# taz.de -- Petition der Woche: Der tiefe Sturz einer Ikone | |
> In Birma schweigt Aung San Suu Kyi zu den Verbrechen an den Rohingya | |
> weitestgehend. Kritiker wollen ihr den Friedensnobelpreis entziehen. | |
Bild: Rohingya aus Birma landen mit einem Boot in in Bangladesch | |
COX’S BAZAR taz | Sie war einmal eine Heldin. Als Aung San Suu Kyi 1991 den | |
Friedensnobelpreis verliehen bekam, wurde sie in ihrem Haus von den | |
Militärs festgehalten. Über zwei Jahrzehnte kämpfte sie für Demokratie in | |
Birma und wurde dafür von ihrer Familie getrennt. Suu Kyi ist Trägerin des | |
EU-Menschenrechtspreises (1990) und des Internationalen | |
Willy-Brandt-Preises (2014). Amnesty International machte sie sogar zur | |
„Botschafterin des Gewissens“. | |
Jetzt, 26 Jahre nach Verleihung des Friedensnobelpreises, ist Suu Kyi | |
Regierungschefin von Birma. Doch über das, was in ihrem Land gerade | |
passiert, schweigt sie. Es ist ein Schweigen, über das viele entsetzt sind, | |
die sie einst bewunderten. Aus der furchtlosen Freiheitskämpferin scheint | |
eine skrupellose Komplizin des Militärs geworden zu sein. | |
Von der Grenze in Bangladesch aus kann man in Birma Dörfer brennen sehen. | |
Der Strom der Flüchtlinge, die auf Booten über den Grenzfluss oder das Meer | |
kommen, reißt nicht ab. Seit dem 25. August sind fast 400.000 Rohingya aus | |
Birmas westlichem Teilstaat Rakhine ins benachbarte Bangladesch geflohen. | |
Die Angehörigen der muslimischen Minderheit suchen Schutz vor einer | |
Militäroffensive. Sie berichten von Angriffen durch Soldaten, von | |
Vergewaltigungen, willkürlichen Tötungen und Brandstiftung. | |
## „Ethnische Säuberung“ | |
Ende August hatten aufständische Rohingya in einer koordinierten Aktion | |
fast 30 Polizeistationen und eine Kaserne angegriffen. Das birmesische | |
Militär schlug daraufhin mit voller Härte gegen alle Angehörigen der | |
Minderheit zurück. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, der Jordanier | |
Seid Ra’ad al-Hussein, verurteilte das Vorgehen und bezeichnete es als | |
„klassisches Beispiel für eine ethnische Säuberung“. | |
Suu Kyi ist zwar Regierungschefin Birmas, hat aber laut Verfassung keine | |
Befehlsgewalt über das Militär. Doch ihre Kommunikationsabteilung bestärkt | |
die Militärs mit einer Kampagne gegen die Rohingya. Zuletzt hat Suu Kyi | |
auch ihre Teilnahme an der UN-Generalversammlung abgesagt, wo sie sich | |
scharfer Kritik hätte stellen müssen. Stattdessen schickt sie ihren | |
Vizepräsidenten. | |
Mehr als 419.000 Menschen haben deshalb eine Onlinepetition unterzeichnet, | |
die im mehrheitlich muslimischen Indonesien gestartet wurde. Sie fordern, | |
Aung San Suu Kyi den Friedensnobelpreis abzuerkennen. „Nur die, die es | |
ernst meinen mit dem Weltfrieden, sollten mit einem solchen begehrten Preis | |
ausgezeichnet werden“, heißt es zur Begründung im Text der Petition. | |
Seit April 2016 lenkt Aung San Suu Kyi Birmas Regierung. Ihre Nationale | |
Liga für Demokratie fuhr 2015 nach einem halben Jahrhundert brutaler | |
Militärherrschaft einen Erdrutschsieg ein. Ein neues demokratisches | |
Zeitalter sollte beginnen. Doch es kam anders. | |
## Offener Brief | |
Die Petition gegen Suu Kyi wird ihr Ziel trotzdem nicht erreichen. Einen | |
Friedensnobelpreis wieder zu entziehen, das ist nicht vorgesehen. Der Preis | |
bezöge sich nur auf die vor der Zuerkennung erbrachten Leistungen, erklärte | |
der Direktor des Nobel-Instituts, Olav Njølstad, als Reaktion auf die | |
Kritik an Suu Kyi. | |
Bereits im Dezember wandte sich eine Gruppe von | |
Friedensnobelpreisträger-Kollegen in einem offenen Brief an Birmas | |
Regierungschefin. Darin warnten unter anderem Erzbischof Desmond Tutu und | |
die pakistanische Aktivistin Malala Yousafzai: „Es gibt internationale | |
Experten, die es für möglich halten, dass es sich um einen Genozid an den | |
Rohingya handelt. Das erinnert alles an Tragödien wie die von Ruanda, | |
Darfur, Bosnien und Kosovo.“ | |
Es gibt aber auch Menschenrechtler, die es falsch finden, dass sich die | |
Kampagne nun so sehr auf Suu Kyi konzentriert. „Es wirkt fast schon so, als | |
würde Suu Kyi persönlich Menschenrechtsverletzungen begehen“, erklärt U | |
Kyaw Win vom Burma Human Rights Network. Stattdessen sollte die | |
internationale Gemeinschaft die militärische Führung angreifen. | |
Denn die bestimmten die Spielregeln für die Demokratisierung in Birma. Ein | |
Verfassungsrechtler, der daran rütteln wollte, wurde im Januar am | |
helllichten Tag erschossen. Die Spur zu den Tätern verläuft sich in | |
Militärkreisen. | |
Am Freitag äußerte sich Suu Kiy nach Angaben des US-Senators Mitch | |
McConnell zum ersten Mal zu den verfolgten Rohingiya. In einem | |
Telefongespräch mit ihm habe sie versichert, sich für den „sofortigen und | |
verbesserten Zugang für humanitäre Hilfe“ in der von dem Konflikt | |
betroffenen Region einzusetzen. | |
15 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Verena Hölzl | |
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