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# taz.de -- 25 Jahre Mykonos-Attentat: Als der Iran seine Mörder schickte
> Vor 25 Jahren wurden in einem Restaurant in Berlin vier
> iranisch-kurdische Politiker erschossen. Der Prozess gegen die Mörder war
> ein internationales Politikum.
Bild: Die Hauptangeklagten im „Mykonos“-Prozess, Kazem Darabi (l) und Abbas…
Auf dem Gehweg vor dem Haus Prager Straße 2a in Wilmersdorf steht eine
unscheinbare Tafel in Edelstahl. Sie erinnert an die Opfer des sogenannten
Mykonos-Attentats: Am 17. September 1992 wurden in dem gleichnamigen
Restaurant, das es heute nicht mehr gibt, vier iranisch-kurdische Politiker
ermordet. Solch kleinen Gedenkorten wird ja im Alltag selten viel
Aufmerksamkeit geschenkt. Doch als die Tafel vor ein paar Wochen
verschwand, war die Aufregung unter Berliner Iranern groß. Dahinter stecke
bestimmt das Mullahregime in Teheran, mutmaßten einige in sozialen
Netzwerken.
Völlig abwegig war die These nicht: Als die Gedenktafel 2004 aufgestellt
wurde, schrieb der damalige Bürgermeister Teherans, der spätere iranische
Präsident Mahmud Ahmadinedschad, einen Brief an den damaligen Regierenden
Bürgermeister Klaus Wowereit, in dem er die Tafel als Beleidigung des Irans
bezeichnete. Und so viel ist auch wahr: Das Mykonos-Attentat und der
Prozess am Berliner Kammergericht gegen die Mörder haben in gewisser Weise
Weltgeschichte geschrieben.
„Es war der erste und meines Wissens auch der bislang einzige Prozess, in
dem der iranische Staat als Täter genannt wurde“, erzählt Bruno Jost. Der
frühere Bundesanwalt – und heutige Sonderermittler des Senats zum
Breitscheidplatz-Attentäter – wies damals als Ankläger nach, dass hinter
dem Organisator des Anschlags, dem Iraner Kazem Darabi, und seinen drei
libanesischen Helfern der iranische Geheimdienst stand. Der Mordauftrag war
von höchsten staatlichen Stellen abgesegnet worden.
Das Urteil, verkündet im April 1997, löste ein politisches Erdbeben aus.
„Es folgten Monate der Eiszeit zwischen Europa und Iran“, erinnert sich
Hamid Nowzari, Gründer und Vorsitzender des Vereins iranischer Flüchtlinge
in Berlin, der für den heutigen Samstag eine Gedenkveranstaltung zum 25.
Jahrestag des Anschlags organisiert hat.
## Die Anklage passte der Politik gar nicht
Vor allem in Deutschland, das als einziges westliches Land den „kritischen
Dialog“ mit den Mullahs suchte, sei man entsetzt gewesen über die
„Frechheit“ der Iraner, so Nowzari. Mitarbeiter des iranischen
Geheimdienstes wurden ausgewiesen, gegen den Minister für
Nachrichtendienste und Sicherheitsangelegenheiten, der kurz vor
Prozessbeginn noch im Kanzleramt zu Besuch gewesen war, wurde Haftbefehl
erlassen. Die EU brach, zumindest kurzzeitig, ihre Beziehungen zum Iran ab.
Dass es so weit kam, passte der damaligen Bundesregierung überhaupt nicht.
Schließlich bestand ihr „Dialog“ (wie heute auch) vor allem im Ausbau der
Wirtschaftsbeziehungen zur „Islamischen Republik“. „Die hätten den
staatsterroristischen Hintergrund lieber außen vor gelassen“, so Nowzari,
der keinen Verhandlungstag in den dreieinhalb Jahren des Prozesses
verpasste. Jost verweist bei der Frage, ob man damals politischen Druck auf
ihn ausgeübt habe, auf seine Schweigepflicht: „Sagen wir es mal so: Die
Freude der Bundesregierung hielt sich in Grenzen.“
Für Berliner Iraner – zumindest die Oppositionellen unter ihnen – ist der
17. September bis heute ein wichtiger Tag. „Es geht um das Gedenken an die
Opfer, ein solches Verbrechen verjährt nicht“, sagt Nowzari. Drei der vier
Mordopfer waren führende Vertreter der Demokratischen Partei Kurdistans
(DPK-I), die auf Einladung des damaligen SPD-Vorsitzenden Björn Engholm auf
dem Kongress der Sozialistischen Internationale in Berlin zu Gast waren.
Und sie waren nicht die ersten Oppositionellen, die das Regime im Ausland
töten ließ. Es gab eine Kette von Anschlägen gegen Iraner in Europa. Aber
erst durch den Berliner Prozess sei aktenkundig geworden, so Nowzari, „was
wir Oppositionelle schon lange sagten: dass der Iran dahinterstand. Das war
ein historischer Meilenstein.“
## „Schon ein bisschen Angst“
Nach dem Urteil hörten die Anschläge in Europa schlagartig auf. Dazu habe
der Prozess „zumindest beigetragen“, meint auch Jost. Iraner
Oppositionelle, die auch im Exil lange in Angst leben mussten, begannen
langsam, sich sicherer zu fühlen.
Was nicht bedeutet, dass der iranische Geheimdienst hierzulande nicht mehr
aktiv wäre, sagt Nowzari: Oppositionelle wie er würden unverändert unter
dessen Beobachtung stehen. Sein Verein sei schon mehrfach von deutschen
Geheimdiensten gewarnt worden, dass jemand versuche, sie zu infiltrieren.
Daher würde er, wie viele andere IranerInnen, auch nicht in die alte Heimat
fahren: „Ich habe schon ein bisschen Angst, denn ich gehe davon aus, dass
ich bei denen auf der Liste stehe.“
Für die Sache mit der verschwundenen Gedenktafel ist der iranische Staat
jedoch nicht verantwortlich. „Ich bin schuld“, gesteht Nowzari. Die Tafel
habe nach 13 Jahren ziemlich schäbig ausgesehen, da habe er das Kulturamt
von Charlottenburg-Wilmersdorf gebeten, sie zu erneuern. Pünktlich zum
Jahrestag ist sie nun wieder da.
16 Sep 2017
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Schwerpunkt Iran
Attentat
Iranische Revolution
Anis Amri
Anis Amri
Wahlen im Iran
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