# taz.de -- Flüchtlingshelferin über Prostitution: „Ein Blowjob für 5 Euro… | |
> Mitarbeiter von Security-Firmen sollen Flüchtlinge in Prostitution | |
> vermitteln. Ein bekanntes Problem, sagt Diana Henniges von der | |
> Organisation „Moabit hilft“. | |
Bild: Auch im Berliner Tiergarten wurde Flüchtlingsprostitution beobachtet | |
taz: Frau Henniges, gegen Berliner Sicherheitsfirmen stehen schwere | |
Vorwürfe im Raum: Mitarbeiter sollen Flüchtlinge in die Prostitution | |
vermitteln. Was ist an den Vorwürfen dran? | |
Diana Henniges: Schon im Juni 2017 haben wir von „Moabit hilft“ auf die | |
unsäglichen Zustände in der Flüchtlingsunterkunft im Rathaus Wilmersdorf | |
aufmerksam gemacht. Das dort eingesetzte Security-Unternehmen war auch | |
durch gewaltsame Übergriffe auf Geflüchtete aufgefallen. All diese | |
Informationen haben wir an die zuständige Senatsverwaltung für Soziales | |
weitergeben. | |
Was wissen Sie über das Zustandekommen von Prostitution durch Heimbewohner? | |
Wir haben unser Wissen von vier, fünf Geflüchteten. Entweder sie haben | |
davon gehört oder sie waren beteiligt. In allen Fällen sind es Männer. Die | |
einen sind von Sicherheitsleuten angesprochen worden, andere haben die | |
Sicherheitsleute von sich aus angesprochen, weil sie sich schon vorher | |
prostituiert haben. Für die Vermittlung haben sie dann Geld an die Security | |
bezahlt. | |
Für die Vermittlung von Freiern, Zuhältern oder für was? | |
Das sind alles sehr schambehaftete Informationen, die nicht im Detail | |
erzählt werden. Uns wurde berichtet, dass Sicherheitsunternehmen daran | |
beteiligt sind, dass sie sich prostituieren. | |
In wie vielen Unterkünften in Berlin passiert das? | |
Mir sind drei Unterkünfte bekannt. Das heißt, mindestens drei Firmen sind | |
involviert. Das sind einzelne Fälle, die uns aus diesen Heimen zugetragen | |
werden – nicht nur von Prostituierten selbst. Es kann auch eine | |
Flüchtlingsfamilie sein, die erzählt, dass in der dritten Etage eines | |
bestimmten Hostels regelmäßig ab einer bestimmten Uhrzeit Prostitution | |
angeboten wird. Oder Drogenhandel. | |
Wir sprechen von betreuten Unterkünften, was auch ein Hostel sein kann? | |
Ja. Da gibt es dann zwei Zimmer, wo Prostitution ausgeübt wird. Beim | |
Drogenhandel und Konsum ist es genauso. Der Verkauf findet in der | |
Unterkunft statt. Drogenhandel ist ein gängiges Geschäft, vor allem in | |
größeren Unterkünften. Man bekommt alle Arten von Drogen. Wir reden hier | |
nicht vom Marihuana. Wir reden von Heroin. | |
Und die Security ist für diese Geschäfte das Einfallstor? | |
So ist es. Das liegt daran, dass unfassbar viele unseriöse | |
Sicherheitsunternehmen das Sagen in den Unterkünften haben. Die Betreiber | |
können keine qualifizierten Betreuungskräfte einstellen für das mickrige | |
Geld, das sie bekommen. Das heißt, das Security-Unternehmen ist in der | |
Unterkunft die ausführende Gewalt. | |
Wie wirkt sich das aus? | |
Sie machen alles, von der Einlasskontrolle über die Zimmerkontrolle bis hin | |
zur Wanzenentsorgung. Sie haben unglaublich viele exekutive Rechte in einer | |
Unterkunft. Viele Geflüchtete halten die Security deshalb auch für die | |
deutsche Polizei. | |
Dazu kommt, dass viele Sicherheitsleute Arabisch sprechen. | |
Richtig. Viele sind Landsleute der Geflüchteten. Durch den sprachlichen | |
Zugang können sie die Heimbewohner unter Druck setzen – nicht nur | |
emotional. | |
Kann man von einem offenen Geheimnis in den Unterkünften sprechen? | |
Davon gehe ich aus. Wenn das zu uns durchdringt, wie kann es da sein, dass | |
es einer Heimleitung und den Sozialarbeitern nicht bekannt ist? Das | |
funktioniert nach der bekannten Affentechnik: Augen, Ohren, Mund zu. Selbst | |
die ehrenamtlichen Helfer wissen davon. In einem internen Forum hat jemand | |
geschrieben: Was sollen wir machen? Das ist nun mal deren Entscheidung. | |
Was hat „Moabit hilft“ unternommen? | |
Wir haben zwei Fälle auf Deutsch so dokumentiert, wie es uns berichtet | |
wurde. Wir haben die Betroffenen aufgefordert, damit zur Polizei zu gehen, | |
wir hätten sie auch begleitet. Viele der Geflüchteten wollen aber nicht zur | |
Polizei. Sie haben große Angst, weil sie in den Unterkünften den Securitys | |
ausgeliefert sind. | |
Was wissen Sie von den Preisen für die Prostituierten? | |
Wir hören, dass Geflüchtete für einen Blowjob fünf Euro bekommen. Es gibt | |
auch Blowjobs für 50 Euro, und Sexualverkehr für 100 Euro. Wir kennen auch | |
Sex ohne Gummi für 250 Euro. Das hängt davon ab, wie gut man vernetzt ist, | |
wer einem Leute vermittelt und wo das stattfindet. | |
Selbst in schlimmster Not muss sich in Deutschland niemand prostituieren. | |
Was führt bei Geflüchteten dazu, dass sie es tun? | |
In den Fällen, die mir bekannt sind, haben die Leute eine Duldung oder eine | |
Ausreiseverpflichtung. Iraner, Afghanen – das ist ein Großteil der Leute, | |
die sich prostituieren. Es geht darum, die Familienangehörigen zu | |
versorgen, die in den Heimat -oder Transitländern verblieben sind. Von den | |
145 Euro Taschengeld, die man in einer Unterkunft bekommt, ist das nicht zu | |
bewältigen. Wenn man sich selbst verpflegt, bekommt man rund 400 Euro, aber | |
auch das reicht nicht für die Unterstützung der Familie. Sie versuchen | |
natürlich auch schwarz zu arbeiten in arabischen Großbäckereien oder | |
anderen Einrichtungen. Das reicht aber nicht, um davon in der Türkei oder | |
Jordanien die Miete zu zahlen. | |
Das heißt, der Schritt in die Prostitution würde auch ohne Zutun der | |
Sicherheitsleute erfolgen? | |
Nicht in dem Umfang. Die Hemmschwelle wäre deutlich größer. In einem Land, | |
in dem man sich nicht auskennt, von einem Landsmann gesagt zu bekommen, | |
hier ist das okay, traut man sich plötzlich, was man sich sonst nie getraut | |
hätte. | |
25 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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