# taz.de -- Die Wahrheit: Ritt auf dem Zugluftwels | |
> Wenn es zieht wie die berühmte Hechtsuppe, dann hilft nur eins – oder | |
> auch mehr: Es gibt so viele knuffige Zugluftunterbindungstiere. | |
Bild: Einer der letzten seiner Art: ein spielbereiter Sandkasten | |
Der Winter naht. In der Wohnung zieht’s. Abhilfe schafft ein | |
Zugluftstopper. Oder besser: ein Zugluftunterbindungstier. Das sind diese | |
plüschenen Würste mit Hundekopf, die man an zugigen Stellen platziert, auf | |
dass sie unser Heim vor hechtsuppengleichen Ausläufern globaler | |
Windzirkulation schützen mögen. Allein: Weil das Zugluftunterbindungstier | |
zuvörderst in seiner dackelhaften Ausführung beträchtliches Renommee | |
genießt, ist selbiges weithin bloß als „Zugluftdackel“ bekannt – ein | |
Missstand, gegen den noch viel zu wenig ins Feld gezogen wird. | |
Denn es wandeln noch weitaus mehr und wesentlich formschönere Geschöpfe | |
dieser Art auf dem luftigen Rund, das unser aller Heimat ist, wenngleich | |
sich die kälter werdende Gesellschaft derzeit nicht entblödet, wegen ein | |
paar windiger Typen zu diskutieren, ob einzelne Erdflecken für den einen | |
heimatlicher als für den anderen sind. | |
Glückreich, wer sich von einer solchen Gesellschaft und ihrem Klima | |
abzuschotten weiß. Mithilfe saugeiler Zugluftelche etwa. Betörend, obzwar | |
nicht röhrend, thronen gleich zwei geweihte Zugluftelche à 80 Zentimeter | |
auf dem Fenstersims, spenden nebst Wärme Trost und gewähren eisigen Strömen | |
keinen Fußbreit. | |
Führt man einen Test durch, schneidet auch ganz hervorragend der | |
Zugluftwels ab. Beim Kauf achte man auf die Länge, die ideal ein Meter zehn | |
beträgt, sowie auf das Prädikat „lebensecht bemalt“. So täuschend | |
wahrhaftig sieht der vor der Zimmertür ruhende Flossenträger aus, dass | |
tierfreundliche Fremde, sobald sie erstmalig hereintreten, direktemang nach | |
dem Ein-Meter-zehn-Getüm greifen und es in die Badewanne befördern, in der | |
Hoffnung, dass des Wasserhahns entrissenes Nass seinen Hinschied | |
verhindere. Gewaltig die Erleichterung, gewaltiger das Amüsement, ist der | |
Irrtum dann begriffen. | |
Doch nicht nur in seiner Primärfunktion sorgt ein dergestaltiges Tier für | |
Fun. Großes Behagen bereitet es, einen Wels solchen Kalibers mit in die | |
Stammspelunke zu schleppen, den Kellner oder die Kellnerin die Maße des | |
Prachtexemplars schätzen zu lassen und das Ganze mit einer Wette zu | |
verbinden: Eine Runde Birnenschnaps geht aufs Haus, sofern die Bedienung | |
danebenliegt. | |
Wird richtig geraten, was anzunehmen ist, weil man das Vieh ja bereits vor | |
zwei Wochen dabeihatte und schon damals „Ein Meter zehn!“ mehrfach prahlend | |
durchs Lokal rief, bleibt nur noch die Doppelt-oder-nichts-Frage: „Aber was | |
glauben Sie: Ist der inkriminierte Wels denn auch lebensecht bemalt?“ | |
Ja, antwortet der findige Barkeeper, weshalb man schließlich zwei Runden | |
harten Alkohols im eigenen Korpus versenken und sich dann wohl erst einmal | |
ein Weilchen hinlegen muss. Was kein Problem darstellt, hat man doch einen | |
fluffigen, auch zum Kopfkissen taugenden, einen Meter zehn langen, | |
lebensecht bemalten Wels im Schlepptau. | |
Und warm ist’s in der Kneipe auch. | |
23 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Cornelius Oettle | |
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