# taz.de -- TV-Debatte der kleinen Parteien: Fünf Fäuste für ein Hallelujah | |
> Der Schlagabtausch von Linken, Grünen, FDP, CSU und AfD war rasanter als | |
> der am Vorabend. Wagenknecht und Weidel machten sich Komplimente. | |
Bild: Nitsche und Mikich (links) moderieren Wagenknecht, Özdemir, Herrmann, Li… | |
BERLIN taz | Beim [1][TV-Duell zwischen Angela Merkel und | |
SPD-Herausforderer Martin Schulz] wurde zu wenig über Zukunftsthemen | |
gesprochen? In der Rückrunde der fünf kleinen Parteien am Montagabend in | |
der ARD wollten es die Moderatoren Sonia Mikich und Christian Nitsche | |
besser machen und stiegen gleich mal mit dem Thema Digitalisierung ein. | |
Wie die FDP Deutschland digitaler machen wolle, so die erste Frage an deren | |
Spitzenkandidaten Christian Lindner. Lindner hüpfte dankbar auf das | |
Sprungbrett und räumte gleich mal ab. Die anderen vier Gäste – Sahra | |
Wagenknecht (Linkspartei), Cem Özdemir (Grüne), Joachim Herrmann von der | |
CSU und Alice Weidel von der AfD – konnten nur noch zustimmen: | |
Digitalisierung fänden sie auch gut. Genauso wie Bildung. | |
Die Einmütigkeit der ersten Minuten wurde jedoch rasch zerstreut. Insgesamt | |
war die Debatte zwischen den fünf Parteien lebhafter und kontroverser als | |
das Duell zwischen Kanzlerkandidat und Kanzlerin am Vorabend. Was auch zu | |
erwarten war: die inhaltliche Spannbreite bei einem solchen Podium ist viel | |
größer als in der Groko. Dafür liegen die Umfragewerte ziemlich dicht | |
beisammen. Die vier Parteien, die nicht in der Regierung sind, liegen beim | |
Rennen um Platz drei derzeit Kopf an Kopf. Die Debatte bot den potentiellen | |
Juniorpartnern auch die Gelegenheit, sich inhaltlich zu profilieren und | |
Unterschiede deutlich zu machen. | |
Bei Themen wie Mietpreisbremse, Rente, Einwanderung oder Fahrverbote für | |
Diesel-Autos ging es richtig zur Sache. Interessant war dabei nicht nur, | |
wie sich die Spitzenkandidaten voneinander absetzten, sondern wer wem in | |
welchem Punkt beipflichtete. | |
Als Sahra Wagenknecht von der Linkspartei beim Thema steigende Mieten auf | |
ihr Lieblingsgebiet abbog, nämlich die Kritik an der Privatisierung | |
öffentlicher Daseinsvorsorge, stöhnten sowohl Alice Weidel von der AfD als | |
auch Christian Lindner von der FDP gequält auf. „Soll ich antworten?“, | |
sprach sich Weidel mit Lindner ab. | |
## Die Spannung kam am Ende | |
Für die AfD-Spitzenkandidatin und ehemalige Goldman-Sachs-Analystin ist | |
sozialer Wohnungsbau allenfalls ein Mittel, um kurzfristig Engpässe zu | |
überwinden. „Langfristig müssen wir das dem Gleichgewicht des Marktes | |
überlassen“, so Weidel. Schöner hätte Lindner es nicht formulieren können. | |
Beim Thema Diesel waren sich CSU und AfD dagegen einig in ihrer Haltung | |
gegen die Grünen – es soll keine Fahrverbote geben. Die AfD fordert gar | |
eine Bestandsgarantie für Dieselfahrzeuge bis 2050. | |
Der spannendste Teil der 75-minütigen Diskussion folgte allerdings im | |
letzten Teil. Jeder durfte jedem eine Frage stellen. | |
## Von Lindner wollte niemand etwas wissen | |
Lindner wollte von Özdemir wissen, was der davon halte, in Deutschland | |
Atomwaffen abzuziehen, wo doch Russland gerade aufrüste. Dass man in dieser | |
Frage schon häufiger gestritten hatte, davon zeugte der vertraute Duz-Ton | |
zwischen den beiden. | |
Özdemir fragte Herrmann nach dem Verbot von Kohlekraftwerken, das die CSU | |
blockiert. Herrmann wollte von Özdemir wissen, warum grüne Regierungen in | |
Berlin oder Hamburg Hausbesetzer gewähren ließen. In die Hausbesetzer hatte | |
sich Herrmann verbissen, da wurde er leidenschaftlich. Dass Politiker nach | |
ihrer politischen Karriere in die Wirtschaft wechseln, sah er dagegen nicht | |
als Problem an. „Transparent muss es sein.“ Schröder wird es ihm danken. | |
Von Lindner wollte niemand etwas wissen. Zumindest in dieser Runde. | |
## Wagenknecht wagte sich aufs Glatteis | |
Weidel und Wagenknecht lobten sich gegenseitig. Weidel wandte sich an | |
Wagenknecht: Wenn es um die Flüchtlingspolitik ginge, sei sie ja die | |
vernunftorientierte Person in ihrer Partei. Wagenknecht wies Weidel zwar | |
schnell zurecht, das Lob könne sie sich schenken. Sie behauptete allerdings | |
auch, die Forderung ihrer Partei nach offenen Grenzen für alle sei eine | |
Zukunftsversion. Momentan könne man aufgrund des Wohlstandsgefälles nicht | |
alle Menschen reinlassen. | |
Der Vorschlag für ein Einwanderungskonzept, den ostdeutsche | |
Linksparteipolitiker kürzlich erarbeitet haben, sagt das Gegenteil. | |
Wagenknecht wagte sich sogar noch weiter aufs rechte Glatteis, indem sie | |
Weidel zugute hielt: „Vieles, was Sie gesagt haben, ist ja durchaus ein | |
Teil des demokratischen Diskurses. Das ist nicht meine Meinung, aber man | |
kann darüber reden.“ Kurz zuvor hatte Weidel sich dafür ausgesprochen, | |
Bahnhöfe künftig von Soldaten überwachen zu lassen, um unkontrollierte | |
Einwanderung einzudämmen. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern – eine | |
konservative diskursfähige Position? | |
## Ein Omen ist das nicht | |
Aber auch die KandidatInnen der anderen Parteien machten beim Thema | |
Einwanderung keine glänzende Figur. Nicht nur, dass Weidel unwidersprochen | |
Unsinn reden durfte, von Minuseinwanderung sprach (wir sollen schrumpfen?) | |
und etwa behauptete, nur 0,5 Prozent der Menschen, die nach Deutschland | |
gekommen seien, seien asylberechtigt (Das kann höchstens stimmen, wenn man | |
jede Schüleraustauschgruppe aus Grenoble als Einwanderer zählt, ansonsten | |
hat das BAMF im vergangenen Jahr 36 Prozent der Asylanträge anerkannt). | |
Kurzzeitig entbrannte auch ein Wettstreit darüber, wer am wirkungsvollsten | |
abschiebt – von „schneller abschieben“ (Herrmann) bis zu Özdemirs „Wir | |
schieben die Falschen ab“. | |
Die beiden ModeratorInnen, die ansonsten auch mal Behauptungen richtig | |
stellten, blieben hier blass. Wie strenge Zuchtmeister achteten sie darauf, | |
dass die Redezeit ungefähr gleich verteilt war. Wenn es danach gegangen | |
wäre, hätte die Linke diese Auseinandersetzung nach 60 Minuten klar | |
gewonnen, gefolgt von CSU, Grünen, FDP und AfD. | |
Ein Omen für die Bundestagswahl ist das nicht. Wer beim Rennen um Platz | |
drei tatsächlich vorn liegt, wird man wohl erst sehr spät am Abend des 24. | |
September erfahren. Klar ist aber: Es geht bei der Bundestagswahl auch um | |
eine Richtungsentscheidung, je nachdem welche Parteien Juniorpartner | |
werden. Das hat der Fünfkampf deutlich gemacht. | |
5 Sep 2017 | |
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[1] /TV-Duell-zur-Bundestagswahl-2017/!5444327 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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