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# taz.de -- Geflüchtete und Prostitution in Berlin: Heiße Luft statt Blow Job…
> Haben Wachmänner wirklich Geflüchtete in die Prostitution vermittelt? Es
> mehren sich Zweifel an einer Story des ZDF.
Bild: Geflüchteter in der Notunterkunft im früheren Rathaus Wilmersdorf
In Berlin landen Flüchtlinge in der Prostitution. Wachleute aus
Flüchtlingsheimen betätigen sich dabei als Zuhälter und verdienen damit
Geld. So lauteten die Thesen eines Beitrages des ZDF-Magazins „Frontal 21“
von Ende Oktober. Seitdem sind fünf Wochen vergangen. Und es kommen immer
mehr Zweifel auf, ob sich das tatsächlich so zugetragen hat.
Deutlich bringt das Sascha Langenbach, Sprecher des Landesamtes für
Flüchtlingsangelegenheiten, auf den Punkt: „Wir konnten bisher keinen der
Vorwürfe verifizieren. Für mich steht fest: Das Ding stimmt hinten und
vorne nicht.“ Vorsichtiger formuliert Katina Schubert,
flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken, ihre Zweifel. „Tatsache ist,
dass niemand die Protagonisten in dem Film kennt. Es gibt keine gesicherten
Zeugenaussagen.“
Ihre grüne Kollegin Canan Bayram kann sich zwar vorstellen, „dass
Sicherheitsleute, die ja auch andernorts an der Tür stehen, Kontakte in die
organisierte Prostitution ebnen“. Gesichertes Wissen dazu habe sie aber
nicht. „Dass im Tiergarten einzelne Flüchtlinge als Stricher arbeiten, ist
aber leider eine Tatsache“, so Bayram.
## Verdacht bisher nicht bestätigt
Die für Versorgung und Integration Geflüchteter zuständige Sozialsenatorin
Elke Breitenbach (Linke) hatte in dem ZDF-Beitrag Aufklärung versprochen.
Nun sagt ihre Sprecherin Karin Rietz, der Verdacht sei von der
Senatsverwaltung für Integration sehr ernst genommen worden. Offiziell
bestätigt habe er sich aber bisher nicht: „Wir warten auf das Ergebnis der
polizeilichen Ermittlungen.“ Polizeisprecher Martin Halweg bestätigt zwar
Ermittlungen. Wegen des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens will er sich
allerdings zu bisherigen Erkenntnissen nicht äußern.
Im Zentrum der Vorwürfe stand die inzwischen geschlossene Notunterkunft im
ehemaligen Rathaus Wilmersdorf. Holger Michel hat dort jahrelang
ehrenamtlich Flüchtlinge unterstützt. Er sagt: „Der Vorwurf der
Zwangsprostitution wird sich nach unserem jetzigen Kenntnisstand als
haltlos erweisen.“ Ein anderer Mann, der dort ehrenamtlich arbeitete und
nicht namentlich genannt werden möchte, will wissen, dass sich „nach
jetzigem Kenntnisstand der Ermittlungen“ die Vorwürfe in wenigen Wochen als
konstruiert herausstellen werden. Er stütze sich dabei auf Aussagen von
Ermittlern ihm gegenüber.
## „Kein Teil unseres Teams“
Betreiber der Notunterkunft war bis zur Schließung vor wenigen Tagen der
Arbeiter-Samariter-Bund. Dessen Sprecherin Melanie Rohrmann sagt: „Wir
haben unmittelbar nach Ausstrahlung des Beitrages interne Ermittlungen
eingeleitet und mit Bewohnern, Mitarbeitern, Security-Männern und
Ehrenamtlern gesprochen. Wir können sagen, dass weder die im Beitrag
gepixelt gezeigte Sozialbetreuerin noch die beiden Securitymänner je Teil
unseres Teams waren. Auch den gefilmten Bewohner können wir unserem Haus
nicht zuordnen.“
Allerdings: Das ZDF zeigt zwar die Fassade des Heimes im Rathaus
Wilmersdorf. Im Beitrag ist dann aber nur die Rede davon, dass die
Gesprächspartner „in Wilmersdorf“ arbeiteten. Sie könnten theoretisch also
auch in jedem anderen Wilmersdorfer Heim tätig sein. Doch führt „Frontal
21“ den im Beitrag vorkommenden Sicherheitsdienst unter dem Vorwurf der
Prostitutionsvermittlung mit den Worten ein, er hätte „hier offensichtlich
noch eine andere Funktion“ – „hier“, also nicht irgendwo anders in
Wilmersdorf.
## Wachschutz stellt Strafanzeigen
In der Unterkunft im Rathaus war bis zur Schließung die Firma GSO Security
für den Wachschutz zuständig. Darum fühlt sich GSO-Geschäftsführer Michael
Albert angesprochen. „Wir haben nach Ausstrahlung des Beitrages sofort mit
den Ermittlungsbehörden kooperiert. Wir haben zwei Strafanzeigen gestellt,
eine wegen Zuhälterei, um die Ermittlungen anzustoßen, und eine zweite
wegen Falschinformation.“
Albert hat keine Kenntnis, dass die Polizei gegen konkrete Mitarbeiter
seiner Firma einen dringenden Tatverdacht habe. „Wir stehen darum mit einer
Detektei im Kontakt. Die soll herausfinden, wer hinter dem Bericht steht
und das ZDF aus welchen Motiven heraus mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch
informiert hat.“ Auch sein Unternehmen würde die im Film gezeigten
Sicherheitsmänner nicht kennen.
Christian Rohde von „Frontal 21“ weist die Vorwürfe zurück, dass die
Redaktion eine Geschichte konstruiert habe. „Wir haben seriös gearbeitet.
Wir stehen zu unserer Recherche. Mehrere Quellen, sowohl Flüchtlinge als
auch Sicherheitsleute, haben uns die Geschichte so erzählt, wie wir sie
gesendet haben.“
Wie alle Medien gewährt auch „Frontal 21“ seinen Informanten Quellenschutz.
Das heißt, die Redaktion darf ihre Gesprächspartner anonymisieren. So will
es das Presserecht – aus gutem Grund. Christian Rohde will deshalb auch
nicht sagen, in welchem Flüchtlingsheim die Gesprächspartner der Redaktion
genau gearbeitet haben.
## „Schambehaftetes Thema“
Eine der wenigen, die mit vollem Namen in dem Beitrag zu Wort kommt, ist
Diana Henniges von der Ehrenamtlichen-Initiative „Moabit hilft“. Sie will
Erkenntnisse haben, „dass es in Berliner Flüchtlingsheimen Wachschützer
gibt, die sich eine goldene Nase daran verdienen, dass Flüchtlinge ihren
Körper verkaufen.“ Ähnlich hatte sich Henniges auch unmittelbar nach der
Ausstrahlung des Beitrages in der taz geäußert. Da sagte sie, ihr seien
drei Unterkünfte in Berlin bekannt, in denen Sicherheitsleute männlichen
Geflüchteten den Weg in die Prostitution ebneten.
Wenn die Polizei fünf Wochen nach der Ausstrahlung des Magazinbeitrages
keine Erkenntnisse dazu habe, so Henniges heute, „resultiert das nicht
unbedingt daraus, dass es das Problem nicht gibt, sondern dass niemand zur
Polizei gegangen ist“. Ihre Initiative habe zwar Betroffene ermutigt, das
zu tun. „Das ist aber ein sehr schambehaftetes Thema.“
29 Nov 2017
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Prostitution
Geflüchtete
Security
Moabit hilft
Security
ZDF
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF)
Lesestück Interview
Flüchtlinge
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