# taz.de -- Überwachung im Stadion: Vermessene Vermessung | |
> Der CDU-Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, will | |
> Gesichtsscanner in Stadien einsetzen. Das ist selbst der | |
> Polizei-Gewerkschaft GdP zu viel. | |
Bild: In Mecklenburg-Vorpommern müssen diese Fußballfans vielleicht bald ihr … | |
Es sei beängstigend, sagt Philipp Markhardt, wenn jemand in einer | |
Demokratie solche Gedanken habe. "Das ist komplett antidemokratisch." | |
Markhardt, Fan des HSV und Sprecher der Initiative ProFans, echauffiert | |
sich über Lorenz Caffier, CDU-Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern. | |
Caffier, seit Jahresbeginn auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz, | |
lässt derzeit in einer Machbarkeitsstudie prüfen, ob Gesichtsscanner am | |
Stadioneingang zum Einsatz kommen dürfen. Es gehe nicht um die Erfassung | |
aller Besucher eines Fußballspiels, rechtfertigt sich Caffier, "die Bilder | |
sollen mit Daten schon erfasster Straftäter abgeglichen werden, um sie so | |
fernzuhalten". | |
Caffier will in erster Linie "Gewaltchaoten" und "Pyromanen" aussortieren. | |
"Mir geht es allein darum, dieses Gefahrenpotenzial durch den Einsatz | |
moderner Technik zu verringern, zum Nutzen der übergroßen Mehrheit der | |
Besucher." | |
## Die rechtsextreme Szene ist ein wichtigeres Problem | |
Markhardt, Mitglied der Hamburger Ultra-Gruppierung Chosen Few, hält das | |
für Populismus und rät Caffier, sich lieber um wichtigere Probleme in | |
Mecklenburg-Vorpommern zu kümmern - die rechtsextreme Szene, die etwa in | |
dem Dörfchen Jamel ihre Bratwürste auf einen Grill mit der Gravur "Happy | |
Holocaust" lege. "Das sind die wahren Probleme, nicht wir Fußballfans", | |
findet Markhardt. | |
Ähnlich sieht es der Fanbeauftrage von Borussia Dortmund, Jens Volke. "Der | |
Fußball wird von Sicherheitspolitikern benutzt, um auch mal eine Bühne zu | |
finden", sagte er unlängst auf dem Fankongress in Berlin. | |
Caffier wird in der Innenministerkonferenz unterstützt von seinen | |
Stellvertretern und CDU-Parteikollegen Uwe Schünemann (Niedersachsen) und | |
Boris Rhein (Hessen). Sie setzen gleichfalls auf Repression. Rheins Idee: | |
Künftig sollen die Arbeitgeber gewaltbereiter Fans über die Verfehlungen | |
ihrer Mitarbeiter informiert werden, bei jugendlichen Tätern sollen die | |
Lehrer Bescheid bekommen. Ganz ähnlich Schünemann: Er spricht sich wie die | |
Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) für lebenslange Stadionverbote aus. | |
## Sensible Orte wie Fußballstadien und Friedhöfe | |
Mitglied der Innenministerkonferenz ist auch Reinhold Gall (SPD) aus | |
Baden-Württemberg. Im vergangenen Jahr stoppte er einen geplanten | |
Feldversuch mit Gesichtsscannern im Stadion des Karlsruher SC. | |
Eine kleine Anfrage der Grünen-Landtagspolitiker Alexander Salomon und | |
Wilhelm Halder zu dem Projekt "Parallele Gesichtserkennung in Videoströmen | |
(PaGeVi)" des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) beantwortete Gall: | |
"Da beim Einsatz (des Scanners) personenbezogne Daten (automatisch) | |
erhoben, verarbeitet und genutzt werden, bedarf es dafür jeweils einer | |
Rechtsgrundlage oder einer datenschutzrechtlichen Erfordernissen genügenden | |
Einwilligung der Betroffenen." Das Polizeigesetz enthalte keine derartige | |
Rechtsgrundlage. Besondere Vorsicht sei beim Einsatz dieser Techniken an | |
"sensiblen" Orten wie Fußballstadien, Friedhöfen oder Flughäfen geboten, | |
warnt Gall. | |
## Ablehnung allerorten | |
"Das Projekt Gesichtserkennung erinnert mich an George Orwell, es ist | |
unverhältnismäßig und ein Eingriff in persönliche Freiheiten", sagt | |
Fanvertreter Markhardt. Ein mulmiges Gefühl beim Thema Gesichtsscanner | |
haben aber nicht nur Fußballfans. | |
Auch der Chef der Deutschen Fußball-Liga Reinhard Rauball findet den | |
Einsatz dieser Hightech-Überwachungsmethose fragwürdig. "Alle Zuschauer vor | |
einem Spiel zu scannen - das ist aus meiner Sicht weder zumutbar für die | |
überwältigende Mehrheit der friedlichen Fußballfans noch praktikabel für | |
die Vereine", sagt Rauball. | |
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP), nicht zu verwechseln mit der | |
DPolG, lehnt die Pläne ab. "Es ist Irrsinn, ein Sicherheitssystem | |
aufzubauen, das nur über totale Überwachung funktioniert, insbesondere wenn | |
eine Rechtsgrundlage fehlt", wird GdP-Chef Bernhard Witthaut in einem | |
Interview zitiert. Es sei doch bezeichnend, sagt Philipp Markhardt, wenn | |
selbst die GdP "so was ablehnt". | |
3 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
Fußball | |
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