| # taz.de -- Die Wahrheit: Festivalbeschwerden | |
| > Wenn man sich offen für Verwahrlosung und geringe hygienische Standards | |
| > zeigt, kann man die anbrechende Festivalsaison lustvoll genießen. | |
| Jetzt, da allerorten im Sommer wieder Festivals stattfinden, muss ich | |
| bekennen: Lange Zeit war ich allergisch gegen das Zelten, litt an | |
| „Zeltulitis“ und fühlte mich folglich auf solchen Veranstaltungen eher | |
| unwohl. Dann kam es zu einem folgenschweren Ausflug, durch den ich | |
| schließlich geheilt wurde. | |
| Eines Sommerabends besuchte ich die Wohngemeinschaft einiger Freunde, die | |
| am Folgemorgen gen Chiemsee aufbrechen wollten, um dem dortigen Festival | |
| beizuwohnen. Auf die Frage „Warum kommst du eigentlich nicht mit?“ konnte | |
| ich nicht schnell genug antworten. | |
| Vor dem Einlass zog uns ein Streifenwagen aus dem Verkehr und es | |
| entwickelte sich ein handelsüblicher Dialog mit den Ordnungshütern: „Haben | |
| Sie Drogen dabei?“ – „Brauchen Sie welche?“ – „Alles klar, alle aus… | |
| bitte.“ Zwei Polizisten durchpflügten ungebeten unsere Schlafsäcke, während | |
| wir am Wegesrand standen und die Hosentaschen leeren mussten. | |
| „Sie sagten, Sie rauchen nicht. Wozu dann das Feuerzeug?“ – „Für den | |
| Gasgrill.“ – „Gasgrills sind auf dem Gelände verboten.“ – „Sagte i… | |
| ‚Gasgrill‘? Ich meinte ‚Brennpaste‘.“ – „Ach so, na dann!“ | |
| Am ersten Tag verpasste ich die Auftritte sämtlicher Bands, weil eine | |
| hübsche Psychologiestudentin aus Regensburg mich einfach nicht aus ihrem | |
| Zelt lassen wollte. Am zweiten Tag machten wir die Bekanntschaft unserer | |
| Campingnachbarin, die wir liebevoll als „Exorzistenfrau“ titulierten, weil | |
| sie es nicht nur vorzog, direkt am eigenen Wigwam zu miktionieren, sondern | |
| auch nachts regelmäßig ihren Kopf samt den völlig verfranzten Haaren durch | |
| den Reißverschluss streckte und sich ausgiebig übergab – wie einst das | |
| besessene Mädchen aus dem bekannten Horrorfilm. | |
| Am dritten Tag brach der Wahnsinn sich endgültig Bahn. Aus seltsamem Grund | |
| hatten wir eine potthässliche Porzellankatze auf den Zeltplatz | |
| geschmuggelt, die wahrscheinlich auch verboten war. Am nahe gelegenen Fluss | |
| taufte ich gut fünfzig fremde, aber konvertierungswillige Menschen, indem | |
| ich Wasser aus dem porzellanenen Katzenleib auf deren Häupter sprudeln | |
| ließ. Seither gelte ich als Papst des Katzolizismus. Die Bekehrten hörten | |
| fortan auf Namen wie „Katz Stevens“ oder „Katze Schröder“. Letzterer | |
| kündigte an, seinen Personalausweis entsprechend aktualisieren zu lassen. | |
| Selbstredend schlürfte man später noch Bier aus dem multifunktionalen Tier. | |
| In den vierten Tag starteten wir mit einem großen Topf Radlersuppe aus Bier | |
| und Wasser. Einem Fan der „Steaming Satellites“ vermasselte ich ein | |
| bereits vereinbartes Meet & Greet mit dem Frontmann, weil ich mich bei | |
| selbigem erkundigte, ob er zur Abwechslung nicht auch mal was von AC/DC | |
| spielen könnte. Der Sänger verdimensionierte sich empört. | |
| Am fünften Tag reisten wir ab. Langsam gewöhnte ich meinen Körper wieder an | |
| echte Nahrung und falsche Getränke, sprich alkoholfreie. Ach ja, falls Sie | |
| jetzt auch konvertieren möchten: In diesem Jahr werde ich wohl wieder an | |
| genannter Stelle taufen. | |
| 21 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Cornelius Oettle | |
| ## TAGS | |
| Katzen | |
| Konzert | |
| Camping | |
| Kolumne Die Wahrheit | |
| Goldmünze | |
| Gemüse | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Wahrheit: Nackt ums Feuer | |
| Neues aus Neuseeland: Während Deutschland bibbert, feiern die Menschen in | |
| Hunterville das Kiwiburn-Festival. | |
| Die Wahrheit: 100 Kilo Schwabengold | |
| Der Diebstahl der Berliner Goldmünze ist aufgeklärt. Die mutmaßlichen Täter | |
| sind gefasst. Jetzt gibt es auch Hinweise auf die ominösen Hintermänner. | |
| Die Wahrheit: Brokkoli, mon amour | |
| Wenn ein Gemüse eine hymnische Würdigung verdient hat, dann ist es das | |
| knubblige grüne Wunderwerk der Natur. | |
| Die Wahrheit: Das Fake-Buch | |
| Ein Wettbewerb auf der Leipziger Buchmesse. Der Preis: 10.000 Euro für ein | |
| unveröffentlichtes Manuskript. Existiert der Text überhaupt? |