# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Kim lässt nicht kicken | |
> Bei der Universiade macht Nordkorea beim Männerfußball nicht mit. Warum? | |
> Als Zeichen des Boykotts? Oder ist Kim Jong Un beleidigt? | |
Bild: Die nordkoreanische Delegation bei der Universiade: keine männlichen Fu�… | |
Nordkorea hat 1985 Gold im Männer-Fußballwettbewerb der Universiade | |
gewonnen, durch einen 1-0-Sieg über Uruguay im Finale. In diesem Jahr, 2017 | |
in Taiwan, war das Land bei den Studentenspielen nicht mit einer | |
Fußballmannschaft vertreten. Dabei war’s doch dabei. Mit zwölf | |
Goldmedaillen belegte Nordkorea Platz sieben der Nationenwertung dieser | |
Universiade. Hinter Japan und Südkorea, aber beispielsweise noch vor der | |
Volksrepublik China oder Deutschland. Nur eben im Fußball, sowohl dem der | |
Männer als auch dem der Frauen, haben die Kicker aus dem Reich der | |
unangemeldeten Atombombenversuche gefehlt. | |
Ein paar Interpretationen sind denkbar, warum Nordkorea lieber fehlte, als | |
den grünen Rasen zu nutzen, um seine Rolle in der Staatenwelt | |
hervorzuheben. Eine erste Deutung könnte lauten: Die Universiade ist ja ein | |
Studentensportfest, das die Fédération Internationale du Sport | |
Universitaire in enger Abstimmung mit dem Internationalen Olympischen | |
Komitee veranstaltet. Und gerade der Fußballsport ist in Nordkorea ja an | |
die Betriebe gekoppelt, und nicht an die Universitäten. Gegen diese Lesart | |
spricht aber einiges, nicht zuletzt der Umstand, dass das Land schon | |
häufiger teilgenommen hat. Und mit dem IOC will es sich ja auch nicht | |
verkrachen, an Olympischen Spiele hat das Land in den vergangenen | |
Jahrzehnten immer teilgenommen. | |
Also muss eine zweite Theorie her: Nach dem Triumph 1985 ging es sportlich | |
mit dem nordkoreanischen Männerfußball bergab. 1987 wurde noch Platz drei | |
erspielt, 1991 Platz sechs, seither haben die Männer nicht mehr | |
teilgenommen. Diese Theorie läuft also auf eine Art Beleidigtsein hinaus. | |
Doch so schwachbrüstig, wie diese Theorie erscheint, ist sie auch. Um Ehren | |
bei Welt- und Asienmeisterschaften hat sich das Land ja auch regelmäßig | |
bemüht, ohne dass ein Titel herausgesprungen wäre. Und im Frauenturnier | |
funktioniert die Die-sind-ja-nur-beleidigt-Theorie überhaupt nicht: Drei | |
Teilnahmen, 2001, 2003 und 2007 – das erste Mal Fünfter und danach beide | |
Male Gold. | |
Versuchen wir es mit einer weiteren Deutung: Zu den Teilnehmerländern | |
gehörten in diesem Jahr auch so vermeintlich böse Mächte wie die USA, | |
Südkorea oder Großbritannien, und denen wollte die – hier sei der korrekte | |
Name des Landes genannt – Demokratische Volksrepublik Korea eher aus dem | |
Weg gehen. Diese Interpretation setzt auf politische Aspekte: Es wäre ja | |
eine Art Boykott. Doch was nutzt so ein Boykott, wenn er weder als solcher | |
mitgeteilt wird noch konsequent durchgezogen wird – schließlich haben | |
nordkoreanische Sportler und Sportlerinnen sich ja an anderen | |
Universiade-Wettbewerben fleißig beteiligt. Politische Wirkung lässt sich | |
so nicht erheischen. | |
## Beim Fußball kann man sich gut blamieren | |
Es bleibt nur eine letzte Deutung übrig, und die passt sowohl zum | |
sportlichen als auch zum politischen Selbstbild der nordkoreanischen | |
Führung: Die Universiade ist für den großen Fußball, den die Volksrepublik | |
der Welt zu schenken bereit ist, schlicht zu popelig. Wurde das | |
fußballerisch und moralisch so hochstehende Kollektiv nicht 2011 unter dem | |
billigen Vorwand des Dopings geschmäht und aus dem imperialistischen | |
Territorium (in dem Fall dem WM-Austragungsland Deutschland) verjagt? | |
Anders gesagt: Weil die nordkoreanische Führung den Fußball für ihre | |
machtpolitischen Zwecke nutzen möchte, blieb sie lieber von der Universiade | |
fern. Denn anders als in einer eher berechenbaren Sportart wie dem | |
Wasserspringen – wo dem Land fünf Goldmedaillen gelangen – besteht ja beim | |
Fußball nicht nur die Möglichkeit, groß rauszukommen, sondern eben auch die | |
wunderbare Chance, sich zu blamieren. | |
Wer also den Sport nutzen will, um seine Größe und Weltmacht zu beweisen, | |
sollte sich gerade nicht die Sportart Fußball aussuchen. Der Fußball sperrt | |
sich gegen politische Instrumentalisierung, und seine große politische | |
Kraft entfaltet dieser Sport immer nur dann, wenn er nichts anderes ist als | |
Fußball. Also kann er gerade da nicht politisch wirken, wo Mächtige, selbst | |
wenn sie Kim Jong Un heißen und auch so aussehen, dies mit aller Macht, | |
meinetwegen auch: mit aller Atommacht versuchen. | |
14 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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