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# taz.de -- Die Wahrheit: Kabarettistische Qualauer
> Kabarettbühnenintendanten haben es nicht leicht, sondern schwer: Sie
> müssen die Wortspielhöllen diverser Kleinkünstler aushalten.
Bild: Einer der letzten seiner Art: ein spielbereiter Sandkasten
Es gibt Tausende Berufe, die man nicht haben möchte, weil ihre Ausübung das
Ablegen sämtlicher moralischer Überzeugungen erfordert. Während man
beispielsweise als Auftragskiller ein vergleichsweise guter Christ sein
kann, ist es als Chefredakteur eines Springer-Blatts nicht mehr möglich,
integer zu bleiben. Licht sei an dieser Stelle jedoch auf eine Arbeit
geworfen, deren mit ihr einhergehende ethische Dilemmata weniger bekannt
sind: die des Kabarettbühnenintendanten.
Täglich mit Comedians und Humoristen zu schaffen zu haben, stellen sich
nicht wenige fälschlicherweise als eine überaus lustige Tätigkeit vor. Sie
übersehen, dass der Leiter einer Kleinkunsteinrichtung ja nicht nur seine
drei, vier Lieblingskünstler zu beäugen hat, sondern alle. Wohl oder übel
muss er dann Programme mit Titeln wie „Eine Laune der Kultur“ oder „God
save the Spleen!“ in seinen Spielplan aufnehmen, sofern sein Haus nicht
leer stehen soll. Allerdings weiß er dann auch, welche Qualen diese in der
Folge etwa auf innerstädtischen Plakaten zu lesenden Kalauer bei Passanten
und anderen Unschuldigen hervorrufen.
„Lernbelästigung“ nennt eine den zweiten Karriereweg gehende Komikerin ihr
Programm, deren arme Pennäler als Publikum wohl nicht gut genug gewesen
sind, weshalb selbige zum Gegenstand der Witze ihrer nun in Etablissements
namens „Kom(m)ödchen“ auftretenden Lehrerin avancierten. Viele
„Wahnhinweise“ finden sich bei Menschen dieses Schlags, die ihre Fans gern
ins „Lachkoma“ fallen sähen, wenn sie denn welche hätten.
Auch das Musikkabarett bietet wenig Erbauliches, wartet es doch mit „Ein
Lied kann eine Krücke sein“ auf. Andere wollen nicht stützen, sondern
zerstören, zum Beispiel den Ruf des verstorbenen Rio Reiser, der „Lacht
kaputt, was euch kaputt macht!“ genannte Darbietungen zum Glück nicht mehr
erleben muss.
Immerhin: Auch der eigene Name ist Kabarettisten nicht heilig. Auf welchen
Vornamen der Mann hinter „Lars but not least“ hört, sei zu seinem Schutze
hier verschwiegen. Besonders wenig Einfühlungsvermögen zeigt auch ein
Fatih, der sein Programm „Emfatih!“ getauft hat. Wobei die Hoffnung auf
Besserung in diesem speziellen Fall nach „Fatihland“ und „Fatih Morgana“
sowieso gering war – ziemlich ermüdend, um nicht zu sagen, fatihgierend.
Doch es wird noch schlimmer. Wo „Der Abendgang des Unterlands“ nicht weit
ist, flüchtet sich der Sinnenmensch in geile Gastspiele wie „SEXundSECHZIG“
oder „#geschicktzerfickt“. Da kriegt man Lust, nicht wahr? Lust, ins
Kabarett zu gehen! Worauf warten Sie noch? „Aus der Hüfte, fertig, los!“
Und wenn Sie dann dort sind: Begegnen Sie dem Intendanten mit Verständnis,
trösten und beruhigen Sie ihn, dass er seiner fragwürdigen Tätigkeit zum
Trotz keine karmischen Folgen, kein jenseitiges Purgatorium zu fürchten
braucht, hat er die Wortspielhölle doch bereits hier auf Erden.
14 Nov 2017
## AUTOREN
Cornelius Oettle
## TAGS
Kabarett
Spielplatz
Winter
Goldmünze
Gemüse
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