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# taz.de -- Pressefreiheit in Vietnam: Ein Ende aus Angst
> Der Blogger Bui Thanh Hieu schreibt seit 2013 von Deutschland aus über
> Vietnams Politik. Doch um seine Familie zu schützen, beendet er nun sein
> Blog.
Bild: Blogger Nguyen Huy Kham 2011 vor der chinesischen Botschaft in Hanoi
BERLIN taz | Es ist kein freiwilliges Ende. Der kritische vietnamesische
Exilblogger Bui Thanh Hieu schreibt nicht mehr. Hieu, der seit 2013 in
Deutschland lebt, übt offenbar Selbstzensur, weil nach seinen Angaben die
Behörden in Vietnam seine Familie bedrohen und einschüchtern. „Ich bitte
euch um Verständnis, dass ich mich für eine lange Zeit von euch
verabschieden muss. Lebt wohl, meine Freunde“, teilte der 49-Jährige auf
seiner Facebookseite seinen Lesern mit.
Hieu spricht von Schikanen gegen seine Verwandten – ohne konkret zu werden.
Zwischen den Zeilen lässt er durchblicken, dass seine 86-jährige Mutter im
Krankenhaus liege und das mit Einschüchterungsversuchen seitens die
Regierung zu tun habe.
[1][Reporter ohne Grenzen hat sich des Falls angenommen], Geschäftsführer
Christian Mihr sagt: „Es ist abscheulich, dass der vietnamesische
Sicherheitsapparat den schlechten Gesundheitszustand von Personen ausnutzt,
um einen im Ausland lebenden Dissidenten zum Schweigen zu bringen.“ Die
vietnamesischen Behörden seien „erschreckend kreativ in ihren Versuchen,
Personen mundtot zu machen, die ihren Mitmenschen eine Alternative zur
Propaganda der Kommunistischen Partei bieten.“
Bui Thanh Hieus Blog „Nguoi Buon Gio“ („Der Windhändler“) war eine der
wichtigsten publizistischen Stimmen in vietnamesischer Sprache. Es hatte
162.000 Follower, und das obwohl es in Vietnam nur über eine Firewall
anwählbar war. Seine Facebookseite, auf der er neuerdings keine politischen
Inhalte mehr postet, war in den letzten Jahren häufig Angriffen der
[2][vietnamesischen Cyberarmee] ausgesetzt – dabei handelt es sich um von
der Regierung beschäftigte Hacker.
Die hatten es zuletzt geschafft, [3][dass Facebook dem Blogger mehrfach
seine Seite sperrte], wegen angeblichen Missbrauchs der
Community-Standards, welchen die Hacker jedoch selbst herbeikonstruiert
hatten. Hieu war nicht der einzige vietnamesische Blogger, dem es so
erging. Reporter ohne Grenzen sammelte 51 vergleichbare Fälle, darunter
mehrere Personen, die in Europa lebten, und schickte sie an Facebook. Das
Unternehmen ermittelte daraufhin intern. Es wurde klar, dass Hieu und viele
andere Gesperrte nicht selbst gegen die Regeln des sozialen Netzwerkes
verstoßen hatten, sondern Opfer eines Geheimdienstes mit hoher krimineller
Energie wurden. Die Seiten wurden danach wieder freigeschaltet.
## Unter Polizeischutz
Hieu ist auch an seinem Wohnort Berlin bereits verbal und körperlich
bedroht worden. Im Jahr [4][2017 drohten zwei Frauen am Brandenburger Tor
ihm und einem weiteren Blogger Gewalt an]. Im selben Jahr ging beim
Polizeilichen Staatsschutz Berlin ein anonymes Schreiben eines Insiders
ein, vermutlich aus dem Umfeld der vietnamesischen Diplomaten in Berlin.
Darin stand, dass Bui Thanh Hieu und weitere in Deutschland lebende
Dissidenten vom vietnamesischen Geheimdienst getötet werden sollen. Seitdem
steht der Hieu unter Polizeischutz.
Der gelernte Maurer bloggte seit 2005 in Vietnam über Korruption und
Landnahme in einer derben bildhaften Sprache, oft garniert mit Sprachwitz.
2011 organisierte er Protestaktionen vor Haftzentren zur Freilassung von
Demonstranten. Er geriet ins Visier der Ermittler und wurde mehrfach
inhaftiert. 2013 konnte Hieu mit einem Stipendium nach Deutschland reisen.
Danach wurde er Stipendiat der deutschen Schriftstellervereinigung PEN.
Während dieser Zeit schrieb er drei Romane. In deutscher Sprache ist die
autobiografische Erzählung „Das Verhör“ in der PEN-Anthologie [5][„Zufl…
in Deutschland. Texte verfolgter Autoren“] erschienen. Im Jahr 2016 erhielt
Hieu politisches Asyl in Deutschland.
Vientnam gilt hinsichtlich der Pressefreiheit als einer der repressivsten
Staaten weltweit. Alle zugelassenen Medien unterliegen der Pressezensur.
Alternative Stimmen sind Blogger im In- und Ausland. Im Inland lebende
Blogger müssen für kritische Texte mit Haftstrafen von zehn Jahren und mehr
rechnen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen
steht Vietnam auf Platz 176 von 180 Staaten. Aus dem Auswärtigen Amt hieß
es auf Nachfrage, man beobachte die Menschenrechtslage in Vietnam genau und
spreche diese gegenüber der Regierung immer wieder an – auch den Fall Hieu.
10 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/exilblogger…
[2] /Cybersicherheit-bei-BMW/!5653315
[3] /Vietnamesische-Regimekritiker/!5556745
[4] /Journalist-aus-Vietnam-in-Berlin-verfolgt/!5452396
[5] https://www.pen-deutschland.de/de/2017/03/03/zuflucht-in-deutschland-texte-…
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Vietnam
Schwerpunkt Pressefreiheit
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Datenschutz
Schwerpunkt Coronavirus
Reporter ohne Grenzen
Vietnam
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