# taz.de -- Freiheit der Sámen: Die Bedrohten im Norden | |
> Im Europapunkt tritt heute um 18 Uhr Nina Afanasjeva auf: Die 75-Jährige | |
> ist Chronistin und Kämpferin für die Rechte der Sámen auf der russischen | |
> Halbinsel Kola | |
Bild: Die Sámen haben eine Flagge von hypnotischer Eindringlichkeit | |
BREMEN taz | Nie kann ein Volk, das andere Völker unterdrückt, frei sein. | |
Das hat Lenin geschrieben. Und an diesem Grundsatz lässt sich der | |
Misserfolg der Oktoberrevolution spätestens ab der Machtübernahme Stalins | |
und dessen sprachenpolitischer Wende bestens abbuchstabieren. Dazu gibt es | |
heute im Europapunkt Gelegenheit. | |
Denn zu den am meisten unterdrückten Völkern Europas zählt die oft | |
verachtete Minderheit der Sámen. Ihr Siedlungsgebiet erstreckt sich über | |
vier Länder Nordeuropas: Zehn unterschiedliche sámische Sprachen gibt es, | |
die zur finnohugrischen Sprachfamilie gehören, und eine gemeinsame Flagge, | |
die aussieht, als habe Victor Vasarély sie entworfen: Ein Kreis, halb blau, | |
halb rot, auf rot-grün-gelb und blau gestreiftem Grund. Ein Teil der Sámen | |
lebt seit der Antike auf der Halbinsel Kola, die zu Russland gehört. | |
Mittlerweile zählt die Gemeinde nur noch etwa 2.000 Menschen. | |
Die Geschichte dieser Kola-Sámi von 1917 bis 2017 hat Máret Sárá aus | |
Norwegen gemeinsam mit Nina Afanasjeva aus Murmansk nachgezeichnet: Noch | |
ist das Buch nicht auf Deutsch erschienen. Aber dank der Bremer | |
Lappland-Initiative stellt Afanasjeva heute ihr Werk, ihre Sammlung | |
eindrucksvoller historischer Fotografien – und ihr politisches Anliegen – | |
vor. Die 75-Jährige ist nämlich Vorsitzende des Rates der Kola Sami (AKS), | |
und der kämpft für eine Anerkennung ihrer Rechte: Vorbild dafür wäre | |
Norwegen, wo seit 1988 die Verfassung den Schutz der Sprache, Kultur und | |
Sozialstruktur der Minderheit zur Staatsaufgabe macht. | |
Die bleibt bedroht: Nachdem unter der Sowjetherrschaft die systematische | |
Russifizierung unmittelbar gegen die Sprache und die Menschen gerichtet | |
waren, ist heute die Zerstörung der Natur in ihren Siedlungsgebieten das | |
Hauptproblem: So dient Kola mit 35 Nuklearanlagen Russland als eine Art | |
Atommüllhalde. Zugleich werden dort Platin, Phosphat, Nickel Granit, | |
Gneise, Marmore, Zement und Eisenerze abgebaut: „Umweltrechte“, erinnert | |
Maria Gmeiner von der Lappland-Ini, „sind Menschenrechte.“ | |
Lesung: 25. Oktober 2017, Europapunkt, 18 Uhr. Leider haben wir in der | |
gedruckten Ausgabe eine falsche Uhrzeit angegeben. Wir bitten das Versehen | |
zu entschuldigen, d. Red. | |
25 Oct 2017 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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