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# taz.de -- Bahnhofsmission am Zoo: Schließung mit Signalwirkung
> Nach zunehmender Gewalt bleibt der Speisesaal für Obdachlose der
> Stadtmission am Bahnhof Zoo zunächst geschlossen. Der Leiter fordert mehr
> professionelle Hilfe.
Bild: Dieter Puhl leitet die Bahnhofsmission am Zoo
Die Stimmung vor der Stadtmission am Bahnhof Zoo wirkt locker, fast
familiär. Um die 50 Leute tummeln sich auf der Straße und warten vor der
Essensausgabe. Die einen hören Musik und singen. Andere liegen in der
Sonne. „Ist ja Sommer. Alles gut“, sagt einer.
In die Einrichtung hinein kommen die Wartenden aber nicht mehr. Die
stadtbekannte Anlaufstelle für Bedürftige hat ihre Türen vorerst bis
Sonntag geschlossen. Essen wird nur noch über die Fenster herausgegeben.
„Die Maßnahme soll eine Signalwirkung haben“, sagt Dieter Puhl, der Leiter
der Einrichtung.
## Dritter Gewaltvorfall in zwei Monaten
Ganz so locker wie heute sah das nämlich vor wenigen Tagen am Zoo nicht
aus. Ein vermeintlich harmloser Streit zwischen mehreren Obdachlosen um
gespendete Kleidung, die die Bahnhofsmission auch ausgibt, war eskaliert.
Ehrenamtliche Helfer wurden bedroht. „Da flogen Steine und Flaschen. Das
war krass“, erinnert sich ein Mann. Mit 25 Beamten griff die Polizei ein.
Binnen zwei Monaten war das bereits der dritte Polizeieinsatz nach
Gewaltvorfällen vor der Bahnhofsmission. Es solle nun etwas Ruhe einkehren,
daher die Schließung, sagt Puhl: „Wir nutzen die Tage und denken intensiv
über unsere Möglichkeiten nach, aber auch über das, was wir nicht leisten
können.“ Gespräche mit Polizei, Psychologen und Ehrenamtlichen sind
geplant.
Denn immer mehr Obdachlose suchen in seiner Einrichtung in der Jebensstraße
nach Hilfe, vermehrt auch psychisch Kranke, wie Puhl feststellt. Daher
fordert er mehr Fachkräfte, gerade im psychiatrischen Bereich, auch mehr
Investitionen. Und einfach „mehr Rückhalt für Obdachlose in der
Gesellschaft“.
Geschätzt wird die Zahl Obdachloser in Berlin mittlerweile auf 8.000 bis
10.000, bei steigender Tendenz.
## Ehrenamtler stoßen an ihre Grenzen
Das Team aus Ehrenamtlichen bei der Bahnhofsmission stößt unter diesen
Bedingungen an seine Grenzen.
Puhl brennt für seine Arbeit bei der Stadtmission, seit 25 Jahren schon.
Der ruhig und besonnen wirkende Mann verkörpert eine leidenschaftliche
Zugewandtheit gegenüber hilfebedürftigen Menschen. In jedem seiner Sätze
schwingt ein gewisses Pathos mit. Jede einzelne Geschichte seiner Gäste
geht dem erfahrenen Sozialarbeiter nah.
Doch Puhls Herzblut für die Sache allein reicht nicht. Er und seine
Einrichtung sind auf Hilfe angewiesen, auf Spenden. Puhl holt aus: „Mit dem
Geld, das der Flughafen Berlin Brandenburg täglich kostet, könnte man die
Obdachlosenarbeit revolutionieren.“ Kurze Pause. Anderes Thema, gesteht er
dann. Recht hat er trotzdem.
Als Puhl auf die Straße tritt, wird es kurz laut. „Eeeey Dieter“, schreit
eine Frau und winkt ihm zu. Er lächelt freundlich und geht weiter. Puhl
kennt und begrüßt fast jeden, der da auf der Straße sitzt. Viele Menschen,
viele Hände. Der nahbare Heilsbringer. Jedenfalls wissen die Leute, was
Dieter Puhl für sie tut.
Ihre Hoffnung trägt ein Stück weit auch sein Gesicht und daher ist ihm auch
keiner böse ob der Woche, in der die Hilfe eingeschränkt wird. „Das ist
schon okay. Es muss ein Zeichen gesetzt werden“, meint wohlwollend einer,
der hier seine Suppe schlürft. Und außerdem ist ja Sommer. Also ansonsten
eigentlich fast alles gut.
11 Aug 2017
## AUTOREN
Max Noelke
## TAGS
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
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Kriminalstatistik
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Obdachlosigkeit
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