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# taz.de -- Propaganda mit Fotos: Wenn Luftbilder zu Kriegen führen
> Mit falschen Satellitenaufnahmen beschuldigt Russland die USA der
> Zusammenarbeit mit dem IS. Die Geschichte zeigt: Das ist gefährlich.
Bild: Mit Satellitenbildern warb Collin Powell für den Irakkrieg
Peinlich, Peinlich. Eigentlich hatte das russische Verteidigungsministerium
einen Coup landen wollen, als es am Dienstag über die sozialen Netzwerke
Beweise für eine Zusammenarbeit der USA mit der Dschihadistenmiliz
„Islamischer Staat“ vorlegte. Luftaufnahmen sollten belegen, dass „die USA
IS-Kampfeinheiten Schutz bieten“. Auf der schwarzweißen Aufnahme sind
mehrere militärische Fahrzeuge zu sehen.
Nicht nur Joschka Fischer wäre von der [1][unscharfen Luftaufnahme] „not
convinced“ – auch im Internet trauten die Nutzer den „Beweisen“ nicht �…
den Weg. Zurecht, wie sich kurze Zeit später herausstellte. Die Aufnahme
stammt nämlich nicht von einer russischen Drohne, sondern aus dem
Indie-Computerspiel „AC-130 Gunship Simulator: Special Ops Squadron“, wie
mehrere Internetnutzer schnell feststellten.
Nach einigen Stunden löschte das Verteidigungsministerium die Bilder und
sprach von einem „Fehler“ eines externen Mitarbeiters, ohne die genaue
Natur des Fehlers weiter auszuführen. Daher bleibt nur die Spekulation.
Womöglich bewahrt der externe Mitarbeiter ja Beweismittel in der gleichen
Schublade auf, wie Screenshots von seinen Lieblingscomputerspielen. Da
kommt man schon mal durcheinander. Vielleicht postet das Ministerium ja
künftig auch Bilder aus dem gewalttätigen Computerspiel Grand Theft Auto,
um auf die zunehmende Kriminalität in US-amerikanischen Großstädten
hinzuweisen.
## Dramatische Folgen bis heute
Doch selbst ohne Bildmanipulation sind schlecht ausgeleuchtete, unscharfe
Luft- und Satellitenaufnahmen ein Klassiker der Kriegspropaganda. Im
Februar 2003 warb US-Außenminister [2][Collin Powell mit einer
Power-Point-artigen Präsentation] vor dem UN-Sicherheitsrat für den lange
geplanten Irakkrieg. Dazu gab es natürlich auch Satellitenaufnahmen, die
beweisen sollten, dass der Irak über Massenvernichtungswaffen verfüge, den
Bau von Atomwaffen plane und mit der Terrororganisation Al-Qaida
zusammenarbeite.
Im März marschierten US-Truppen in den Irak ein, der Dritte Golfkrieg
kostete mindestens 100.000 Menschen das Leben. Später stellte sich heraus,
dass der Irak nicht über Massenvernichtungswaffen verfügte, nicht den Bau
von Atomwaffen plante und nicht mit Al-Qaida zusammengearbeitet hatte.
Unter den Folgen des völkerrechtswidrigen Kriegs leidet das Land bis heute.
Und dann war da ja noch Rudolf Scharping. Der SPD-Politiker führte
Deutschland unter der von Gerhard Schröder geführten rot-grünen Bewegung
1999 in den Kosovo-Krieg. [3][Scharping begründete den Einsatz mit der
Behauptung, Serbien plane die Vertreibung der Kosovoalbaner.]
Als Beweis für den so genannten Hufeisenplan zeigte Scharping im April 1999
in einer vielbeachteten Pressekonferenz Bilder eines Massakers von Serben
an Albanern im kosovarischen Rogovo. Im Mai reichte das
Verteidigungsministerium noch obligatorische Luftaufnahmen nach, die von
serbischen Kräften zerstörte albanische Dörfer zeigen sollten.
## Eine Handvoll unscharfer Fotos
Schon Ende März 1999 hatte die Nato ohne UN-Mandat mit der Bombardierung
Serbiens begonnen. Auch die Luftwaffe beteiligte sich an den Angriffen – es
war der erste Kampfeinsatz seit Gründung der Bundeswehr. Durch die
Bombardements starben mehrere Hundert serbische Zivilisten. Infolge des
Natoeinsatzes eskalierte der Kosovokrieg weiter und kostete geschätzte
10.000 Menschen – Serben und Albaner – das Leben.
Bleibt noch zu erwähnen, dass die veröffentlichten Luftaufnahmen des
Verteidigungsministeriums erst nach Beginn der Nato-Intervention entstanden
waren. Das „Massaker“ in Rogovo konnte nie ganz aufgeklärt werden. Aber
vieles spricht dafür, dass ein Großteil der Ermordeten keine Zivilisten,
sondern albanische Kämpfer waren und im Gefecht starben.
Dass eine Handvoll unscharfer Fotos auch im aktuellen Fall zu einem Krieg
zwischen den USA und Russland führt, ist aber ausgeschlossen. Das liegt
jedoch nicht an der Beweiskraft der Satellitenaufnahmen, sondern an der
Ebenbürtigkeit der potenziellen Gegner.
Während der Kubakrise 1962 verfügten die USA über Luftbilder, die bewiesen,
dass Russland Raketen nach Kuba – in Reichweite der USA – verlegte. Auf
einen Angriff ließ sich aber keine der beiden Supermächte ein. Denn im
Gegensatz zu Serbien und Irak wäre das ein Krieg gewesen, den man auch
hätte verlieren können.
15 Nov 2017
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/CITeam.org/photos/pcb.881052455381066/881051985381…
[2] https://www.youtube.com/watch?v=ErlDSJHRVMA
[3] https://www.youtube.com/watch?v=ZtkQYRlXMNU
## AUTOREN
Jörg Wimalasena
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