# taz.de -- Petition der Woche: Weg mit den NS-Juristen | |
> In den Rechtswissenschaften treiben führende NS-Theoretiker bis heute ihr | |
> Unwesen. Eine Initiative fordert „Palandt umbennen“. | |
Bild: Auch dieses schicke Gesetzbuch trägt den Namen eines NS-Juristen | |
BERLIN taz | Der „Palandt“ gehört zum Handwerkszeug eines Juristen wie der | |
Hammer zum Schmied. Der Gesetzeskommentar fehlt in keiner | |
rechtswissenschaftlichen Bibliothek, keiner Kanzlei und keinem Gericht. Im | |
zweiten juristischen Staatsexamen ist er das einzige zugelassene | |
Hilfsmittel zum Zivilrecht. Im „Palandt“ wird die Rechtsprechung zum | |
Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) seit 1938 in mittlerweile 77 Auflagen | |
zusammengefasst. | |
Doch das Buch hat ein Problem: Sein Namensgeber, Otto Palandt, war einer | |
der führenden Juristen der NS-Zeit. Dagegen hat sich die [1][Initiative | |
„Palandt umbenennen“] gegründet. | |
„Die einzelnen Gesetzesbestimmungen im gesamten Recht unter | |
Berücksichtigung der nationalsozialistischen Rechts- und Lebensauffassung | |
aufzeigen“ – das war Palandts Anliegen. Seit 1934 war er Präsident des | |
Reichsjustizprüfungsamts. Die Stelle wurde durch die Gleichschaltung der | |
Landesprüfungsämter geschaffen. Eine seiner ersten Maßnahmen war die | |
Entfernung von Frauen aus dem Justizdienst und den rechtswissenschaftlichen | |
Fakultäten, um die „Manneskraft“ im Rechtswesen zu sichern. Alles andere | |
sei ein „Einbruch in den altgeheiligten Grundsatz der Männlichkeit des | |
Staates“. | |
## Die Arisierung der Rechtswissenschaften | |
Den Grundstein für den Kommentar „Palandt“ legte der jüdische Jurist und | |
Verleger Otto Liebmann, der die „Kurzkommentare zum Bürgerlichen | |
Gesetzbuch“ herausbrachte. 1933 sah sich Liebmann gezwungen, seinen Verlag | |
an den Verlag C. H. Beck zu verkaufen, der mit der Reihe „Beck’sche | |
Kurzkommentare“ einen explizit arischen Kommentar auf den Markt brachte und | |
das BGB im nationalsozialistischen Sinne interpretieren wollte. Um einen | |
prominenten Namensgeber zu finden, wandte sich der Verlag an Otto Palandt. | |
So kam der NS-Jurist zu der Ehre, Namensgeber des „Palandt“ zu werden, ohne | |
selbst einen Paragrafen darin kommentiert zu haben. | |
Marc Greitens, Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Celle und einer der | |
Petenten, will zum einen die Umbenennung des Kommentars und zum anderen | |
„eine Diskussion in Gang setzen“. Denn der „Palandt“ ist innerhalb der | |
rechtswissenschaftlichen Literatur nicht allein. So trägt einer der | |
wichtigsten Grundgesetzkommentare, „Maunz/Dürig“, noch den Namen des | |
bedeutenden NS-Juristen Theodor Maunz. | |
Auch die Gesetzessammlung ist nach einem Juristen benannt, der im Bund | |
Nationalsozialistischer Deutscher Juristen aktiv war: der „Schönfelder“, | |
Heinrich sein Vorname. Die Nummerierung der Gesetze beginnt bei | |
Ordnungsnummer 20 mit dem BGB – die ersten 19 Ziffern bleiben bis heute | |
unbesetzt. Dort waren einst unter anderem die Nürnberger Rassegesetze | |
einsortiert. Beide genannten Standardwerke erscheinen ebenfalls bei C. H. | |
Beck. | |
Von der Antwort des Beck-Verlags auf ihre Initiative sind die Initiatoren | |
enttäuscht. Nach „Prüfung des Für und Wider kommen wir zu dem Schluss, die | |
Bezeichnung des traditionsreichen Kurz-Kommentars zum Bürgerlichen | |
Gesetzbuch unverändert zu belassen.“ Das Werk habe ein Eigenleben, das | |
losgelöst von der Person Otto Palandts zu betrachten sei. | |
Über 800 Menschen haben die Petition zur Umbenennung bisher unterschrieben, | |
darunter auch Professor_innen und Richter_innen von obersten | |
Bundesgerichten. | |
20 Oct 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://palandtumbenennen.de/ | |
## AUTOREN | |
Dominik Koos | |
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