# taz.de -- UN-Konferenz zu Kinderarbeit: Tagung ohne Betroffene | |
> Weltweit müssen 152 Millionen Minderjährige schuften. Die UNO will | |
> Abhilfe schaffen. An ihrem Treffen in Argentinien nehmen keine Kinder | |
> teil. | |
Bild: Minderjähriger Arbeiter auf einer Werft in Dhaka, Bangladesch | |
BUENOS AIRES taz | Die weltweite Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen | |
soll so bald wie möglich ein Ende haben. Am Dienstag beginnt in Buenos | |
Aires die „Vierte Konferenz über die nachhaltige Ausmerzung der | |
Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO“. „Die Kinder | |
haben ein Recht darauf, in der Schule zu sein, zu spielen und in einem | |
geschützten Umfeld aufzuwachsen“, gab Argentiniens Arbeitsminister Jorge | |
Triaca die Richtung vor. | |
Den Hintergrund der dreitägigen Konferenz bildet die Agenda 2030 für eine | |
nachhaltige Entwicklung, mit der sich die UNO auf 17 Entwicklungsziele | |
verpflichtet hat. Nach Angaben der Generalversammlung der UNO vom September | |
2017 sind weltweit 152 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 5 | |
und 17 Jahren von Kinderarbeit betroffen. 25 Millionen Menschen werden zu | |
Zwangsarbeit verpflichtet, darunter sind 5,7 Millionen Kinder und | |
Jugendliche. | |
Unter der Zielvorgabe 8.7 wird gefordert, „sofortige und wirksame Maßnahmen | |
zu ergreifen, um Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und | |
Menschenhandel zu beenden und das Verbot und die Beseitigung der | |
schlimmsten Formen der Kinderarbeit, einschließlich der Einziehung und des | |
Einsatzes von Kindersoldaten, sicherzustellen und bis 2025 jeder Form von | |
Kinderarbeit ein Ende zu setzen“. | |
Im September 2016 hatte die ILO die sogenannte „Allianz 8.7“ ausgerufen, in | |
der Regierungschefs, Gewerkschaften und Unternehmerverbände über konkrete | |
Maßnahmen beraten sollen. Die Konferenz in Buenos Aires werde dazu ein | |
wichtiger Schritt sein, so ILO-Direktor Guy Ryder. Erwartet werden rund | |
1.500 TeilnehmerInnen aus den 187 Mitgliedstaaten. Die Vorgängerkonferenz | |
war allerdings enttäuschend; sie endete 2013 in der brasilianischen | |
Hauptstadt Brasília lediglich mit Appellen und dem Versprechen zusätzlicher | |
Anstrengungen.„ILO und UNO haben eine sehr diplomatische Sprachregelung“, | |
kritisiert Julio Gambino von der alternativen Gewerkschaft Central de | |
Trabajadores de la Argentina. Eine der wesentlichen Ursachen für | |
Kinderarbeit sei die Straflosigkeit der Unternehmer, so Gambino. „Die | |
wissen, dass unter ihren Beschäftigten Kinder und Jugendliche sind.“ | |
Das beste Beispiel dafür seien Inspektionen durch Behörden, bei denen die | |
Kinder und Jugendlichen kurzzeitig verschwinden müssten. So entstehe eine | |
Komplizenschaft zwischen Unternehmerschaft und Staat, zu der sich ein | |
Großteil der Gewerkschaften geselle. | |
Dazu passt es ins Bild, dass die Betroffenen wie schon auf den drei | |
Vorgängerkonferenzen als schmückendes Beiwerk, nicht aber als aktive | |
Teilnehmer und Teilnehmerinnen zugelassen sind. Kinder und Jugendliche | |
werden mit ihren Organisationen auch diesmal wieder nicht vertreten sein. | |
Die Vorgabe, die Kinderarbeit bis zum Jahr 2025 abzuschaffen, sei absurd | |
und werde als soziales Kontrollinstrument für Kinder und Jugendliche gerade | |
aus den unteren Schichten benutzt, meint Santiago Morales. Der Soziologe | |
arbeitet in einer Basisorganisation mit Kindern aus den Armenvierteln. | |
„Wenn ein 15-Jähriger seinen Eltern zwei Stunden pro Woche auf einen Markt | |
hilft, gilt dies als Kinderarbeit und ist nach den Vorgaben der ILO | |
verboten. Kinderarbeit wird so auf etwas Negatives reduziert, das keinen | |
Raum für ein von den Kindern und Jugendlichen selbstbestimmtes Handeln | |
zulässt“, kritisiert Morales. Für den Abschlusstag der Konferenz hat die | |
Lateinamerikanische Bewegung arbeitender Kinder und Jugendlicher zu einer | |
Protestaktion aufgerufen. | |
13 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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