# taz.de -- Schaubühne sagt Gastspiel in Istanbul ab: Dilemma im Kulturaustaus… | |
> Die Schaubühne Berlin sollte beim 21. Istanbuler Theaterfestival „Richard | |
> III.“ spielen. Wegen Sorge um ihre Mitarbeiter sagt sie aber ab. | |
Bild: Zu viele Verhaftungen in der Türkei, die Schaubühne bleibt in Berlin | |
Vor einem Jahr hatte am Berliner Maxim Gorki Theater [1][Yael Ronens Stück | |
„Denial“ über Verleugnungen und Lebenslügen im privaten und politischen | |
Kontext Premiere]. In einer sehr komischen Szene streiten sich eine Mutter | |
in Istanbul und ihre Tochter aus Berlin über einen geplanten Besuch in | |
Istanbul. Die Tochter fragt nach Verhaftungen, Bedrohungen, Angst und malt | |
ein gruseliges Bild einer Stadt, in der das öffentliche Leben erstirbt. Die | |
Mutter wehrt empört ab und sieht das alles als völlig übertrieben. Und | |
redet dabei doch so, als müsse sie vor allem sich selbst überzeugen. | |
Was da als Komödie geboten wurde, wiederholt sich jetzt in der Realität. | |
Die Schaubühne aus Berlin sagte ein Gastspiel von „Richard III.“, das beim | |
21. Istanbuler Theaterfestival gezeigt werden sollte, kurzfristig ab. Sie | |
begründet die Absage mit der Sorge um ihre Mitarbeiter und verweist auf die | |
„Verhaftungen vieler Journalisten, Wissenschaftler und Menschenrechtler in | |
den letzten Wochen und Monaten“, für die die Gründe oft nicht erkennbar | |
waren. | |
Ob das eine übertriebene Sorge ist, ist nicht einfach zu beurteilen. In der | |
Schaubühne wurde über die Reise zum Festival, auf dem man schon viele | |
Gastspiele gegeben hat, seit Sommer diskutiert. Vor zwei Jahren, als sie | |
auf dem Festival [2][den „Volksfeind“ von Ibsen] zeigten, wurden in einer | |
Szene, in der sich das Publikum an einer politischen Diskussion beteiligen | |
kann, viele Erdoğan-kritische Stimmen laut. | |
Das brachte ihnen später den Vorwurf ein, ein „dirty german game“ zu | |
spielen und das Publikum politisch aufzuhetzen. Daran dachten jetzt viele | |
wieder. Zuletzt gab, so sagt Thomas Ostermeier, die Verhaftung des | |
Kulturmäzens Osman Kavala, Leiter der Kulturstiftung Anadolu Kültür, den | |
Ausschlag, dass sich das Ensemble gegen die Reise entschloss. | |
Die Verunsicherung des Ensembles ist zu verstehen. Trotzdem zeigt die | |
Absage der Schaubühne ein großes Dilemma an. Für die Kulturszene in | |
Istanbul ist sie ein fatales Signal, gerade jetzt ist es wichtig, die | |
Verbindung aufrechtzuerhalten. Frank Heuel, Regisseur beim fringe ensemble | |
Bonn, arbeitet in Istanbul mit kurdischen Theatermachern zusammen und fährt | |
demnächst wieder zu Proben dorthin. In Bonn hatte er gerade Theaterleute | |
aus Istanbul zu Gast, die sich von der Nachricht der Absage der Schaubühne | |
vor den Kopf gestoßen fühlten, das „erzeugt Gänsehaut“. | |
8 Nov 2017 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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