Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Der Fall Amri und Berlin: So weit aufgeklärt
> In seinem Abschlussbericht stellt der Sonderermittler Bruno Jost fest,
> dass Anis Amri aus dem Verkehr hätte gezogen werden können.
Bild: Innensenator Andreas Geisel (SPD) und der Sonderbeauftragte Bruno Jost (v…
Der Abschlussbericht von Bruno Jost ist ein Schlag ins Kontor der Berliner
Sicherheitsbehörden. Allen voran bekommt das Landeskriminalamt (LKA) – dort
insbesondere der Staatsschutz und die für Observation zuständigen
Dienstkräfte – sein Fett weg. Aber auch die Generalstaatsanwaltschaft hat
sich der vom Senat zum Fall Amri eingesetzte Sonderermittler vorgeknöpft.
Jost, Bundesanwalt im Ruhestand, war vom Senat im Frühjahr beauftragt
worden, einem etwaigen Versagen der Berliner Behörden im Fall Amri
nachzugehen. Im Juli hatte Jost einen Zwischenbericht vorlegt. Im Beisein
von Innensenator Andreas Geisel (SPD) stellte er am Donnerstag nun den
Abschlussbericht vor. Geisel lobte Jost als „unabhängigen, schonungslosen“
Aufklärer.
„Der Haupttäter ist tot,“ eröffnete Jost am Donnerstag seinen Vortrag. Der
24-jährige Tunesier Amri hatte am 19. Dezember einen Sattelschlepper
entführt und in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gesteuert.
Zwölf Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben, fast 70 wurden zum Teil
schwer verletzt. Vier Tage später wurde Amri bei Mailand von italienischen
Polizisten erschossen. „Die Hintermänner wird man nie greifen und vor
Gericht stellen“, konstatierte Jost. „Da bin ich mir sicher.“ Das sei
bitter. Umso mehr sei rückhaltlose Aufklärung geboten, ob
Behördenschlamperei das Verbrechen ermöglicht habe. Sein Auftrag habe sich
zwar auf Berlin beschränkt, aber er habe auch die Berührungspunkte mit Bund
und Ländern untersucht. Bei den Recherchen habe Jost eine Vielzahl von
Fehlleistungen an verschiedenen Stellen festgestellt, was aber nicht heißen
müsse, dass diese persönlich vorwerfbar seien.
Wegen Verdachts der Aktenmanipulation ist gegen zwei Beamte des
Staatsschutzes inzwischen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.
Verdacht der Strafvereitelung und des Fälschens beweiserheblicher Daten
lautet der Vorwurf nach Angaben eines Justizsprechers. Dem Vernehmen nach
ist einer der Beschuldigten vom Dienst suspendiert. Der Hintergrund: Ein
Bericht vom 4. November 2016, in dem Amri Drogenhandel in größerem Stil
vorgeworfen worden war, war im Staatsschutz nach dem Attentat geschönt
worden. Sprich: der Tatvorwurf gegen Amri wurde relativiert.
Unwissentlich, dass es sich um einen Fake handelte, war Innenstaatssekretär
Torsten Akmann (SPD) nach dem Anschlag mit diesen Informationen vor den
Sonder-Innenausschuss getreten. Eine Erklärung für die Manipulation wäre,
dass der Beamte von eigenem Versagen ablenken wollte, den ursprünglichen
Bericht nicht rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet zu
haben. Diese hätte gegen Amri möglicherweise Haftbefehl beantragt.
Jost hatte den Vorfall aufgedeckt. Anders als in seinem Zwischenbericht
wollte er dazu am Donnerstag nichts mehr sagen. Mehrfach betonte er aber,
es habe „reale Chancen“ gegeben, Amri mit einem Haftbefehl aus dem Verkehr
zu ziehen. Denn: Hinweise auf eine Dealertätigkeit habe es genug gegeben.
Amris Mutter in Tunesien habe sich laut Telefonüberwachungsprotokollen für
vierstellige Geldüberweisungen aus Berlin bedankt. „Man hatte die
Ermittlungserkenntnisse“, so Jost, „aber die haben sich nicht im
polizeilichen Handeln niedergeschlagen.“
Das größte Unding in Josts Augen: Es gab einen Beschluss des Amtsgerichts
Tiergarten, wonach der als islamistischer Gefährder eingestufte Amri vom 4.
April 2016 bis zum 21. Oktober 2016 hätte überwacht werden müssen.
Tatsächlich stellte die Polizei die Observation am 15. Juni 2016 ein. Dazu
Jost: Die Arbeitsbedingungen beim LKA seien zwar katastrophal, aber eine
Observation nach sechs Wochen zu beenden und trotzdem weitere
Überwachungsbeschlüsse zu beantragen – „das sind Dinge, die aus dem Ruder
gelaufen sind“. Auch die Berliner Generalstaatsanwaltschaft, so der
Sonderbeauftragte, „hätte sich darum kümmern müssen“.
12 Oct 2017
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Anis Amri
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Polizei Berlin
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Anis Amri
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Salafisten
Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
Innenausschuss
Anis Amri
Anis Amri
Schwerpunkt Iran
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gedenken am Breitscheidplatz: Vorrang für die Angehörigen
Große Sicherheitsvorkehrungen begleiten den Gedenktag für Anschlagsopfer
des 19. Dezember.
Amri Untersuchungsausschuss in Berlin: Fehlersuche geht weiter
Im Amri-Untersuchungsausschuss vermag sich Ex-CDU- Staatssekretär nicht zu
erinnern. Sonderermittler Bruno Jost benennt die Schwachstellen deutlich.
Waffengesetz in Baden-Württemberg: An der Grenze des rechtlich Möglichen
Baden-Württemberg ringt um ein strengeres Polizeigesetz. Dabei zeigt sich,
wie nah – oder fern – sich Grüne und CDU realpolitisch sind.
Prävention gegen Salafismus und Terror: Unter besonderer Beobachtung
Debatten im Klassenzimmer, Seelsorge im Gefängnis: Wie der Freistaat Bayern
versucht, Islamisten ihre Anhänger abspenstig zu machen.
Dschihadistischer Anschlag in Berlin: V-Mann soll Amri angestachelt haben
Der „radikalste“ in der Islamistengruppe um Anis Amri soll ein V-Mann
gewesen sein. Er habe nach Leuten für einen LKW-Anschlag gesucht.
Berliner Innen-Etat: Achtung, Wildsau!
Innenausschuss berät in zweiter Lesung den Etat für Polizei, Feuerwehr und
Ämter für 2018/19. Diskussion über die Inhaber von Waffenscheinen.
Kommentar zum Amri-Bericht: Natürlich wurden Fehler gemacht
Wer behauptet, der Anschlag auf dem Breitscheidplatz hätte verhindert
werden können, macht es sich zu leicht – und bahnt den Weg für eine
Law-and-Order-Politik.
Berlin und die Aufklärung des Falls Amri: Eine Menge schiefgelaufen
Hätte der Anschlag auf dem Breitscheidplatz verhindert werden können? Bruno
Jost, Sonderbeauftragter des Senats, stellt seinen Abschlussbericht vor.
25 Jahre Mykonos-Attentat: Als der Iran seine Mörder schickte
Vor 25 Jahren wurden in einem Restaurant in Berlin vier iranisch-kurdische
Politiker erschossen. Der Prozess gegen die Mörder war ein internationales
Politikum.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.