# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: In der Krawall-Falle | |
> „Krieg dem DFB“ hieß die Protestankündigung zur neuen Saison. Die | |
> überzogene Kriegsrhetorik ist eine Steilvorlage für den Verband. | |
Bild: Krawall beim Pokalspiel Hertha BSC gegen Hansa Rostock | |
Wer in den letzten Wochen die Berichterstattung über deutsche Fankurven | |
gelesen hat, könnte schlussfolgern, der Fußball stünde vor einer Eskalation | |
von Kim Jong Un’schem Maß. „Krieg dem DFB“ rufen vollmundig verschiedens… | |
Gruppen organisierter Fans sowie ein vorher eher mäßig bekannter | |
Ruhrpottler Rapper. | |
Die Bild-Zeitung und der DFB wiederum brachten ihre verbalen Geschütze auf | |
Linie und philosophierten laut, ob der Normalo-Hansi denn noch riskieren | |
könne, ins Fußballstadion zu gehen („Wie gefährlich ist die | |
Kriegserklärung?“). | |
Eigentlich soll es ums große Ganze gehen, um den sogenannten modernen | |
Fußball: Zerstückelte Spieltage, Ablösesummen, die chinesische U20 in der | |
Regionalliga Südwest, Kollektivstrafen gegen Fans, dieses und jenes eben, | |
ein ganzes Paket. | |
Zusammengefasst in bislang über 30 Protestaktionen in Partien des | |
DFB-Pokals, der Zweiten und der Dritten Liga. Mal klug und lustig („Einmal | |
Kommerz süß-sauer?“, fragte man charmant subversiv beim 1. FC | |
Rielasingen-Arlen), meist mit eher eindimensionalen „Scheiß DFB“-Rufen. | |
Nun ist gegenseitige Eskalation selten produktiv für die Sache. Und | |
legitimer Protest dadurch schnell „diskreditiert“. So auch diesmal: Beim | |
Pokalspiel-Krampf von Hertha BSC gegen Hansa Rostock gab es Krawalle, bei | |
denen sich beide Fanlager mit Raketen und brennenden Gegenständen | |
attackierten; es ging offenbar um ein geklautes Hertha-Banner, das | |
branchenübliche martialische Getue also. | |
## Eine Steilvorlage für den DFB | |
„Absolut schädlich für die Anti-DFB-Bewegung“ klagte das Portal | |
[1][fussballmafia.de]. Für den DFB und die Bild-Zeitung sind solche | |
Krawalle ein Argument auf dem Goldteller, keine Fans mit an den Tisch holen | |
zu müssen. Nun hat die Protestbewegung zwar an den Ausschreitungen in | |
Rostock keine Schuld. Einen Schuss ins eigene Knie haben sich die Fans aber | |
mit dem Slogan „Krieg dem DFB“ geliefert. | |
Denn die völlig überzogene Kriegsrhetorik ist eine PR-Vorlage an Reinhard | |
Grindel. Irgendwo, irgendwann in einem Fußballstadion wird es immer Randale | |
geben. Der DFB brauchte nur abzuwarten, schon hat sich die | |
Kriegsprophezeiung erfüllt. Kritische Fans isolieren sich damit selbst: Dem | |
Gelegenheitsfan, der sich nicht zufällig drei Seiten von Ultra-Manifesten | |
durchliest, erschließt sich nicht, worum es geht. | |
Wer die Masse erreichen und gewinnen will, muss spezifisch und punktuell | |
fordern. Ein wilder Blumenstrauß aus sinnvoller wirtschaftlicher Kritik, | |
vage wütendem Traditionalismus und Hass auf „die da oben“ beim DFB hilft | |
nicht weiter. Wohin soll „Krieg dem DFB“ führen? Wer soll sich wofür an | |
einen Tisch setzen? | |
## Naiv-wütende Floskeln | |
Die Gruppe derer, die protestieren, ist zu divers; als gemeinsamer Nenner | |
bleiben oft nur Floskeln wie das naiv-wütende „Krieg dem DFB“. Und die | |
kritische Fanszene leidet auch ein wenig unter dem gleichen Problem wie die | |
G20-Proteste: Bei friedlichem Protest verändert sich wenig. Und Gewalt | |
hilft vor allem den anderen. Und natürlich sind viele Fans in ihrer | |
Kommerzkritik widersprüchlich: Hätte Schalke Neymar geholt, hätte der | |
Ruhrpott gejubelt, sagte kürzlich Christian Heidel. Er dürfte richtig | |
liegen. | |
Wird es also wüste Eskalationen in den Stadien geben, die die Bild-Zeitung | |
herbeifantasiert, oder friedliche Demos? Wahrscheinlich weder noch. Wenn | |
die ersten Spieltage gespielt sind und der Rauch sich verzogen hat, wird | |
man wieder über Lewandowski und Aubameyang und all das reden. Passieren | |
wird nichts. Kein Krieg gegen den DFB. Und auch sonst nicht viel. | |
15 Aug 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.fussballmafia.de/ | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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