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# taz.de -- Kolumne Nachbarn: Was machst du gerade?
> Auf der Suche nach Lebenszeichen meiner Freunde in Damaskus, fragt
> Facebook, was ich so treibe. Ich erzähle ihm von Damaskus.
Bild: Ein Autowrack in Damaskus
Dem Mitbewohner oder besser dem neugierigen Nachbarn gab ich die
Gelegenheit, [1][in mein Privatleben einzudringen,] nachdem ich ihm das
Passwort dazu gegeben hatte. Er fragte mich: „Was machst du gerade?“
Es ist, mein lieber Freund, schon 22.40 Uhr Mitteleuropäischer Zeit. Denkst
du, jetzt sei die passende Zeit, dir nach einem langen Arbeitstag zu
erzählen, was ich gerade treibe? Ich habe jetzt keine Lust zu reden. Ich
durchforste deine Seiten mit einem einzigen Ziel: Ich suche auf Facebook
[2][nach Lebenszeichen von Freunden], die noch in Damaskus leben. Dabei
suche ich lieber hier, um die Freunde mit meinem Schmarotzerverhalten nicht
auch noch zu belästigen.
## Ich denke an die Krähe
Inzwischen sind schon zwanzig Minuten vergangen, doch noch immer sticht mir
deine Frage ins Auge: Was machst du gerade? Na gut! Glaubst du mir, dass
ich an die Krähe von heute Morgen an der Spree denke, die ziemlich tief auf
der Höhe meines Fahrrads neben mir herflog? Es schien, als flöge sie auf
meinem Weg zur Arbeit mit mir um die Wette.
Aber nicht nur das. Ich denke nämlich auch an den schwarzen Hund, der sich
von der Leine in der Hand seines Herrchens löste und hinter der Krähe
herrannte. Die Krähe flog weiter neben mir her, und der Hund wollte
womöglich nur spielen. Die Krähe verstand das und flatterte weiter im
Tiefflug dicht vor dem Hund am Wasser entlang.
Als der Hund mich einholte und auf einer Höhe mit mir rannte, flog die
Krähe vor uns beiden her. Ich musste kräftig in die Pedale treten, um mit
dem Hund Schritt zu halten, der inzwischen die Nase etwas vorn hatte. Als
der Hunde merkte, dass er zwar mich schlagen konnte, aber keine Chance
gegen die Krähe hatte, blieb er stehen, drehte um und tappte mit hängenden
Ohren und eingezogenem Schwanz zu seinem Herrchen zurück.
## Meine Erinnerung führt mich nach Damaskus
Ich weiß nicht, warum mich dieses Erlebnis meine Erinnerungen nach Damaskus
führte. Ich muss es auch gar nicht erklären. [3][Mich führt offensichtlich
alles nach Damaskus.] Und Damaskus führt mich stets zu meinen Freunden, die
trotz der schwierigen Lebensumstände im Krieg noch immer dort ausharren.
Einst sagte mir ein Freund: „Die altvertrauten Straßenhunde der
Altstadtgassen von Damaskus sind verschwunden. Die Hunde, die den Hunger
überlebten, wurden später von den Soldaten an den Sicherheitssperren
erschossen. Tagsüber beeinträchtigen die Sperren und die Soldaten den
Alltag der Bewohner, wenn sie von A nach B wollen, und nachts wird sogar
auf Hunde und Katzen geschossen.“
Daran dachte ich, Facebook, bevor ich meinen Rechner hochfuhr. Bist du
jetzt glücklich und ist deine Neugierde damit befriedigt?
Aus dem Arabischen von Mustafa Al-Slaiman
5 Nov 2017
## LINKS
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## AUTOREN
Kefah Ali Deeb
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Nachbarn
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