# taz.de -- Der Wahltag in Berlin: Gefühlt ist richtig was los | |
> Der Marathon bestimmt die Szenerie am Wahlmorgen. Trotz der vielen | |
> Sperrungen liegt die Wahlbeteiligung leicht höher als 2013. Demo gegen | |
> AfD angemeldet. | |
Bild: Da ist richtig was los auf den Straßen – aber nicht alle wollen nur w�… | |
Eigentlich ist die Stimmung super hier am alten Haus des Reisens am | |
Alexanderplatz: Eine fünfköpfige Band spielt spacigen Jazz, auf der Straße | |
laufen ein Bierglas, ein Spacetroper, ein Brandenburger Tor und noch viele | |
weitere tausend Menschen in Sportklamotten vorbei. Es ist kurz nach halb | |
elf Uhr morgens am Sonntag, der Marathon ist in vollem Gange. Die | |
schnellsten sind längst vorbei, hier werden jetzt Mutti, Vati („Rennen, | |
Fatty, rennen“, steht auf einem Plakat“) und die Freunde angefeuert. | |
Doch nicht alle sind glücklich. Am Alex ist auch einer der 30 offiziellen | |
Übergänge für Fußgänger, erkennbar am Schild „Crossing Point“. Sie sin… | |
allem eingerichtet worden, damit Wahlberechtigte, die auf dem Weg zu ihrem | |
Wahllokal die 42 Kilometer lange, quer durch die Stadt verlaufende | |
Marathonstrecke überqueren müssen, nicht allzu lange aufgehalten werden. | |
Rund 40.000 Menschen sind laut Berlins Wahlleiterin Petra Michaelis davon | |
betroffen. | |
Hier an der Abzweigung in die Karl-Marx-Allee warten etwa 25 Menschen seit | |
zehn Minuten darauf, auf die andere Seite zu kommen: Doch die Masse der | |
Läufer nimmt kein Ende, eine Lücke ist nicht in Sicht. Einige Wartende | |
murren, sie wollen endlich rüber. Die Marathonordner in ihren orangenen | |
Westen verweisen schlicht auf die Lage auf der Straße. | |
Genau 2.503.053 Menschen in Berlin dürfen laut der Landeswahlleiterin an | |
diesem Sonntag den Bundestag wählen; ein gutes Viertel von ihnen hat es | |
vielleicht schon: 27,4 Prozent der Wahlberechtigten haben Briefwahl | |
beantragt. Ein Rekord und deutlich mehr als bei der letzten Bundestagswahl | |
2013. Vielleicht hat das auch mit dem Marathon und den vielen gesperrten | |
Straßen in der Stadt zu tun. | |
2.482.254 Menschen sind in Berlin zudem beim Volksentscheid Tegel | |
abstimmungsberechtigt, knapp 21.000 weniger als für die Bundestagswahl. Das | |
liegt daran, dass jene, die erst nach dem 24. Juni nach Berlin gezogen | |
sind, nicht beim Entscheid mitmachen dürfen. | |
Und einiges deutet darauf hin, dass die Beteiligung an diesem Sonntag | |
größer sein wird als 2013. Aus vielen Wahllokalen berichten Beobachter von | |
zumindest kleinen Schlagen bereits am frühen Morgen, unter anderem aus | |
Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Moabit. In Zahlen schlägt sich das aber | |
nur bedingt wieder: Laut der Landeswahlleiterin lag um 12 Uhr die | |
Beteiligung lediglich mit 27,2 Prozent lediglich um 0,1 Prozentpunkte höher | |
als bei der letzten Wahl. | |
Aufgeschlüsselt nach Bezirken ergibt sich ein klareres Bild: Vor allem in | |
den Innenstadtbezirken herrscht Andrang im Wahllokal. Während in | |
Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg-Ost die Beteiligung um 1,2 | |
Prozentpunkte stieg, in Mitte und Pankow um je 0,6 Prozentpunkte und in | |
Treptow-Köpenick sogar um 2,6 Prozentpunkte, lag sie in der AfD-Hochburg | |
Marzahn-Hellersdorf um 1 Prozentpunkt niedriger, in Steglitz-Zehlendorf | |
sogar um 1,5 Prozentpunkte niedriger. Dort war jedoch die Quote der | |
Briefwähler höher als in allen anderen Bezirken. | |
Generell meldeten die Landeswahlleiter der meisten Bundesländer in den | |
Großstädten eine höhere Beteiliung. Ähnlich scheint die Situation im Land | |
Brandenburg: Viele Menschen haben sich bereits am Sonntagvormittag ins | |
Wahllokal aufgemacht, um ihre Stimme für den Bundestag abzugeben. In der | |
Landeshauptstadt Potsdam bildeten sich nach Angaben eines Stadtsprechers | |
vielerorts Schlangen. „Es ist ganz schön viel Bewegung“, sagte er. | |
Das gilt letztlich auch für die Wartenden am Alex. Sie konnten am | |
Sonntagmorgen mit ein wenig Geduld doch noch ihr Ziel – sei es die der | |
Bahnhof, sei es das Wahllokal – ansteuern. Nach einigen weiteren Minuten | |
des Wartens wird der Läuferpulk ein wenig dünner; von der gegenüber | |
liegenden Seite tasten sich vier Ordnerinnen, verbunden durch eine lange | |
Schnur, auf die Strecke vor. | |
Sie lenken die Läufer auf eine Seite der Strecke und schirmen dadurch jene | |
Passanten ab, die über die Straße wollen. Danach sichern sie auch im Rücken | |
der Passanten, so dass diese wie auf einer kleinen Insel von den | |
Marathonteilnehmern umlaufen werden. Schließlich lenken die Ordner die | |
Läufer auf die andere Seite: Der Übergang ist frei, allerdings nur für | |
jeweils rund 20 Menschen. „Londoner Querung“ heißt dieses Modell. | |
## AfD feiert am Alexanderplatz | |
An der Ecke vor dem Haus des Reisens könnte es am Wahlabend noch zu einer | |
anderen Konfrontation kommen, bei der die „Londoner Querung“ wohl eher | |
nicht eingesetzt wird: In dem Gebäude befindet sich auch der Club Traffic, | |
in dem die Bundes-AfD den Wahlausgang feiern wollte. Mehrere linke Gruppen | |
hatten zu Protesten aufgerufen. | |
Ab 18 Uhr ist zudem ein Aufzug bei der Polizei angemeldet mit 500 | |
Teilnehmern. Er soll vom Roten Rathaus durch Mitte in Richtung | |
Brunnenstraße ziehen. | |
24 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
Anna Klöpper | |
Alke Wierth | |
Uwe Rada | |
Erik Peter | |
Thilo Adam | |
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