt. | |
| ## Sunnyboy aus dem Norden | |
| Ein eingespieltes Team würde also die Fraktion führen, eine Erneuerung | |
| fiele aus. In der Fraktion wird auf die fragile politische Situation | |
| hingewiesen, die für die bewährte Lösung spreche. Schließlich wären die | |
| Grünen in der Opposition gegen eine Große Koalition die kleinste Kraft – | |
| hinter der rechtspopulistischen AfD, der FDP und der Linkspartei. | |
| Aber es gibt auch Leute, die Nachteile im Altbewährten sehen. Nach zwei | |
| Jahren, sagt ein Abgeordneter, würden die Fraktionsvorsitzenden neu | |
| gewählt. „Dann müssen wir überlegen, ob die aktuelle Aufstellung für den | |
| Wahlkampf 2021 funktioniert.“ Viel komplizierter ist die Lage beim | |
| Parteivorsitz, der im Januar neu gewählt wird. | |
| Noch-Parteichef und Realo Cem Özdemir hat mehrfach beteuert, nicht mehr | |
| für das Amt kandidieren zu wollen – zuletzt in einem taz-Interview. Die | |
| linke Kovorsitzende Simone Peter möchte wieder antreten. Ihre Chancen für | |
| eine Wiederwahl werden allerdings als schlecht eingeschätzt. Selbst | |
| Linksgrüne sagen, dass Peter zwar fleißig durch Kreisverbände toure, aber | |
| in der Außenwirkung zu wenig präsent sei. In der Ökopartei wird deshalb | |
| über eine komplette Erneuerung nachgedacht. | |
| Eine Schlüsselfigur ist dabei Robert Habeck, Energiewendeminister in | |
| Schleswig-Holstein. Die Ökopartei hat ihm längst den roten Teppich | |
| ausgebreitet. Würde er das Amt für sich beanspruchen, hätte er es so gut | |
| wie sicher, sagen viele Grüne. Habeck, der charismatische Sunnyboy aus dem | |
| Norden, fuhr bei der Urwahl ein respektables Ergebnis ein, schlägt oft | |
| nachdenkliche Töne an und wäre ein frisches Gesicht. | |
| ## Es ist kompliziert | |
| Doch Habeck hält sich bisher bedeckt. Beim Grünen-Parteitag am Samstag wich | |
| er aus, wenn man ihn nach seinen Ambitionen fragte: „Die Parteivorsitzfrage | |
| ist nachgeordnet zu der Frage: Wie wollen wir Grüne sein in den nächsten | |
| vier Jahren?“ Habeck wird sich gut überlegen, ob sich ein Ministeramt in | |
| Kiel mit dem Parteivorsitz in Berlin vereinbaren lässt, wenn die Autofahrt | |
| zwischen beiden Städten vier Stunden dauert. Für diese Variante müsste | |
| zudem die Grünen-Satzung geändert werden. Oder lohnt es sich wirklich, | |
| einen Ministerjob für den oft undankbaren Parteivorsitz aufzugeben? | |
| Neben dem Realo Habeck wären auch Männer vom linken Flügel denkbar. Der | |
| Europaabgeordnete und Attac-Mitgründer Sven Giegold hat bereits Interesse | |
| angemeldet. Falls Habeck kandidiere, unterstütze er das, sagte er Ende | |
| Oktober der Süddeutschen Zeitung. „Wenn er das nicht tut, überlege ich mir | |
| sehr ernsthaft anzutreten.“ Auch Michael Kellner, dem Politischen | |
| Bundesgeschäftsführer, werden Ambitionen nachgesagt. Kellner hat im | |
| Wahlkampf viele Kreisverbände besucht und ist extrem gut vernetzt. Ein Mann | |
| für den Chefjob würde sich also wohl finden. | |
| Bei den Frauen läuft die Suche auf Hochtouren. Mehrere junge Grüne, die | |
| Simone Peter beerben könnten, werden gehandelt. Aus dem linken Flügel wäre | |
| da Fraktionsvize Katja Dörner, Familienpolitikerin und Mitglied im | |
| Sondierungsteam der Grünen. Sie winkt aber ab: „Den Parteivorsitz strebe | |
| ich nicht an.“ Häufig fällt auch der Name der Verteidigungsexpertin | |
| Agnieszka Brugger, die das linksgrüne Netzwerk Grün.Links.Denken | |
| mitkoordiniert. Oder der von Katharina Dröge, Fachfrau für Wirtschafts- und | |
| Wettbewerbspolitik in der Fraktion. Weder Brugger noch Dröge äußern sich zu | |
| solchen Spekulationen. | |
| Annalena Baerbock, Reala und Bundestagsabgeordnete, wird von vielen gelobt. | |
| Die Klimaschutz- und Europaexpertin aus Brandenburg saß ebenfalls im | |
| Sondierungsteam und verhandelte angstfrei mit der Kanzlerin. „In dieser | |
| neuen Situation sollten alle noch mal in sich gehen, wie wir die Partei | |
| bestmöglich neu aufstellen“, sagt sie. Das klingt, als denke sie zumindest | |
| nach. Das Problem: Ein Realo-Doppel Habeck und Baerbock wäre für den linken | |
| Flügel schwer tragbar. Es ist kompliziert bei den Grünen. | |
| 29 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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