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# taz.de -- Obdachlose in Berlin: Begegnungen auf Augenhöhe
> Selbstorganisiert und unabhängig funktioniert der Kälteschutz im
> Mehringhof. Für die kommende Wintersaison werden noch Freiwillige
> gesucht.
Bild: Auf Berlins Straßen leben immer mehr Obdachlose
Abschiebungen, Task Force, Busse nach Osteuropa: Noch bevor die kalte
Jahreszeit begonnen hat, wird eine aufgeregte Diskussion über Obdachlose in
Berlin geführt. Klar ist: Es gibt zu wenig Übernachtungsplätze für
wohnungslose Menschen. Ganzjährig geöffnete Unterkünfte bieten nur 125
Personen Platz. In den verschiedenen Einrichtungen der Kältehilfe gab es in
den letzten Wintern rund 700 Plätze, doch auch das sind nach Angaben der
Organisation mindestens 100 zu wenig. Und das, obwohl viele der bis zu
zehntausend in Berlin lebenden Obdachlosen – genaue Zahlen gibt es nicht –
den Platz auf der Straße einer Notunterkunft vorziehen.
Denn Notunterkünfte sind oft nicht besonders schöne Orte – überfüllt,
aggressive Stimmung, wenig Privatsphäre. Das wissen auch die MacherInnen
des Kälteschutzes im Kreuzberger Mehringhof, einer selbst organisierten,
unabhängigen Initiative für wohnungslose Menschen im Winter, die seit 1996
existiert. Einmal die Woche, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag,
stellt die Initiative rund 25 Schlafplätze zur Verfügung, außerdem gibt es
Abendessen, Frühstück und die Möglichkeit, sich zu waschen. „Das Wichtigste
ist, dass wir versuchen, eine respektvolle Atmosphäre zu schaffen und die
Menschen in ihrer Selbstbestimmung ernst zu nehmen“, sagt Elena, die in der
Initiative aktiv ist.
Rund 30 Freiwillige sind derzeit dabei. Die Initiative arbeitet pro Nacht
in drei Schichten, es sind immer mehrere Leute gleichzeitig da – auch,
damit niemand mit schwierigen Situationen allein gelassen wird. „Es ist
meistens ruhig und angenehm bei uns, aber kann es auch mal ein Problem
geben“, sagt Elena. Der Kälteschutz im Mehringhof nimmt jeden auf, Alkohol,
Drogen und Gewalt sind verboten. Wer von sich erzählen will, findet
Menschen, die ihm zuhören – wer nichts von sich preisgeben will, wird dazu
auch nicht gezwungen.
Viele der BesucherInnen seien Stammgäste, die jeden Donnerstag wiederkämen,
sagt Elena. Manche würden sich besser auskennen als die meisten
Freiwilligen, weil sie schon länger kommen, als die aktiv sind – ein Indiz
auch dafür, wie schwer es ist, aus der Wohnungslosigkeit herauszukommen.
Die meisten Gäste erfahren über Mund-zu-Mund-Propaganda von dem Angebot,
auch der Kältebus bringt Menschen vorbei. Mehr Andrang als Plätze gab es im
Kälteschutz bisher noch nicht. Dass die sogenannte Flüchtlingskrise die
Situation verschärft habe, könne sie ebenfalls nicht bestätigen, sagt
Elena. Die 31-jährige Musikerin ist seit drei Jahren beim Kälteschutz
aktiv. „Es ist eine Arbeit, die einem viel zurückgibt“, sagt sie. Am
schwierigsten sei oft zu ertragen, den Menschen eben nicht viel mehr
anbieten zu können als einen Schlafplatz, Essen und ein offenes Ohr. „Wir
bekämpfen ja nur Symptome, am Wohnungsmangel in Berlin und den
Schwierigkeiten wohnungsloser Menschen können wir wenig ändern“, sagt sie.
Die Türen des Kälteschutzes öffnen sich in diesem Jahr am 26. Oktober, ab
dann gibt es das Angebot jeden Donnerstag. Es werden dringend noch
Freiwillige gesucht. Vorkenntnisse seien nicht erforderlich – nur Lust,
obdachlosen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.
Infoveranstaltung für Interessierte: Donnerstag, 19.10., 19 Uhr, im
Mehringhof (Gneisenaustraße 2a, zweiter Hinterhof)
17 Oct 2017
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
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