Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Österreich und die Burka: Mummenschanz und Haifischmann
> Seit dem 1. Oktober ist das Verhüllen in der Öffentlichkeit in Österreich
> verboten. Ein Geschäftsmann will die Strafen für die Frauen zahlen.
Bild: Der algerisch-französische Geschäftsmann Raschid Nekkaz (Mitte) bei ein…
Wien taz | High Noon am Wiener Minoritenplatz. Um Punkt 12 taucht am Montag
eine Gestalt mit Kürbismaske und einem Poster von Sebastian Kurz auf der
Brust vor dem Außenministerium auf. Mehrere Kamerateams und Reporter mit
Mikrophonen warten bereits auf diese Mischung aus Aktionskünstler,
Vogelscheuche und Faschingsnarr. Kopierte 100-Euro-Scheine auf dem
Kurz-Bild deuten an, dass es hier um Geld geht. Hinter der Maske verbirgt
sich Rachid Nekkaz, ein 45-jähriger algerisch-französischer Geschäftsmann,
der von Außenminister Kurz bestraft werden will.
Es handelt sich um keinen Sado-Maso-Auftritt. Nekkaz hat sich angeboten,
für alle Frauen, die in Österreich verschleiert gegen das Gesetz verstoßen,
die Strafe zu übernehmen. Seit dem 1. Oktober gilt in Österreich ein
Gesetz, das Verhüllung im öffentlichen Raum verbietet. Von der Burka bis
zur Clownsmaske und dem Atemschutz. Sebastian Kurz hat das durchgesetzt, um
dem Islamismus entgegenzutreten.
Nekkaz hat mit der rechten Hand ein Handy auf sich gerichtet, um die
Ereignisse live zu streamen. Er beginnt auf Französisch, sein Anliegen
vorzutragen. Um die individuelle Freiheit gehe es ihm. Auf Drängen der
Journalisten setzt er in holprigem Englisch fort: „I am very happy to be in
Vienna to show that there are civil rights“.
300.000 Euro habe er in anderen Ländern bereits bezahlt, hat er vorher
einer Boulevardzeitung zu Protokoll gegeben: „Zwei, drei vier Millionen
sind aber für mich auch kein Problem“. Frauen, die an französischen
Stränden mit Burkinis aufgegriffen wurden und Verschleierte in Belgien
haben von den Spendierhosen des Philanthropen profitiert. Das Gesetz wolle
er respektieren – und zahlen. Für Verschleierte in Banken, Schulen,
Einkaufszentren wolle er sich aber nicht einsetzen: „Da bin ich aus
Sicherheitsgründen für ein Verbot“. Aber auf der Straße dürfe man „einer
Frau die Kleidung ihrer Wahl nicht verbieten“.
## Bei Kälte ist ein Schal erlaubt. Aber wann beginnt Kälte?
Österreichs Polizei zeigt sich von dem neuen Gesetz überfordert.
Journalistinnen von Tageszeitungen, die im Niqab die Probe aufs Exempel
machen wollten, entkamen ohne Bussgeld, ernteten aber böse Blicke und
Beschimpfungen von Passanten. Laut Polizei gibt es bisher eine Handvoll
Anzeigen. Aber nicht Burkas und Niqabs sind es, die den Polizisten Probleme
bereiten. Drei Musiker, die täglich vor dem Museumsviertel aufspielen,
wurden verwarnt. Solange sie spielen, dürfen sie maskiert bleiben –
„künstlerische Darbietung“. Sie dürfen sich aber nicht „als Pferde“ v…
ihrem Platz entfernen.
Schlagzeilen machte ein Student im Haifischkostum, der für einen neuen
McShark-Store warb. Nach einer Anzeige von Passanten musste die Polizei
einschreiten und erzwang die Abnahme der Maske. Strafe muss er
wahrscheinlich nicht zahlen, wenn er nachweisen kann, dass er im Auftrag
eines Arbeitgebers aufgetreten ist. Unterschiedlich verfuhren Polizisten
mit Radfahrern, die ihre Mundpartie gegen den kalten Wind mit einem Schal
verhüllten. Bei Kälte ist das laut Gesetz erlaubt. Aber wann Kälte beginnt,
hat der Gesetzgeber zu definieren versäumt.
Manfred Reinthaler von der Polizeidirektion Wien spricht von „gewissen
unklaren Situationen, Graubereichen, die noch einer Auslegung bedürfen“.
Die Wiener Polizei macht sich jetzt daran, „mögliche Sachverhalte“ anhand
bisher aufgetauchter Vorfälle aufzulisten, um sie rechtlich einzuschätzen.
Eine Liste von rund zwanzig Beispielen soll den Polizisten im Außendienst
als Orientierungshilfe dienen. Maskottchen wie der Polizeibär, aber auch
Weihnachtsmänner, sollen jedenfalls toleriert werden.
Rachid Nekkaz wurde zwar nicht von Sebastian Kurz persönlich bestraft, doch
die Polizei wurde vorstellig und nahm ihn auf die Wache mit. Wenig später
kam er mit einem Strafzettel über fünfzig Euro zurück – unverhüllt.
Kommende Woche will er wieder maskiert auftreten.
10 Oct 2017
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Burka-Verbot
Sebastian Kurz
Österreich
Burka-Verbot
Liebeserklärung
Burka-Verbot
Wahl Österreich
Wahl Österreich
Wahl Österreich
Burka-Verbot
Burka
Burka
Burka
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Burka-Verbot“ in Dänemark: Frauen müssen Gesicht zeigen
Das dänische Parlament hat ein Verschleierungsverbot beschlossen.
Ausgenommen sind Bedeckungen, die einem „anerkennenswerten Zweck“ dienen.
Kolumne Liebeserklärung: Burka-Verbot für Flyer-Haie
Seit einem halben Jahr darf sich in Österreich niemand mehr verschleiern.
Aber statt Burka-Trägerinnen trifft das vor allem Maskottchen.
Verschleierungsverbot in Quebec: So, wie Trudeau es nicht will
Kanadas Provinz Quebec verbietet Niqab und Burka im Staatsdienst. Auch nach
über zwei Jahren kontroverser Debatte bleibt das Gesetz hoch umstritten.
Wahl in Österreich: ÖVP stärkste Partei
Bei der Parlamentswahl in Österreich gewinnt die konservative ÖVP. Die SPÖ
verliert, liegt aber knapp vor der rechtspopulistischen FPÖ.
Wahl in Österreich: Auch Kurz hat Dreck am Stecken
Den Regierungsparteien ÖVP und SPÖ ist kein Mittel zu schmutzig, um
einander zu diskreditieren. Das kratzt auch am Image des ÖVP-Stars Kurz.
Wahlkampf in Österreich: Die Schlammschlacht von Wien
Der hasserfüllte Kampf zwischen Sozialdemokraten und Konservativen hat den
Rechtspopulisten einen zweiten Atem verschafft.
Ganzkörperverschleierung in Dänemark: Konsens in Sachen Burkaverbot
Im dänischen Parlament gibt es eine Mehrheit für den Gesetzesvorstoß der
Rechtspopulisten. Als Vorbild gilt das österreiche Verschleierungsverbot.
Nach österreichischem Vorbild: CSU fordert Burka-Verbot
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer will Vollverschleierung in Deutschland
verbieten. Das Verbot solle am besten auf ganz Europa ausgeweitet werden.
Burkaverbot in Bayern: Ganzkörpersprache statt Arabisch
In Bayern gilt nun ein Teilburkaverbot für Angestellte. Das fragwürdige
Gesetz soll Kommunikation durch Gestik und Mimik gewährleisten.
Neues Ukip-Gewinnerthema: Burka führt zu Vitaminmangel
Britische Rechtspopulisten begründen ihre Forderung nach einem Burka-Verbot
medizinisch: Verschleierten Frauen mangele es an Vitamin D.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.