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# taz.de -- „Ende Gelände“-Camp gegen Braunkohle: Aufrüstung im Rheinland
> Ein 6.000-Leute-Camp wurde erst auf den letzten Drücker genehmigt. Das
> Innenministerium befürchtet Ausschreitungen wie bei G20.
Bild: Braunkohle-Gegner*innen im August 2015 im Braunkohletagebau Garzweiler in…
Berlin taz | Eines ist jetzt schon sicher: Das werden die größten
Braunkohle-Proteste, die Nordrhein-Westfalen je erlebt hat. Über 6.000
TeilnehmerInnen erwarten die Veranstalterinnen zum diesjährigen Klimacamp,
das am kommenden Freitag zunächst mit einem Bildungsprogramm beginnt, bevor
dann vom 24. bis 28. August diverse Protestaktionen rund um die rheinischen
Tagebaue und Kraftwerke des Energiekonzerns RWE stattfinden sollen. Polizei
und Behörden gehen von einer ähnlichen Größenordnung aus.
Zur Frage, was genau bei den Protesten ansteht, gehen die Einschätzungen
hingegen weit auseinander. Das nordrhein-westfälische Innenministerium,
seit Kurzem von Herbert Reul (CDU) geführt, stellt einen Zusammenhang
zwischen dem Klimacamp und den gewalttätigen Ausschreitungen beim
G20-Gipfel her. „Die linksextremistische Szene wertet Hamburg als
Erfolg“, so eine Sprecherin. Darum sei es möglich, dass „gewaltbereite
Extreme das Klimacamp nutzen“.
Die Aachener Polizei gibt sich zurückhaltender. Zur Teilnahme gewalttätiger
G20-Demonstranten am Klimacamp gebe es „keine gesicherten Erkenntnisse“,
sagte Sprecher Paul Kemen der taz. Allerdings sei dies zumindest „in
Einzelfällen nicht auszuschließen“. Polizeipräsident Dirk Weinspach sendet
in einem Video eine doppelte Botschaft: Die Polizei setze bei den
Klimaprotesten „auf Kommunikation und Deeskalation“, kündigte er an.
Gleichzeitig werde man „auf Straftaten und Gewalt angemessen reagieren“.
Tatsächlich gibt es in diesem Jahr neben den Aufrufen zu gewaltfreien
Blockaden unter dem Titel „Zucker im Tank“ auch einen Aufruf zu
Sabotageakten: „Was Gewalt ist und was nicht, welche Aktionsformen legitim
sind und welche nicht, können und wollen wir nicht für alle festlegen“,
heißt es darin.
## „Erdwälle errichtet und Zäune gezogen“
Das Bündnis „Ende Gelände“ weist die Unterstellung, gewalttätig vorgehen…
wollen, hingegen zurück. Wie im Jahr 2015 im Rheinland und im vergangenen
Jahr in der Lausitz wird unter diesem Namen wieder zu „massenhaften zivilem
Ungehorsam“ aufgerufen. Ziel ist es, Braunkohle-Infrastruktur wie
Kraftwerke, Schienen oder Bagger zu blockieren, weil diese das Klima
gefährden und die Landschaft zerstören.
„Wir werden dabei ruhig und besonnen vorgehen, keine Infrastruktur
beschädigen und keine Menschen gefährden“ betont „Ende Gelände“-Sprech…
Janna Aljets. „Unsere Aktion richtet sich nicht gegen die Polizei oder
Angestellte von RWE. Wir setzen uns für ein Klima der Gerechtigkeit ein –
vor Ort und weltweit.“
Als vor zwei Jahren über 1.000 Menschen im Rahmen von „Ende Gelände“ den
Tagebau Garzweiler besetzten, ging von den AktivistInnen tatsächlich
keinerlei Gewalt aus. Auch juristisch hatte die Aktion bisher wenig Folgen,
weil Gerichte, da der Tagebau nicht eingegrenzt war, den Tatbestand des
Hausfriedensbruchs als nicht erfüllt sahen. Und bei der Blockade des
Braunkohlekraftwerks Schwarze Pumpe und eines Tagebaus in der Lausitz im
vergangenen Jahr wurde mangels Erfolgsaussichten sogar weitgehend auf
Festnahmen und Anklagen verzichtet.
RWE hingegen will auch dieses Jahr gegen jedes unbefugte Betreten seines
Betriebsgeländes vorgehen. „Zuwiderhandlungen werden konsequent straf- und
zivilrechtlich verfolgt“, so Sprecherin Stephanie Buchloh. Um das
Betriebsgelände klarer zu markieren, habe das Unternehmen „Erdwälle
errichtet und Zäune gezogen“ sowie neue Schilder aufgestellt. So werde
sichergestellt, dass „ein Betreten des Tagebaus selber, aber auch des
Vorfelds zweifelsfrei den Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt“.
## Polizei warnte Grundstückseigentümer
Probleme hatten die Veranstalter im Vorfeld damit, Orte für die geplanten
Camps zu finden. „Die Suche war extrem schwierig“, sagte Camp-Sprecher
Christopher Laumanns der taz. Grundstückseigentümer, die erwogen hätten,
Flächen an das Camp zu vermieten, seien von der Polizei kontaktiert und
teilweise gewarnt worden.
Erst am Freitag – wenige Tage bevor der Aufbau beginnen sollte – gab es
schließlich eine Genehmigung für eine private Fläche am Lahey Park bei
Erkelenz westlich von Köln. Die Polizei erklärte die Verzögerung damit,
dass zunächst Fragen bezüglich der Sanitärversorgung und Rettungswege
geklärt werden mussten.
Ein weiteres kleineres Camp, das die Jugendverbände von BUND und
Naturschutzbund organisieren, darf nicht in Kerpen-Buir stattfinden, wo
sich viele EinwohnerInnen gegen die Folgen des Braunkohleabaus wehren.
Stattdessen wird das Jugendcamp nun im bereits weitgehend geräumten
Kerpener Stadtteil Manheim aufgebaut, so Organisator Malte Stocker.
Spannend dürfte werden, wie die Bevölkerung im Rheinland auf die
Braunkohle-Proteste reagiert. In der Lausitz hatte die Bergbaugewerkschaft
IG BCE zu Aktionen gegen die KlimaaktivistInnen aufgerufen; danach kam es
zu Drohungen und Attacken, an denen örtlich ansässige Rechtsextreme
beteiligt waren.
## „Schnauze voll!“
Auch im Rheinland macht die Gewerkschaft schon im Vorfeld unter Verweis auf
die Krawalle bei den G20-Protesten Stimmung gegen die KlimaschützerInnen.
„Wir haben große Sorgen, dass es in den Tagen des Klimacamps 2017 auch zu
gewalttätigen Aktionen kommt“, heißt es in einem Flugblatt, mit dem die IG
BCE unter dem Motto „Schnauze voll!“ zu Mahnwachen während des Klimacamps
aufruft.
Zugleich gibt es in der Region aber auch viele Bürgerinitiativen, die sich
gegen die Zerstörung ihrer Gemeinden durch Braunkohle-Tagebaue wehren. Die
Veranstalter des Klimacamps wollen sich um einen intensiven Austausch mit
der lokalen Bevölkerung bemühen. „Wir wollen stärker mit den AnwohnerInnen
und den Beschäftigten von RWE ins Gespräch kommen“, sagt Mitveranstalterin
Johanna Winter.
„Denn sie sind es, die hier direkt von der Entwicklung der Region betroffen
sind.“ Geplant sind unter anderem zwei Führungen durchs Camp sowie eine
Diskussion mit dem örtlichen Bezirksleiter der Industriegewerkschaft BCE in
der Stadthalle Erkelenz.
14 Aug 2017
## AUTOREN
Malte Kreutzfeldt
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Christian Lindner
Klima
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