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# taz.de -- Norwegische Schifffahrt der Zukunft: Der Ölpreis ist ein Glücksfa…
> Fossile Quellen haben das Land reich gemacht. Der sinkende Rohstoffpreis
> zwingt die ölabhängige Schifffahrt zu einem ökologischeren Kurs.
Bild: Der Geirangerfjord in Norwegen: Die Kreuzfahrtschiffe verpesten die Luft
Ålesund taz | Es war nur eine kleine sprachliche Ungenauigkeit. Hier kommt
Tesla hin, hier kommt ein Tesla hin. Die Dolmetscherin hatte sich
versprochen – und prompt hatte das Norwegische Maritime Kompetenzzentrum
die ganze Aufmerksamkeit der Besucher. Wenn der Fortschrittstreiber der
Automobilindustrie dabei ist, muss hier ja Bedeutsames passieren, so der
Impuls. Nun, die Firma aus dem Silicon Valley forscht hier nicht. Dafür
Rolls Royce, der Energiekonzern Hafslund, die internationale Werftengruppe
Vard, der Motorenhersteller Stadt und etliche andere. Das Tesla-Modell in
der Halle ist durchaus als Inspiration und Motivation gedacht. Denn in
Ålesund peilt man eine vergleichbare Revolution in der Schifffahrt an, wie
sie Tesla in der Autoindustrie angestoßen hat.
Norwegen will sich zum Vorreiter für die Blue Maritime aufschwingen, für
die Schifffahrt der Zukunft: ökologisch, digital, sicher. Zwar sind die
Skandinavier nicht allein mit diesem Ansinnen. Weltweit wird an neuen
Kraftstoffen und effizienteren Antrieben und Designs geforscht. Auch in
Deutschland gibt es seit gut zwei Jahren ein Maritimes Kompetenzzentrum im
ostfriesischen Leer und in Elsfleth, dessen Experten sich intensiv mit
grüner Schifffahrt beschäftigen. Und die Bundesregierung fördert den
Einsatz von Flüssiggas (LNG) im Schiffsverkehr, um den Ausstoß von Stick-
und Schwefeloxiden sowie von Rußpartikeln zu verringern.
Aber Norwegen betreibt derzeit wohl den größten Aufwand. Und das liegt vor
allem am Öl und an seinem fallenden Preis. Fossile Quellen haben das Land
reich gemacht, den Staatsfonds gut gefüllt. Aber die Wirtschaft hat sich
auch lange einseitig darauf verlassen. Bis vor wenigen Jahren erhielten die
norwegischen Werften 80 Prozent ihrer Aufträge von den Firmen der Öl- und
Gasindustrie, für die sie Bau-, Versorgungs- und Serviceschiffe
herstellten. Heute sind es gerade noch 11 Prozent. So suchen sie
händeringend nach neuen Geschäftsfeldern, beispielsweise in der Windenergie
auf hoher See.
Der Abschied vom Öl aber soll mit einer ganz großen Neuausrichtung
verbunden sein: „Natur, hohe ökologische und soziale Standards sowie
Technologiekompetenz – das ist die Norwegen-Story, die wir erzählen
wollen“, sagt Manuel Kliese. Er leitet die norwegische
Wirtschaftsförderung, die die Regierung in Oslo vor zwei Jahren unter der
Marke „Innovation Norway“ zusammengeführt hat. Der Transformationsprozess
in der Schifffahrtsindustrie hin zur grünen Schifffahrt ist eine der
zentralen Aufgaben. „Das ist vor allem technologiegetrieben und gar nicht
so beschäftigungsintensiv“, sagt Kliese. „Da hat Norwegen auch als
Hochlohnland sehr gute Aussichten.“
## 30 Prozent weniger Kohlendioxid bis 2025
Die Imagebildung wird ernst genommen. Selbst der größtenteils staatliche
Öl- und Gaskonzern Statoil verlangt, dass seine Serviceschiffe mit sauberen
Antrieben fahren. „Bis vor Kurzem lag unser Fokus noch auf der Öl- und
Gaswirtschaft“, sagt auch Holger Dilling, leitender Vizepräsident bei Vard.
„Heute haben wir einen Strich gezogen. Das wird nicht mehr so positiv
assoziiert.“
Neben Ölpreis und nationaler Strategie treibt aber vor allem die
internationale Umwelt- und Klimapolitik den Umbau voran – auch wenn sie
Umweltschützern noch viel zu vorsichtig und wenig ambitioniert ist. Nach
dem Pariser Klimaabkommen müssen auch aus der Schifffahrt bis 2023
Vorschläge kommen, was sie dazu beitragen kann, die globale Erwärmung bei
1,5 Grad zu halten. Die Internationale Maritime Organization, eine
Unterorganisation der Vereinten Nationen, hat deshalb festgelegt, dass neue
Schiffe mit umweltschonenden Technologien ausgerüstet und bestehende zum
Teil nachgerüstet werden müssen. Insgesamt soll die weltweite Flotte so bis
2025 bis zu 30 Prozent weniger Kohlendioxid (CO2) ausstoßen.
Zudem werden in ersten sogenannten Emissionskontrollzonen auch
Luftschadstoffe reguliert, etwa in Nord- und Ostsee, wo Kraftstoffe nur
noch 0,1 Prozent Schwefel enthalten dürfen – sonst braucht das Schiff eine
Entschwefelungsanlage. „Das ist immer noch 100-mal so viel wie bei einem
Dieselauto“, sagt Dietmar Oeliger, Schifffahrtsexperte des Umweltverbands
Nabu. Und Stickoxide und Feinstaube seien gar nicht erfasst. Aber es ist
überhaupt schon mal eine Regulierung.
In Norwegen sorgt man sich zudem um die Fjorde. Vor allem die
Kreuzfahrtschiffe sorgen für Emissionen, die sich oft tagelang zwischen den
Bergen stauen und für die Anwohner alles andere als gesundheitsfördernd
sind. Deshalb will die Regierung alte Schiffe mit dreckigem Treibstoff
künftig aus den Fjorden fernhalten.
## Erfolgsversprechende Batterie
Trotzdem steckt man auch im Kompetenzzentrum in Ålesund noch in den
Anfängen. Die Überlegungen sind die gleichen wie überall auf der Welt: Auf
welchen Antrieb will man für die Zukunft setzen? Flüssiggas muss gekühlt
werden und braucht Druck, die Tanks sind platzaufwendig, die
Brennstoffzelle wäre wunderbar, aber die Umwandlung in Wasserstoff braucht
noch zu viel Energie, Biodiesel ist aggressiv zu Gummi und Stahl.
Am meisten Erfolg scheint die Batterie zu versprechen: Werften in
verschiedenen Ländern haben bereits Schiffe in Bau, bei denen zumindest ein
Teil des Antriebs batteriegesteuert ist. Aber auch auf einem Schiff
brauchen die großen Batterien wie im Auto noch zu viel Platz. Entsprechend
gering ist die Reichweite.
Bei Fähren funktioniert das. Die Autofähre „Ampere“ in Sognefjord etwa gi…
als erste 2015 an den Start. Gebaut hat sie die Werft Fjellstrand. Mit
Lithium-Ionen-Akkus mit einer Kapazität von 1.000 Kilowattstunden fährt sie
in 20 Minuten sechs Kilometer und tankt an jedem Stopp zehn Minuten lang
auf. Das spart eine Million Liter Diesel pro Jahr. Die Havyard Group baut
gerade fünf neue Fähren. Auch auf Binnengewässern sind bereits
vollelektrische Schiffe unterwegs.
## Forschung zu Schiffsdesign
Für Fahrten über den Ozean reichen die Akkuladungen aber noch lange nicht.
Hier könnten sich jedoch Hybridantriebe durchsetzen. Der
Schiffsmotorenbauer Stadt AS setzt jedenfalls darauf: Der Umbau muss nicht
allzu aufwendig sein. Viele Schiffe werden ohnehin mit einem elektrischen
Antriebsstrang gebaut. Den Strom erzeugen Dieselgeneratoren, aber jederzeit
können Akkus zugeschaltet werden. Laut Stadt- Vorstandschef Hallvard
Lidsset Slettevoll verbraucht das bis zu 60 Prozent weniger Treibstoff.
Der Antrieb ist nicht das einzige Experimentierfeld. In Ålesund forscht man
auch über eine bessere Wasserdynamik, neue Buggestaltungen und überhaupt
ein besseres Schiffsdesign. Ziel immer: mehr Effizienz. Interessant ist das
auch für Kreuzfahrtschiffe, bei denen der Hotelbetrieb so viel Energie
benötigt wie der Vortrieb. Und auch für andere Passagierschiffe, die auf
einen Anteil von 15 bis 20 Prozent kommen. Sie würden von mehr
Stromtankstellen profitieren.
Doch die Infrastruktur in den Häfen ist ebenso ein Kostenfaktor wie saubere
Treibstoffe. Eine Tonne Schiffsdiesel, eine ziemlich dreckige Mischung aus
Schweröl und Diesel, kostet 500 US-Dollar, etwa 423 Euro. Marinediesel, der
immer noch viele Schwefel- und Stickoxid-Emissionen verursacht, ist für 700
Dollar zu haben, normaler Diesel für rund 900. Wasserstoff oder Flüssiggas
kommen auf 3.000 bis 4.000 US-Dollar.
## Der Treibstoffpreis
„Da braucht man schon deutlich mehr Druck über Regulierungen“, sagt
Nabu-Experte Oeliger. Obwohl er das Preis-Argument etwa in der
Containerschifffahrt eigentlich nicht gelten lassen will. „Der Transport
per Schiff ist ja eigentlich wahnsinnig billig“, sagt er. Selbst wenn der
Treibstoffpreis sich vervielfache, bedeute das für die verschiffte Ware
einen Mehrpreis im Centbereich. „Und selbst wenn ein Tablet einen Euro
teurer würde, kümmert das doch keinen.“
In einem ist er sich mit Innovation Norway einig: „Derzeit will niemand den
Zug verpassen, deshalb versuchen alle, mit irgendwas aufzuspringen“, sagt
Manuel Kliese. „Aber niemand weiß heute, wohin die Reise geht.“
4 Jan 2018
## AUTOREN
Beate Willms
## TAGS
Schifffahrt
Ölpreis
Norwegen
Lesestück Recherche und Reportage
Agrosprit
Energiewende
Erna Solberg
Meeresschutz
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Schwerpunkt Klimawandel
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