# taz.de -- Journalist aus Vietnam in Berlin verfolgt: Morddrohungen gegen Jour… | |
> Zwei vietnamesische Journalisten werden in Berlin Opfer einer | |
> Hetzkampagne. Zwei Frauen verfolgen sie und veröffentlichen ihre private | |
> Daten. | |
Bild: Trung Khoa Le betreibt einen vietnamesischen Blog und wird seit G20 angef… | |
BERLIN taz | „Ich möchte auf ihn zielen und einmal abdrücken. Ich möchte | |
ihm auch sagen: Nur so zollst du deinen Vorfahren Respekt. Seine Leiche ist | |
jetzt viel zu dreckig.“ Es sind Drohungen wie diese, die Trung Khoa Le, ein | |
vietnamesisch-deutscher Journalist aus Berlin, über sich im Internet lesen | |
muss. | |
Le betreibt die zweisprachige Onlinezeitung thoibao.de („Die Zeit“) und | |
schreibt über vietnamesische Politik. Schon im Juli hatte er sich Feinde | |
gemacht, weil er kritisch über den Besuch des vietnamesischen | |
Ministerpräsidenten beim G20-Gipfel in Hamburg berichtet hatte. | |
Im August hatte er dann über die [1][Entführung des vietnamesischen | |
Expolitikers Trinh Xuan Thanh] aus Berlin nach Hanoi berichtet – und die | |
These der vietnamesischen Staatsmedien widerlegt, dieser hätte sich | |
freiwillig den Behörden gestellt. Eine Schlussfolgerung, die manchen | |
Landsleuten und auch dem vietnamesischen Geheimdienst nicht gefällt. | |
Le hatte investigativ in Berlin recherchiert und dabei unter anderem | |
zahlreiche Blutspuren und zwei Dosen Betäubungsspray im Entführungsauto | |
dokumentiert. 1,5 Millionen Klicks allein im August brachten die Berichte | |
dem Berliner Journalisten, 80 Prozent davon kamen aus Vietnam. Seitdem wird | |
er von vielen Landsleuten in Berlin als „Volksverräter“ oder „Stinker“ | |
beschimpft. Sein Körper sei der eines Menschen, sein Wesen das eines | |
Hundes, schreiben Leute im Netz. | |
Le sitzt in seinem Berliner Büro im Dong-Xuan-Center, einem Asiamarkt auf | |
160.000 Quadratmetern – ein Stück Vietnam mitten in Berlin. Er erzählt, wie | |
zwei vietnamesische Frauen ihn kürzlich in Geheimdienstmanier verfolgt | |
haben. Sie fotografierten ihn bei einem Treffen mit einem | |
Journalistenkollegen in einem Berliner Restaurant und stellten die Bilder | |
wie Fahndungsfotos ins Netz. Daneben stehen Details über seine Kinder. | |
Diese besuchen dieselbe Grundschule wie die Kinder einer der Frauen. | |
## Drohungen in Mafia-Manier | |
Le weiß, dass diese Frau seine Privatanschrift kennt. Er und seine Familie | |
seien quasi für vogelfrei erklärt worden, sagt er. „Ich werde abdrücken. | |
Soll er sich ins Dong-Xuan-Center trauen“, schrieb eine der Frauen. Die | |
andere untermauert ihre Drohungen mit der Aussage, schon mehrere Menschen | |
krankenhausreif geschlagen zu haben. Der polizeiliche Staatsschutz | |
ermittele in der Sache, sagt Le. Die Polizei will das aus | |
Datenschutzgründen nicht bestätigen. | |
„Hör auf, über Politik zu schreiben“, hat ein Freund Le geraten. „Sie | |
schicken sonst einen vietnamesischen Gangster aus Tschechien, dann liegst | |
du tot im Wald.“ Mit „sie“ meint er den in Deutschland sehr aktiven | |
vietnamesischen Geheimdienst. Der hat bereits Les Verwandte in Vietnam | |
befragt. | |
Mit ähnlichen Methoden hat der Geheimdienst schon früher soziale Bewegungen | |
und unabhängige Medien in Vietnam zerschlagen: Er schickte Kriminelle, die | |
die Aktivisten einschüchterten, bedrohten und Gewalt gegen sie anwendeten. | |
Doch wie viel Einfluss hat er in Deutschland? | |
## Einschüchterungsversuche in Berlin | |
Außer Le wird ein weiterer vietnamesischer Autor in Berlin seit dem Sommer | |
Opfer einer Hetzkampagne: Bui Thanh Hieu lebt seit vier Jahren in | |
Deutschland. Er ist einer der bedeutendsten vietnamesischen Blogger. Sein | |
Blog Nguoi Buon Gio („Der Windhändler“) hat 162.000 Abonnenten. Das | |
Schreiben über soziale Proteste in Vietnam oder die Inhaftierung von | |
oppositionellen Anwälten und Journalisten brachte ihm mehrere Haftstrafen | |
ein. | |
2013 hatte ihm die deutsche Botschaft ein Stipendium des PEN-Zentrums | |
vermittelt. Seitdem hat er drei Bücher geschrieben. „In Deutschland habe | |
ich mich immer sicher gefühlt. Ich habe hier auch Asyl erhalten. Aber nach | |
der Entführung von Tranh Xuan Thanh im Sommer begannen die Drohungen gegen | |
mich“, sagt er der taz. „Dein Tag kommt auch noch“, habe etwa ein Mann zu | |
ihm gesagt. | |
Einmal hätten zwei Frauen am Brandenburger Tor ihm mit einem riesigen Stein | |
gedroht. Es waren dieselben Frauen, die Le gefilmt haben; ein Video im | |
Internet zeigt sie und weitere Frauen, wie sie Hieu von seinem | |
Stammrestaurant aus anrufen. Er, der „Volksverräter“, solle den Wirt in | |
Ruhe lassen, sagen sie. Der vietnamesische Wirt sitzt daneben und grinst. | |
Ist das ein Hausverbot? Und die drängendere Frage, die Hieu umtreibt: | |
Werden die Frauen vom Geheimdienst dafür bezahlt, Stimmung gegen ihn und Le | |
zu machen? | |
6 Oct 2017 | |
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[1] /!5440212 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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