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# taz.de -- Korruption bei der Olympia-Vergabe: Höchst komplexes Schema
> Die brasilianische Justiz reagiert mit einer Razzia auf den Verdacht,
> dass vor der Vergabe der Olympischen Spiele an Rio IOC-Funktionäre
> bestochen wurden.
Bild: (K)ein Ehrenmann? Carlos Arthur Nuzman soll Bestechungsgelder weitergelei…
Rio de Janeiro taz | Der Verdacht steht dank französischer Ermittlungen
schon seit geraumer Zeit im Raum. Am Dienstag nun heftete sich die
brasilianische Justiz mit einer großen Razzia auf die Spur eines großen
Bestechungsskandals rund um die Olympiaentscheidung für Rio de Janeiro.
Beamte der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft durchsuchten mehrere
Wohnungen und Büros, unter anderem des Nationalen Olympischen Komitees
Brasiliens. Um den Zuschlag der Spiele im Jahr 2016 zu bekommen, sollen
brasilianische Sportfunktionäre und Unternehmer mehrere IOC-Mitglieder vor
allem aus Afrika bestochen haben.
Carlos Arthur Nuzman, Cheforganisator der letzten Olympischen Spiele und
Vorsitzender des brasilianischen NOKs, wurde zum Verhör mitgenommen und
musste seinen Pass abgeben. Er soll nach Ansicht der Ermittler das
Verbindungsglied zwischen den Geldgebern und den Bestechungsempfängern
gewesen sein. Allein zwei Millionen US-Dollar sollen an den Sohn des
senegalesischen IOC-Mitglieds Lamine Diack geflossen sein, der lange Jahre
auch dem Weltleichtathletikverband vorstand.
Ermittler aus Frankreich beteiligten sich an den Polizeirazzien in
Edelvierteln von Rio de Janeiro. In Paris wird wegen mutmaßlicher
Bestechung bei der Olympiavergabe an Rio bereits seit Juni vergangenen
Jahres ermittelt. Einer der verdächtigten Unternehmer lebt in Miami und
wird nun per Interpol gesucht. Im Rahmen der „Operation Unfair Play“ wurden
laut Presseberichten mehrere Luxusautos und Kleinflugzeuge beschlagnahmt.
## Unzählige Korruptionsverfahren
Die Millionen Bestechungsgeld sollen nach Angaben aus Ermittlungskreisen
aus dem riesigen Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern
Petrobras und andere Großunternehmen stammen. Der damalige Gouverneur von
Rio de Janeiro, Sérgio Cabral, schusterte den verdächtigten Unternehmen
offenbar höchst lukrative Aufträge zu. Der Überschuss aus diesen Geschäften
floss demnach über Umwege auf die Konten von IOC-Funktionären und Cabrals
korrupten Politikerclique.
Cabral – der 10 Millionen US-Dollar eingesteckt haben soll – hat unzählige
Korruptionsverfahren am Hals, ist bereits einmal zu 14 Jahren Haft
verurteilt worden und sitzt seit Ende des letzten Jahres im Gefängnis. Der
Skandal, der die gesamte politische Klasse Brasiliens betrifft, hat das
Land in eine schwere politische und wirtschaftliche Krise gestürzt. Auch
Präsident Michel Temer, wie Cabral Mitglied der Partei PMDB, steht im
Verdacht, hohe Bestechungssummen für die Vergabe staatlicher Aufträge
kassiert zu haben.
Die Enthüllungen im Olympia-Skandal zeigen nach Meinung der
Staatsanwaltschaft, dass Cabrals kriminelle Organisation ein „höchst
komplexes, internationales Korruptionsschema“ betrieb. Für die
leidgeplagten Menschen in Rio ist dies keine Überraschung. Seit Ende des
Olympiarauschs vor gut einem Jahr bezahlen sie die Zeche für ein
Sportereignis, das zwar trotz Pannen in der Vorbereitung recht gut über die
Bühne ging, doch eigentlich von niemanden so richtig gewollt war.
Der Bauboom, der viele Jobs hervorbrachte, ist längst vorbei. Jetzt ist die
Stadt und der Bundesstaat Rio de Janeiro pleite. Lehrer, Polizisten und
andere Angestellte im öffentlichen Dienst müssen monatelang auf ihre
Gehälter warten. Einige Krankenhäuser und Universitäten können ihren
Betrieb kaum aufrechterhalten.
## IOC-Vollversammlung überschattet
Nur ein milliardenschweres Hilfspaket, das die Bundesregierung diese Woche
schnürte, verhindert den Bankrott. Dafür musste Cabrals Nachfolger Luiz
Fernando Pezão (ebenfalls PMDB) weitere Kürzungen, Sparmaßnahmen und die
Deckelung öffentlicher Ausgaben zusagen.
Derweil verrottet ein großer Teil der olympischen Bauten, die fast alle
überteuert waren und gerade noch rechtzeitig zu den Spielen fertig wurden.
Das Olympiadorf, in dem die Athleten unterkamen, steht größtenteils leer.
Viele der neu gebauten Sportanlagen, unter anderem im Olympiapark, sind bis
heute ungenutzt. Und die Bauarbeiten an der letzten Station der für Olympia
gebauten U-Bahn-Linie 4 sind seit Wochen unterbrochen.
„Auch wenn die Probleme natürlich schon vorher angefangen haben, bleibt der
Eindruck, dass es bei uns seit den Spielen bergab geht“, sagt der
Sportlehrer Romeo Cruz. Während der Spiele schaute er sich sechs
Wettbewerbe an und war begeistert. Heute würde er keiner Stadt raten, sich
um Olympia zu bewerben.
Die Skandalnachricht aus Rio de Janeiro wird die IOC-Vollversammlung, die
nächste Woche in Peru stattfinden sollt, überschatten. Dort soll auch die
Vergabe der Spiele 2024 nach Paris und für 2028 nach Los Angeles abgesegnet
werden. Derweil prüfen französische Staatsanwälte, ob es nicht auch bei der
Vergabe der Spiele 2020 an Tokio mit unrechten Dingen zuging.
6 Sep 2017
## AUTOREN
Andreas Behn
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