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# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Genug gelabert, jetzt gibt's Pfefferspray
> In den 80ern galten Bengalos in Fußballstadien als schick - heute sind
> sie verboten. Statt auf Dialog mit den Ultras setzen DFB und DFL nun
> wieder auf die harte Tour.
Bild: Schön - aber verboten: Bengalos beim Pokalspiel Hoffenheim gegen Köln.
Stellen Sie sich eine Firma vor, die mit ihren treuesten Kunden einen
Dialog vereinbart, um bestimmte kundenfeindliche Hemmnisse aus dem Weg zu
räumen. Die Kunden setzen sich zusammen, befragen Experten, erarbeiten
Vorschläge und verzichten eine Weile sogar auf jede Reklamation.
Und dann treten die Firmenchefs vor die Kamera und verkünden: "Es hat
grundsätzlich nie die Bereitschaft gegeben, die Beschränkung zu lockern.
Sollte das nicht auf die Arbeitsebene durchgedrungen sein, müssen wir
Kommunikationsfehler eingestehen."
So geschehen vor drei Tagen, als die beiden obersten deutschen
Fußballfunktionäre Zwanziger (DFB) und Rauball (DFL) in bewährter
Basta-Manier die Hoffnung zahlreicher Fußballfans auf Legalisierung der
Pyrotechnik zerstörten. Genug gequatscht Jungs, jetzt zeigt euch Vaddern
mal, wo es langgeht!
Was bei jeder anderen Firma zu einem massiven Imageverlust geführt hätte -
im Konsortium DFL/DFB passt es nur zu gut ins Bild. Hier wird noch von oben
nach unten durchregiert und von der Kundschaft erwartet, dass sie das
Produkt Profi-Fußball in der von ihm zurechtgestutzten Form konsumiert.
## Spahn weiß, was Ultras wollen
Die "Arbeitsebene", zu der etwas nicht durchgedrungen sein soll und die
sich zu weit in den Dialog mit den Fans gewagt hat, heißt Helmut Spahn und
war bis zum Sommer Sicherheitschef des DFB. Spahn stand nie im Verdacht,
womöglich als 5. Kolonne der Ultras in der DFB-Zentrale zu sitzen. Als eine
seiner letzten Amtshandlungen, bevor er einen neuen Job in Katar antrat,
rüffelte er die Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt für den seiner
Meinung nach zu laxen Umgang mit gewaltbereiten Fans.
Aber anders als die Leitungsebene seiner Firma hat Spahn begriffen, welche
Bedeutung das Zünden von bengalischen Feuern für die Ultra-Szene hat. "Wir
lieben es, wenn die Kurve in einem Meer aus Farben untergeht", heißt es in
dem Aufruf "Pyrotechnik legalisieren - Emotionen respektieren", den über 50
Ultra-Gruppen unterschrieben haben. Auch deutsche TV-Zuschauer und
-kommentatoren feierten die Leuchtfeuer in den italienischen Stadien der
80er Jahre. "Der Betze brennt", hieß es bewundernd, als man das Spektakel
auch hier zu sehen bekam.
## Jede Menge Vorschläge der Ultras
Die 50 Ultra-Gruppen haben nicht nur einen Aufruf unterschrieben. Sie
setzten sich mit der Arbeitsebene von DFB und DFL an einen Tisch und
machten jede Menge Angebote. Sie versprachen das ausschließlich
kontrollierte Abbrennen der bengalischen Feuer zu vorher angekündigten
Zeiten.
Sie wollten die Personen namentlich benennen, die geschult mit der
Pyrotechnik hantieren und nur Material mit einem offiziellen deutschen
Prüfsiegel benutzen. Und sie hielten sich an ein selbst auferlegtes
Moratorium an den ersten fünf Bundesligaspieltagen.
Helmut Spahn hat sich das angehört. Selten gab es so viel Hoffnung
aufseiten der Ultras, mit ihren Interessen ernst genommen zu werden, ohne
Krawall machen zu müssen. Die hat die Führungsebene des deutschen Fußballs
nun im Handstreich beendet. Künftig schickt der DFB nicht mehr seine
Experten, sondern gleich die Polizei mit Pfefferspray in die Kurven. Nützen
wird das nur denen, die sowieso den Krawall mehr lieben als die Farben.
4 Nov 2011
## AUTOREN
Ralf Lorenzen
## TAGS
Fußball
Schwerpunkt Überwachung
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