# taz.de -- Jugendfußball in Nord- und Südkorea: Diplomatisches Kicken | |
> Beim Sport kommen sich der Norden und der Süden Koreas näher. | |
> Nordkoreanische Jungs besuchen den Süden, um dort zu kicken. | |
Bild: Der Sportclub 25. April aus Nordkorea trifft auf die Jungspieler aus der … | |
CHUNCHEON taz | Es ist ein sonniger Herbstnachmittag in der | |
Provinzhauptstadt Chuncheon. Der Schiedsrichter pfeift das innerkoreanische | |
Nachwuchs-Derby an: Der Sportclub 25. April, ein Jugendverein des | |
nordkoreanischen Militärs, trifft auf die Jugendauswahl der südkoreanischen | |
Provinz Gangwon. Die Zuschauer auf den gut gefüllten Tribünen schwenken | |
euphorisch die Vereinigungsflagge, sie zeigt die gesamte koreanische | |
Halbinsel auf weißem Grund. Unabhängig vom Resultat wird es heute also nur | |
einen Sieger geben. | |
Das Auftaktspiel des Ari-Jugendfußballturniers mag zwar sportlich von | |
geringer Bedeutung sein. Für die wichtigste politische Annäherung des 21. | |
Jahrhunderts jedoch bildete es nicht weniger als den diplomatischen | |
Startschuss. Der Strippenzieher hinter den Kulissen sitzt nur wenige | |
Stunden vor Match-Beginn in einem urigen Lokal bei gegrilltem Fisch, | |
Rippchen und milchig-weißem Reiswein. Choi Moon Soon, Gouverneur der | |
bergigen Gangwon-Provinz im Osten der Halbinsel, ist ein volksnaher | |
Politiker mit jovialem Gestus. Wenn er lacht – und das tut er herzlich und | |
oft –, dann zeichnen sich tiefe Furchen in seine Wangen. Eben ein Typ, dem | |
man Vertrauen kann. | |
„Noch im letzten Jahr dachten die meisten, dass bald in Korea Krieg | |
ausbricht. Die Lage war mehr als angespannt. Ich war trotzdem davon | |
überzeugt, dass wir abseits der Politik durch gemeinsame | |
Sportveranstaltungen den Kontakt mit Nordkorea halten müssen“, sagt Choi. | |
Dabei haben die beiden Nachbarstaaten während des Höhepunkt der | |
Nuklearkrise de facto sämtliche diplomatischen Gesprächskanäle gekappt: | |
Trotz aller Widerstände hat sich Gouverneur Choi am 18. Dezember 2017 auf | |
den Weg nach Kunming in China gemacht, wo damals das Ari-Fußballturnier | |
ausgetragen wurde – mit Sponsorengeldern aus Südkorea und lokalen Teams aus | |
Usbekistan, Vietnam, Weißrussland und Nordkorea. | |
## Eine innerkoreanische Annäherung | |
Choi überreichte damals fernab der Öffentlichkeit dem Cheftrainer des | |
Sportclubs 25. April, Moon Ung, eine Einladung an Machthaber Kim Jong Un, | |
an den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang teilzunehmen. Nur zwei | |
Wochen später sagte Kim während seiner Neujahrsansprache zu, | |
nordkoreanische Athleten in den Süden zu schicken. | |
Die Spiele lösten schließlich eine innerkoreanische Annäherung aus, wie es | |
die Nachbarländer bislang noch nicht erlebt haben: Innerhalb weniger Monate | |
hielten beide Staaten drei Gipfeltreffen ab, im Dezember soll schließlich | |
mit Kim Jong Un erstmals ein nordkoreanischer Machthaber Seoul besuchen. | |
Zudem haben sie mit der Minenräumung ihrer Landesgrenze begonnen und wollen | |
noch innerhalb diesen Jahres das innerkoreanische Eisenbahnnetz | |
instandsetzen. Viele Experten sind sich einig, dass es jene | |
vertrauensbildenden Sportveranstaltungen waren, die den diplomatischen Ball | |
ins Rollen gebracht haben. | |
Im Stadion von Chuncheon sorgt mittlerweile eine K-Pop Girlband während der | |
Halbzeit mit Hotpants und Luftgitarren für Stimmung. Der 16-jährige Han | |
Song Min – Baseballcap, Daunenjacke und runde Nickelbrille – schaut vom | |
Oberring auf das Spektakel. „Ich bin heute gekommen, um meinen | |
Klassenkameraden anzufeuern“, sagt der Oberschüler. Ob er es gut findet, | |
dass heute seine Altersgenossen aus Nordkorea eingereist sind? „Ich denke, | |
solche Veranstaltungen führen dazu, dass sich die Beziehungen unserer | |
Länder verbessern. Das wird letztlich dabei helfen, dass wir uns eines | |
Tages wiedervereinigen“, sagt Schüler Han ein wenig einstudiert. | |
Die 84-jährige Yun Bok-su drei Reihen weiter blickt pessimistisch auf die | |
jüngste Annäherung mit dem Norden: „Mir geht der jetzige Kurs der Regierung | |
zu schnell“. Das Regime in Pjöngjang hat tiefe Narben in ihrer | |
Familiengeschichte hinterlassen: Yuns Eltern lebten während der | |
Kriegswirren der 50er Jahre im nördlichen Teil der Halbinsel. Seither hat | |
sie diese nie mehr wiedersehen können. | |
Die südkoreanische Regierung mag zwar noch kaum von Wiedervereinigung | |
sprechen, denn zu drastisch haben sich die beiden Länder in den letzten 70 | |
Jahren auseinanderentwickelt. Doch gemeinsame Sportveranstaltungen wie das | |
Ari-Turnier sind für Seoul ein wichtiger Stützpfeiler, um einen | |
nachhaltigen Frieden auf der Koreanischen Halbinsel aufzubauen. | |
Gouverneur Choi Moon Soon versucht alle politisch heiklen Fragen aus der | |
Sportdiplomatie rauszuhalten. „Ich habe Kim Jong Un bereits zweimal | |
getroffen – und bin mir sicher, dass er mit den westlichen Werten vertraut | |
ist. Nicht zuletzt, weil er seine Schulbildung in der Schweiz genossen | |
hat“, sagt Choi. „Ich glaube, wir müssen die langfristige Perspektive | |
sehen: Unser Ziel ist es doch, dass die 25 Millionen Nordkoreaner eines | |
Tages in den Genuss von Demokratie und freier Wirtschaft kommen.“ | |
Ein freie Atmosphäre lässt sich auch am Spielfeld durchaus erahnen: Nachdem | |
die nordkoreanischen Jugendlichen 3:1 gewonnen haben, kommen einige von | |
ihnen bereitwillig zu den Reportern. Ihre Trainer halten sich im | |
Hintergrund. Torschütze Cho Jeon Ryong, noch sichtlich außer Puste, sagt, | |
dass ihm die vielen Ballverluste in der zweiten Hälfte leidtun. Man sei | |
einfach „zu nervös“ gewesen. Ob er sich freue, einmal nach Südkorea | |
gekommen zu sein: „Und ob! Auf dem kurzen Weg hierhin habe ich erst | |
realisiert, wie nah wir überhaupt beieinander liegen“. | |
31 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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