# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: Fußballerische Raketenkrise | |
> Indonesien darf nicht an der Fußball-WM 2018 teilnehmen. An der | |
> Asienmeisterschaft 2019 auch nicht. Das weckt Erinnerungen. | |
Bild: Kein Spiel für ihn: Fan der indonesischen Nationalmannschaft | |
Droht ein neues 1962? Nicht gerade eine Kuba-, aber sehr wohl eine | |
Indonesienkrise? Indonesien darf nämlich nicht an der Fußball-WM 2018 | |
teilnehmen, an der Asienmeisterschaft 2019 auch nicht. Das ist eine Folge | |
der Fifa-Sperre, die verhängt wurde, wie der Weltfußballverband das immer | |
macht, wenn sich Regierungen um Belange des Verbandsfußball kümmern. | |
1962 richtete Indonesien in Jakarta die 4. Asienspiele aus. Doch das IOC, | |
das ja so eine Art Fifa für die übrigen Sportarten ist, entzog den | |
Asienspielen damals das Patronat und mahnte alle teilnehmenden Länder ab. | |
Grund war, dass Israel und Taiwan nicht zu den Asienspielen zugelassen | |
waren. | |
So ging das sportpolitische Pendant zur Kubakrise los: Indonesien, | |
finanziell unterstützt von der Volksrepublik China, rief bald nämlich die | |
Ganefo aus, die „Games of the Emerging Forces“, Spiele der aufstrebenden | |
Mächte. Sie waren eine offene Kampfansage an das IOC und die | |
Weltsportverbände. Wer will, kann auch von Kriegserklärung sprechen. | |
Indonesiens Diktator Sukarno nannte die Olympischen Spiele ein „Werkzeug | |
des Imperialismus“. | |
48 Länder beteiligten sich im November 1963 an Ganefo. Die Sportler kamen | |
aus der Sowjetunion und China, aus Argentinien und Brasilien, aus Pakistan | |
und Saudi-Arabien, sogar aus Belgien, Finnland, Frankreich, Italien und den | |
Niederlanden nahmen Sportler teil, die sich selbst als links und | |
fortschrittlich verstanden. | |
Das IOC schloss alle Athleten, die an Ganefo teilnahmen, von den | |
anstehenden Olympischen Spielen 1964 in Tokio aus. Das hatte zur Folge, | |
dass aus der Sowjetunion und den meisten anderen Teilnehmerländern nur die | |
sogenannte zweite Garnitur anreiste. Das wiederum schwächte den sportlichen | |
Wert deutlich: Nur eine Läuferin aus Nordkorea war in Jakarta 1963 | |
schneller als die Goldmedaillengewinnerin von Tokio. Und auch bei den | |
zweiten Ganefo, sie fanden 1966 in Kambodscha statt – es nahmen immerhin | |
noch 37 Länder teil –, war ein chinesischer Hochspringer besser als der | |
Sieger 1964. | |
Ausgangspunkt aller Planungen für Ganefo war der Fußball. Schon für die | |
Fußball-WM 1958 in Schweden zog sich Indonesien aus der Qualifikation | |
zurück, weil es in Israel gegen die Mannschaft des jüdischen Staates hätte | |
spielen sollen. | |
Und bei den Asienspielen 1962, die ohne Israel und Taiwan stattfanden, fiel | |
Gastgeber Indonesien gerade beim Fußballturnier unangenehm auf. Die | |
indische Mannschaft, die – größter Erfolg der Landesgeschichte! – das | |
Fußballturnier gewann, wurde „wie eine feindliche Nation“ behandelt, wie | |
die Zeitung Mumbai Mirror schreibt. Weil Indien sich dafür ausgesprochen | |
hatte, Indonesien die Asienspiele abzunehmen, hatte eine erzürnte | |
Menschenmenge im September 1962 Indiens Botschaft in Jakarta gestürmt. | |
Ganefo brach bald zusammen. 1967 sollte in Kairo eine dritte Auflage | |
stattfinden. Doch in China hatte die Kulturrevolution auch den | |
Leistungssport beendet, die Beziehungen der Volksrepublik zur Sowjetunion | |
waren zerrüttet, und Indonesiens Diktator Sukarno war gestürzt. Was aber | |
als Lehre bleibt, hat viel mit der Aktualität zu tun: Politisch motivierte | |
Ausschlüsse von Fußball-WMs oder Olympischen Spielen können eine Dynamik | |
lostreten, die alternative Modelle zu den aktuellen Sportmegaevents – wie | |
sympathisch oder unsympathisch auch immer – ermöglicht. | |
Aber die Kubakrise ist ja auch wieder aktuell. | |
18 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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