| # taz.de -- Doping bei den Sommerspielen 2008: Die perfekte Ausrede | |
| > Die Welt-Anti-Doping-Agentur plädiert dafür, dass Clenbuterol in | |
| > Sportlerkörpern schon mal auftauchen darf. Und liefert Sportlern ein | |
| > Alibi. | |
| Bild: Usain Bolt (l.) und Co: Bislang ist von Jamaikas Goldgewinnern 2008 nur N… | |
| Es ist ein interessantes Bekenntnis, das die Welt-Anti-Doping-Agentur unter | |
| dem Druck der Ermittlungen der ARD-Dopingredaktion ablegte. | |
| Wada-Generaldirektor Olivier Niggli erklärte, Fleischkontamination sei | |
| eine „perfekte Ausrede“, wenn man als Athlet mit der verbotenen Substanz | |
| Clenbuterol im Urin erwischt werden würde, aber so sei das eben. Und in | |
| einer offiziellen Stellungnahme forderte die Wada am Sonntag letztlich, | |
| dass diese Ausrede künftig offiziell anerkannt werden muss. | |
| Die Kontaminierung von Fleisch mit dem Kälbermastmittel Clenbuterol sei in | |
| einigen Ländern, vor allem in China, so hoch, dass es seit 2010 in | |
| Hunderten Fällen zu auffälligen Werten und Sanktionen gekommen sei. Es sei | |
| für die Athleten „unzumutbar“, ihre Unschuld zu beweisen, argumentierte die | |
| Wada. Zumal wenn der Zeitpunkt schon mehrere Jahre zurückliege. Man werde | |
| aber weiterhin in die Forschung investieren, um die pharmakologische | |
| Zuführung von Clenbuterol sanktionierbar zu machen. | |
| Die Wada ist in die Offensivverteidigung gegangen, nachdem dieARD am | |
| Sonntag enthüllte, dass das Internationale Olympische Komitee in | |
| Zusammenarbeit mit der Wada clenbuterolhaltige Dopingproben von den | |
| Olympischen Spielen 2008 in Peking, die intern erst bei Nachtests im Jahr | |
| 2016 aufgeflogen waren, verschwiegen und nicht weiterverfolgt hatte. | |
| Nach dem Wada-Reglement hätte dies nicht passieren dürfen. Bislang gibt es | |
| keinen Grenzwert für das Präparat, das für erstaunlichen Muskelzuwachs und | |
| eine schnellere Fettverbrennung sorgt. Die Einnahme von Clenbuterol ist | |
| auch in geringsten Mengen verboten und für die Anti-Doping-Kämpfer | |
| verfolgungspflichtig. | |
| Althergebrachtes Dopingmittel | |
| Ähnlich wie die Wada versuchte auch das IOC gegenüber der ARD im Nachhinein | |
| die Regeln so zurechtzubiegen, dass sie in Einklang mit den neuesten | |
| Enthüllungen zu bringen sind. Man gestand zwar ein, dass es leicht positive | |
| Proben gegeben habe, es handle sich aber um „sehr geringe | |
| Clenbuterolwerte“, die Sportler seien „unschuldig“. Belege für diese | |
| Schlussfolgerung, die eine Fleischkontaminierung nahelegt, hat aber weder | |
| das IOC noch die Wada vorgelegt. | |
| Der polnische Kanute Adam Seroczyński hatte seine nachgewiesene | |
| Clenbuteroleinnahme wenige Tage nach dem olympischen Wettkampf mit | |
| verunreinigtem Fleisch erklärt, was die damals untersuchende IOC-Kommission | |
| kurioserweise für „unglaubwürdig“ erachtete. Die 2016 aufgeflogenen | |
| positiven Dopingproben stammen vermutlich von wesentlich prominenteren | |
| Sportlern. Nach ARD-Recherchen können die auffälligen Urinproben | |
| jamaikanischen Sprintern zugeordnet werden. Die karibischen | |
| Kurzstreckenläufer, allen voran der 100-Meter-Weltrekordler Usain Bolt, | |
| beeindruckten damals mit für kaum möglich gehaltenen Leistungen. | |
| Der spanische Radprofi und zweimalige Tour-de-France-Sieger Alberto | |
| Contador führte im Jahr 2010 seine geringen Clenbuterolwerte ganz konkret | |
| auf ein Stück Rindfleisch zurück, dass ihm ein Freund des Teamkochs aus | |
| Spanien gebracht hatte. Selbst die genauen Angaben der Fleischerei in der | |
| Grenzstadt Irun halfen nichts; Contador wurde für zwei Jahre gesperrt. Und | |
| er musste viel Spott ertragen, weil er sich mit einem solch | |
| althergebrachten Dopingmittel, das schon der deutschen Sprinterin Katrin | |
| Krabbe 1992 zum Verhängnis wurde, beholfen hatte. | |
| Nach den jüngsten Verlautbarungen des IOC und der Wada könnte das | |
| Steinzeitdopingmittel wieder in Mode kommen. Wer kann schon bei den | |
| Leistungsmessen auf die perfekte Ausrede verzichten? | |
| 3 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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