| # taz.de -- Die Wahrheit: 100 Kilo Schwabengold | |
| > Der Diebstahl der Berliner Goldmünze ist aufgeklärt. Die mutmaßlichen | |
| > Täter sind gefasst. Jetzt gibt es auch Hinweise auf die ominösen | |
| > Hintermänner. | |
| Bild: Schutz vor dem Blitzlichtgewitter: Einer der vier Angeklagten beim Prozes… | |
| Es fällt mir etwas spät ein, aber eventuell habe ich Anhaltspunkte, die für | |
| die Ermittlungen der Berliner Polizei im Fall der aus dem Bode-Museum | |
| verschwundenen 100-Kilo-Goldmünze hilfreich sind. Kürzlich wurden einige | |
| Verdächtige festgenommen, die mir jedoch nur Mittelsmänner zu sein | |
| scheinen, den mutmaßlichen Drahtzieher kennt die Polizei noch nicht. Noch! | |
| Denn ich kann hier sachdienliche Hinweise auf die Hintergründe des Coups | |
| liefern. | |
| Als ich Ende März für ein paar Wochen in der Hauptstadt arbeitete, besuchte | |
| mich mein frisch verrenteter Vater aus Stuttgart. Unsere Lebensstile, die | |
| eines Studenten und eines Pensionärs, hatten einander zu ähneln begonnen, | |
| freilich mit dem Unterschied, dass ich zur Existenzerhaltung schreiben | |
| muss, während der Staat ihm das Geld auch so zuschießt. | |
| Um Sympathiepunkte bei den Einheimischen zu sammeln, schwäbelten wir | |
| absichtlich so sehr, wie es uns in der Heimat nie in den Sinn gekommen | |
| wäre. Aus bloßer Freude an der Provokation ersannen wir Schwabizismen und | |
| bestellten etwa zwei „Cappuccinole“ – ein Wort, das Sie hoffentlich selbst | |
| im tiefsten Schwarzwald niemals vernehmen werden. | |
| Schließlich verschlug es uns auf die Museumsinsel, zunächst in die Alte | |
| Nationalgalerie. Mein Altvorderer gewann dort die Hochachtung der uns | |
| Umstehenden, als er sich der Reihe „Pferdelehren“ von Adolph Menzel mit der | |
| Äußerung „Des isch ganz klar ein Kalb!“ näherte und beim Lesen der | |
| Unterrichtungstafel verlautbarte: „Pferdelehren? Wahrscheinlich falsch | |
| beschriftet!“ | |
| Dies trug sich wenige Tage vor dem sensationellen Diebstahl der Münze zu, | |
| die wir also noch zu sehen bekamen. Mein alter Herr unterbrach einen | |
| palavernden Museumsführer, der einer Gruppe Ahnungsloser nicht ohne Stolz | |
| erklärte, es handle sich bei besagtem Riesengeldstück um die größte | |
| Goldmünze der Welt. „Falsch!“, rief mein Vater, woraufhin sein verwundertes | |
| Gegenüber „Ähm, doch!“ erwiderte und der Dialog „Nein!“ – „Dohoch… | |
| „Neihein!“ folgte. | |
| Mir wurde die Sache unangenehm, stufte ich doch wie jeder im Raum die | |
| Kompetenz des Angestellten eines Unesco-Weltkulturerbes höher ein als die | |
| eines dahergelaufenen Touristen aus Stuttgart. Eine findige Besucherin bot | |
| ob des albernen Hin und Her an, zur Beantwortung der Frage Gebrauch von | |
| ihrem Taschentelefon zu machen. | |
| „Der Mann hat recht“, konstatierte die Dame zur allgemeinen Verwunderung: | |
| „Die größte wiegt eine Tonne, heißt ‚Red Kangaroo‘ und steht in | |
| Australien.“ Womöglich war dieser Vorfall dem vermeintlichen Kenner so | |
| peinlich, dass er die stete Erinnerung an seine Schmach entfernen ließ. | |
| Den Museumsmann mitleidig belächelnd zogen mein Vater und ich von dannen, | |
| wohl wissend, abermals mit unserer im Südwesten kulturvollen | |
| Hilfsbereitschaft ein Essential zum Lebensglück der Berliner beigetragen zu | |
| haben. Welches Problem man in dieser Stadt mit uns Schwaben hat, ist mir | |
| allerdings völlig unklar. | |
| 18 Jul 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Cornelius Oettle | |
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