| # taz.de -- Energiepolitik und Jamaika-Sondierung: Papier ist ungeduldig | |
| > Seit Wochen tobt eine Lobbyschlacht zwischen Freunden und Gegnern der | |
| > Energiewende. Eine Frage ist besonders wichtig: Wer hat die besten | |
| > Gutachten? | |
| Bild: Streit um den Ausstieg: Wie viel Kohle kann sich Deutschland noch leisten? | |
| Berlin taz | Am Donnerstag um 11 Uhr wird das Tauziehen um die Energiewende | |
| konkret. Nicht in Berlin im Kanzleramt, sondern im Stadthaus Cottbus, Raum | |
| Zielona Gora. Dort präsentiert der Thinktank Agora Energiewende ein | |
| Konzept, wie bei einem möglichen Ausstieg aus der Braunkohle in der Lausitz | |
| Millionen von Steuergeldern für Strukturhilfen verteilt werden können. | |
| Der Zeitpunkt ist Zufall, die Absicht ist klar. Rund um eines der | |
| umstrittensten Themen der Sondierungen, die Energie- und Klimapolitik, ist | |
| eine heftige Lobbyschlacht entbrannt. Mit Gutachten, Studien und | |
| Wortmeldungen bombardieren Umweltschützer und Industrie die Verhandler. Die | |
| einen wollen den schnellen Kohleausstieg. Die anderen wollen ihn | |
| verhindern. | |
| Den Anfang machte eine Studie der Agora Anfang September, noch vor der | |
| Bundestagswahl: Deutschland verfehle „ohne kräftiges Gegensteuern“ sein | |
| Klimaziel und landet 2020 nur bei minus 30 statt der versprochenen minus 40 | |
| Prozent Kohlendioxidausstoß, warnten die Experten. [1][Eine Woche nach der | |
| Wahl stieß der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“] (SRU), das | |
| offizielle Beratungsgremium der Regierung, ins gleiche Horn: Die neue | |
| Bundesregierung müsse den Kohleausstieg „unverzüglich einleiten“, das | |
| letzte Kohlekraftwerk müsse in 20 Jahren vom Netz genommen werden. | |
| Vorige Woche legte das SPD-geführte Bundesumweltministerium nach. [2][Es | |
| steckte der Süddeutschen Zeitung ein internes Papier], das warnte, | |
| Deutschland werde sein Klimaziel mit etwa minus 32 Prozent verfehlen. Das | |
| war nicht wirklich neu, machte aber in den Medien eine große Welle. | |
| Vier Tage später trommelte die European Climate Foundation Fachleute und | |
| Politiker zusammen, um mit einer Studie zu belegen, eine Verkehrswende zu | |
| „klimafreundlichen“ Autos bringe „Wachstum und Beschäftigung, aber auch | |
| Herausforderungen“. Und zu Beginn der Sondierung in großer Runde am Freitag | |
| stellen Umweltverbände wie WWF, BUND und DNR Forderungen an die neue | |
| Regierung zum Klimaschutz vor. | |
| ## Industrie tritt auf die Bremse | |
| Aber auch die Gegenseite schläft nicht. Am Montag zog der Präsident des | |
| Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), [3][Dieter Kempfer, über das | |
| Handelsblatt „rote Linien für Jamaika“]. „Der sofortige Kohleausstieg ist | |
| falsch“, ließ er sich zitieren, das bringe höhere Strompreise und vergraule | |
| die Industrie. Auch ein Mindestpreis für CO2, wie ihn unter anderem die | |
| Grünen fordern, sei als „nationaler Alleingang kontraproduktiv“. | |
| Rückendeckung dazu kommt von einer Studie der Beratungsfirma frontier | |
| economics im Auftrag des Energiekonzerns RWE. | |
| Argumente liefert auch eine Untersuchung für den Chemieverband VCI zur | |
| Zukunft des Erneuerbare-Energiengesetzes (EEG). Die Förderung für neue | |
| Wind- und Solaranlagen solle künftig nicht mehr von den Stromkunden, | |
| sondern aus Steuern bezahlt werden. Da passt es, wenn der | |
| CDU-Wirtschaftspolitiker Christian Pfeiffer das EEG „Planwirtschaft hoch | |
| zehn“ nennt, das „in seiner jetzigen Form keine Berechtigung“ habe. | |
| [4][Weniger gut passt, dass die neue EEG-Umlage leicht sinkt]. | |
| Die deutsche Industrie jedenfalls findet, beim Energieverbrauch sei sie so | |
| gut, dass die Regierung „Vorsicht bei neuen Effizienzvorgaben oder gar | |
| Energieverbrauchsvorgaben“ walten lassen müsse. So zitiert [5][die | |
| Frankfurter Allgemeine Zeitung am Tag vor den Sondierungsgesprächen] einen | |
| Experten des industrienahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) mit | |
| einer weiteren Studie. | |
| Den Unterhändlern wird es in den nächsten Wochen an ungefragten (oder | |
| bestellten) Ratschlägen jedenfalls nicht mangeln. Bei der Agora liegt zum | |
| Beispiel ein Gutachten bereit, wie die schwindende Akzeptanz von | |
| Windkraftanlagen zu verbessern ist. Und der BDI hält eine Studie mit dem | |
| Titel „Klimapfade für die deutsche Industrie“ in der Hinterhand. Die | |
| Umweltverbände haben sich darüber schon vorsorglich aufgeregt. Denn darin | |
| argumentiert der BDI offenbar, dass bei steigenden Temperaturen im | |
| Klimawandel der Bedarf an Heizenergie sinkt. Was die Umweltschützer so | |
| lesen: Beim Klimaschutz mal langsam machen. | |
| 18 Oct 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gutachten-zum-Kohleausstieg/!5451623 | |
| [2] http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/klimawandel-deutschland-hinkt-seinem-… | |
| [3] http://www.handelsblatt.com/my/politik/deutschland/energiewende-rote-linien… | |
| [4] /EEG-Umlage-sinkt-leicht/!5453389 | |
| [5] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/deutsche-industrie-setzt-… | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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