# taz.de -- Der TXL-Volksentscheid und die FDP: Ganz so dumm sind die Leute nic… | |
> Man kann die Liberalen nicht für alles bashen. Für den Inhalt des | |
> Volksentscheids, okay. Aber machen sie damit wirklich die Demokratie | |
> kaputt? | |
Bild: FDP-Fraktionschef und TXL-Mastermind Sebastian Czaja: ein gefährlicher P… | |
Nur noch dieses Wochenende, dann haben wir es geschafft: Das Thema „Tegel | |
offenhalten“ wird ganz schnell erledigt sein. Oder? Die Debatte könnte sich | |
auch weiterdrehen, ganz im Sinne der FDP, die die Kampagne in erster Linie | |
dazu genutzt hat, sich selbst wieder ins Gespräch zu bringen, und nun | |
hofft, einen Keil in die Senatskoalition zu treiben. Dass ihr auch | |
Letzteres gelingt, ist nicht wahrscheinlich, aber man hat schon Pferde | |
kotzen sehen. | |
Wenn alle Kreuzchen bei „Ja“ oder „Nein“ gemacht sind, sollten wir uns | |
ruhig noch einmal die Frage stellen, die viele KritikerInnen des | |
Volksbegehrens bereits abschlägig beantwortet haben: War das Ganze eine | |
legitime Aktion? Nein, sagen PolitikerInnen von Rot-Rot-Grün und viele | |
andere Tegel-GegnerInnen, hier wurde das Wahlvolk nach Strich und Faden | |
verarscht. Ist das so? | |
Vor allem zwei Kritikpunkte werden immer wieder geäußert. Nr. 1 lautet: | |
„Wenn das Ziel des Volksbegehrens wirklich erreichbar wäre, hätte die FDP | |
gleich ein Gesetz formulieren können, das per Volksentscheid verabschiedet | |
würde. Hat sie aber nicht. Am Ende werden alle, die mit ‚Ja‘ abgestimmt | |
haben, enttäuscht sein, dass nichts passiert. So etwas befördert | |
Politikverdrossenheit.“ | |
Das ist, mit Verlaub, Unsinn. Ein Tegel-Weiterbetrieb – ob nun politisch | |
richtig oder falsch – wäre rechtlich betrachtet nicht nur wenig | |
aussichtsreich, sondern auch extrem komplex und gar nicht von Berlin | |
alleine zu bewältigen (siehe Seite 43). Das hätte kein Gesetzentwurf | |
leisten können. Der Appell, der zur Abstimmung steht, soll einfach | |
politischen Druck erzeugen, und das dürfte den meisten, die zur Wahl gehen, | |
klar sein. Ganz so doof sind die Leute nicht. Und gäbe es dieselbe Kritik | |
an einem Volksbegehren mit genehmerem Inhalt? | |
Kritik Nr. 2: „Eine Partei sollte kein Volksbegehren initiieren dürfen. Sie | |
missbraucht damit ein Instrument, das eigentlich Bürgerinitiativen, also | |
Bewegungen von unten, an der Gesetzgebung teilhaben lassen soll. Parteien | |
wie die FDP betreiben damit Populismus reinsten Wassers, weil sie für die | |
Vermittlung ihres Anliegen viel mehr Mittel haben als irgendeine | |
gesellschaftliche Interessengruppe.“ Diese Kritik wurde auch in der taz | |
geäußert. | |
Ein bisschen mehr ist da schon dran – aber auch nur ein bisschen. Was genau | |
spricht dagegen, dass eine Partei ein Thema lanciert oder aus der | |
Bevölkerung aufgreift und zuspitzt? Parteien sind letztendlich auch nur | |
Nichtregierungsorganisationen zum Zwecke der Meinungsbildung, jedenfalls | |
wenn sie nicht im Parlament vertreten sind, wie die FDP zu Beginn ihrer | |
Kampagne. Zu glauben, dass allein das mutmaßlich höhere Budget es einer | |
Partei ermöglicht, die Meinung der Allgemeinheit zu drehen, unterschätzt | |
die Denkfähigkeit der Bevölkerung wieder massiv. | |
Eher schon liegt es im Bereich des Möglichen, dass gerade die | |
parteipolitische Vereinnahmung des Themas durch FDP, AfD und CDU das | |
hochfliegende Projekt am Ende doch noch zum Absturz bringt. Wenn das „Nein“ | |
knapp gewinnen sollte (s. kotzende Pferde), dürfte es auch daran liegen, | |
dass genügend WählerInnen keine Lust hatten, sich für ein mehr als gewagtes | |
Projekt vom rechten Lager politisch instrumentalisieren zu lassen. Das | |
Sponsoring durch Ryanair tat da ein Übriges. | |
## Zumindest wird jetzt diskutiert | |
Und seien wir doch mal ehrlich: Die von der Tegel-Kampagne ausgelöste | |
gesellschaftliche Debatte war breit, engagiert und oft genug auch | |
differenziert. Das bedeutet keineswegs, dass jeder mit dem Ergebnis vom | |
Sonntagabend, wie auch immer es lautet, einverstanden sein muss. Aber es | |
bedeutet, dass es trotz allem so etwas wie eine demokratische Kultur im | |
Land gibt. Und das ist doch erfreulich – so erfreulich wie die Tatsache, | |
dass das Thema jetzt endlich vom Tisch ist. Oder doch nicht? | |
Dieser Text ist Teil des Wochenendschwerpunkts der taz.berlin. Darin | |
außerdem: Alle Fragen und Antworten zum Volksentscheid Tegel. Und was dort | |
geplant ist, wenn die Flieger schweigen. Am Sonnabend, am Kiosk oder in | |
Ihrem Briefkasten | |
22 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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