# taz.de -- Die Wahrheit: Babyface mit Stirnlocke | |
> Eine der mediokeren Gestalten der an mediokeren Gestalten nicht armen | |
> britischen Politik ist der ehemalige Schatzkanzler George Osborne. | |
Bild: Die Frage, ob Nordirland und Irland eine offene Grenze behalten, ist ents… | |
Es gebe keine wertvollere Freiheit in Großbritannien als die Freiheit der | |
Presse, verkündete George Osborne voriges Jahr, als er noch Schatzkanzler | |
war. Und er zeigefingerte weiter: „Es ist die Freiheit, die alle unsere | |
Freiheiten untermauert.“ Sie sei das deutlichste Zeichen dafür, dass | |
niemand über Kritik erhaben sei. | |
Außer Osborne selbst. Das geschniegelte Babyface mit der Stirnlocke musste | |
mit seinem Chef, Premierminister David Cameron, den Hut nehmen, nachdem | |
ihnen das Stimmvieh im Juni 2016 den Brexit reingewürgt hatte. Sorgen um | |
die Zukunft des noch jungen Politikers musste sich niemand machen, | |
schließlich war er anpassungsfähig wie ein Hinterbänkler, der ein | |
Regierungsamt wittert. | |
Osborne wurde Chefredakteuer des Evening Standard, ein 190 Jahre altes | |
Blatt, das inzwischen einem Russen gehört und kostenlos verteilt wird. Im | |
Nebenjob, der mit 650.000 Pfund im Jahr honoriert wird, arbeitet Osborne | |
für die zwielichtigen Vermögensverwalter BlackRock, zu denen auch die Firma | |
Uber gehört. Diesen Interessenkonflikt möchte man den Lesern aber lieber | |
vorenthalten. | |
Als das Boulevardblatt neulich mal wieder einen lobhudelnden Artikel über | |
Uber druckte, wollten manche in der Leserbriefsektion der Onlineausgabe auf | |
Osbornes klebrige Finger im Uber-Geschäft hinweisen. Keiner der Kommentare | |
wurde veröffentlicht. Es stellte sich heraus, dass die Software automatisch | |
Leserbriefe ablehnt, die das Wort „Osborne“ enthalten, obwohl es auch | |
weniger anrüchige Träger dieses Namens gibt, wie das Osborne House auf der | |
Isle of Wight oder die Tapetenfirma vom Vater des glatten Exschatzkanzlers. | |
Man müsse den Namen falsch buchstabieren, wenn man den automatischen Zensor | |
überlisten wolle, schrieb das Satireblatt Private Eye, das inzwischen das | |
einzig ernst zu nehmende politische Blatt in Großbritannien ist, nachdem | |
selbst der Guardian sich einen Kummerkasten á la Bravo zugelegt hat („Liebe | |
Mariella, ich bin auf den minderjährigen Freund meiner Enkelin scharf, was | |
soll ich tun?“). | |
Neutrale Blätter wie die Neue Zürcher Zeitung gibt es in Großbritannien | |
nicht, sie verfolgen stets die Interessen ihrer Herausgeber. Deshalb sind | |
die Artikel so gähnend vorhersehbar. Bisweilen sorgt das Timing allerdings | |
für unterhaltsame Überraschungen – wie damals, als Lady Diana spät nachts | |
im Tunnel von Paris starb, aber die Sonntagszeitungen schon ausgeliefert | |
waren. „Läge ihr IQ nur vier Punkte niedriger, müsste man sie täglich | |
gießen“, hatte eine Journalistin geschrieben, die seitdem nur noch | |
Kochbücher rezensieren darf. | |
British Airways würde wohl am liebsten die November-Ausgabe ihres Magazins | |
Business Life einstampfen. Darin gibt es nämlich ein Interview mit Michael | |
Bonsor, dem Geschäftsführer des Londoner Luxus-Hotels Rosewood, in dem er | |
die Verschwiegenheit seines Personals und den privaten Innenhof lobt, | |
weshalb das Hotel bei Hollywood-Größen wie Harvey Weinstein so beliebt sei. | |
27 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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