| # taz.de -- Die Wahrheit: In Zürcher Zügen | |
| > In der Schweiz ist bekanntlich alles wie früher, nämlich besser: | |
| > Schokolade, Käse, Gehälter. | |
| Bild: Viel verleihen kann Marietta Kneip bald nicht mehr, die Wohnung der Famil… | |
| Wer sich keinen winterlichen Aufenthalt in der Schweiz leisten kann (ein | |
| Viertele Glühwein kostet sechs helvetische Franken, macht 5 Euro 15), der | |
| vermag zumindest eine Zugfahrt ins neutrale Land zu erschwingen. Die ist | |
| ohnehin das Beste am Schweizurlaub und vergleichsweise günstig (Berlin nach | |
| Zürich ab etwa sieben Glühwein). Die anderen Deutschen im Waggon erkennen | |
| Sie übrigens daran, dass diese kurz nach der Grenzüberquerung plötzlich mit | |
| Ihnen schnacken wollen. Ohne Internetzugang ist auch das modernste | |
| Smartphone eben nur ein Handy. | |
| In der Schweiz ist bekanntlich alles wie früher, nämlich besser: | |
| Schokolade, Käse, Gehälter. Und das gilt auch fürs Personal. „Wer will | |
| freundliche Schaffner seh’n? Der muss zu den Schweizern geh’n“, heißt es… | |
| Kinderlied. Nach obligatorischem „Grüezi mitenand!“, lobt der leutselige | |
| Billeteur den ticketbesitzenden, sich schon bald wie ein Toptalent der | |
| Schienenverkehrsnutzung fühlenden Gast mit „Super! Spitze! Merci!“ Als | |
| hätte der gen Zürich Reisende seine Hausaufgaben ganz besonders elegant | |
| gelöst – und wäre es nicht schlicht die von ihm zuvor akzeptierte | |
| Beförderungsbedingung, für eine Fahrt auch den entsprechenden Fahrschein | |
| vorzuweisen. | |
| Doch es kann noch besser kommen, und das in Gestalt einer kleinen, | |
| freundlichen Frau großmütterlichen Erscheinungsbilds, die stricken und | |
| Katzen füttern sollte, hier aber weder strickt noch Katzen füttert, sondern | |
| statistische Erhebungen durchführt. „Wieso reisen Sie in die Schweiz? Wie | |
| lange bleiben Sie? Was Sie dann dort machen, ist uns egal, hihi!“ Darauf | |
| ist freilich zu antworten, denn die Dame ist alt, und wer alt ist, der | |
| weiß, wie man sich Gehör verschafft. | |
| Und deshalb geht es weiter: „Haben Sie schon mal in einem Fernverkehrszug | |
| mit dem Handy telefoniert?“ Folgefragen witternd, lügen die meisten und | |
| sagen: „Nein!“ Man sollte der Fragenden aber die Freude bescheren und mit | |
| „Jawohl!“ antworten. „Und wie lange telefonieren Sie? Ein oder zwei | |
| Minuten? Drei bis fünf?“ Pah! An dieser Stelle geht man dann in die Vollen | |
| – 15, ach was, 30 Minuten! Das Omiherz soll schließlich glühen. | |
| Und deshalb geht es weiter: „Gibt es Gründe, die Sie am Telefonieren | |
| hindern? Reißt die Verbindung ab, wollen Sie die anderen Gäste nicht | |
| stören?“ Gut, klar, stören will man natürlich niemanden, so ehrlich muss | |
| man dann schon sein. „Würden Sie denn, gäbe es diese Gründe nicht, länger | |
| telefonieren?“ Ja sicher, Gnädigste, die ganze Fahrt lang würd ich’s tun! | |
| Nur Ihnen zuliebe! Glücklich zieht die Statistikerhebende dankend ihres | |
| Weges, während man selbst gewahrt, den Ausstieg verpasst zu haben. | |
| Draußen wird das Schild „Zürich HB“ kleiner und kleiner. Wenig später wi… | |
| einen der nachfolgende, leider weniger nette, also wahrscheinlich deutsche | |
| Schaffner, hinaus. Das erste Mal Schwarzfahren kostet in der Schweiz | |
| umgerechnet 15 helvetische Glühweine. Es lohnt sich. | |
| 9 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Cornelius Oettle | |
| ## TAGS | |
| Schweiß | |
| Fahren ohne Fahrschein | |
| Reiseland Schweiz | |
| Adultainment | |
| Insekten | |
| Karneval | |
| Sharing Economy | |
| Spielplatz | |
| Winter | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Wahrheit: Flach. Cool. Bekifft | |
| Wenn Philly Blunts dich so niederstrecken, dass du dich vor der Polizei | |
| hinlegst: eine Story von Leuten, die eigentlich zu alt für den Shit sind. | |
| Die Wahrheit: Teufel Schmetterling | |
| Zur Zeit flirrt und flattert es allüberall. Doch verdrießen nicht Wespen, | |
| Wanzen oder Mücken, nein! Es sind diese angeblich hübsch anzuschauenden | |
| Falter. | |
| Die Wahrheit: Mainz bleibt Köln, wie es stinkt und … | |
| Wer sich als Kölner im Mainzer Karneval ausgibt, der merkt schnell: Egal, | |
| wohin du gehst, es kommt darauf an, wo du herkommst! | |
| Die Wahrheit: Mieder zu vermieten | |
| Der allerneueste Trend heißt Sharing Economy. Eine Reportage aus dem | |
| Inneren des Verleihwesens. | |
| Die Wahrheit: Haallloooo, Kiiinder! | |
| Vor Weihnachten müssen Kinder sich unbedingt Theateraufführungen ansehen, | |
| um zu leiden unter dem Schrott, der auf den Bühnen gegeben wird. | |
| Die Wahrheit: Der Untergang des Förmchens | |
| Es ist amtlich: Wegen des weltweiten Sandmangels verschwinden in | |
| Deutschland die Sandkästen. Eltern müssen sich auf Gejammer einstellen. | |
| Die Wahrheit: Ritt auf dem Zugluftwels | |
| Wenn es zieht wie die berühmte Hechtsuppe, dann hilft nur eins – oder auch | |
| mehr: Es gibt so viele knuffige Zugluftunterbindungstiere. |