# taz.de -- Flughafen Tempelhof: „Kaum einer weiß, was hier geschehen ist“ | |
> Zwangsarbeiter, die Flugzeuge bauten, das KZ Columbia: Topographie des | |
> Terrors plant eine neue Ausstellung über die düstere Geschichte des | |
> Flughafens Tempelhof. | |
Bild: Von Juni 1948 bis Mai 1949 waren die Rosinenbomber die einzige Versorgung… | |
taz: Herr Nachama, die Topographie des Terrors plant für 2018 das | |
Ausstellungsprojekt „Geschichte des ehemaligen Flughafens Tempelhof“. Ihre | |
Stiftung ist eine Dokumentationsstätte des Terrors in der Zeit des | |
Nationalsozialismus. Was hat sie denn mit Tempelhof zu tun? | |
Andreas Nachama: Wer nach Tempelhof kommt und vor dem Gebäude steht, sagt | |
erst mal „wow“, aber kaum einer weiß, was hier genau geschehen ist. Es gibt | |
grausame, tragische, aber auch spannende Geschichten, die das Tempelhofer | |
Feld erzählt. Nur die wenigsten kennen die sehr unterschiedlichen Nutzungen | |
des Areals in der NS-Zeit zwischen 1933 und 1945. | |
Erzählen Sie mal, was zu dieser Zeit dort geschah. | |
Zwischen 1934 und 1936 befand sich hier das KZ Columbia mit einer | |
durchschnittlichen Belegung von 400 Häftlingen, das heißt zwei bis drei | |
Häftlinge pro Einzelzelle. Zudem mussten mehrere tausend Zwangsarbeiter | |
hier während des Zweiten Weltkriegs Flugzeuge für die Lufthansa AG und die | |
Weser-Flugzeugbau GmbH bauen. Diese Leute wurden in Baracken untergebracht. | |
Lauter solche Dinge wollen wir erzählen. Kaum einer weiß, dass es im | |
Flughafengebäude ein Filmlager mit Nitrofilmmaterial gab, das am Ende des | |
„Dritten Reichs“ in Brand geraten ist. Die Brandspuren kann man heute noch | |
sehen und riechen. | |
Wie kam es dazu, dass die Topographie auf dem Tempelhofer Feld ausstellen | |
soll? | |
Die Stiftung Topographie des Terrors hat auch die Aufgabe, den Berliner | |
Senat zu beraten, wenn Orte mit NS-Bezug in der Stadt zu markieren sind. | |
Bei dem Projekt Tempelhof haben wir einen Runden Tisch koordiniert. | |
Folglich kam der Berliner Senat im März dieses Jahres auf uns zu. So werden | |
wir im Rahmen des anstehenden Kulturerbejahres, das die Europäische | |
Kommission initiiert hat, eine publikumswirksame Präsentation zum Thema | |
Flughafen Tempelhof erstellen. | |
Wird allein die Geschichte der NS-Zeit ausgestellt? | |
Ich würde sagen, 50 Prozent des Ausstellungsumfangs wird die NS-Zeit | |
dokumentieren. Aber es soll auch ein lebendiges Bild der Nachkriegszeit | |
erzählt werden, das bis zu den gegenwärtigen Entwicklungen nach der | |
Schließung 2008 reicht. | |
Was wird hier thematisiert? | |
Also ganz so klar ist das alles noch nicht, denn das Projekt kann erst | |
beginnen, wenn die Mitarbeiter an die Arbeit gehen. Aber es geht | |
beispielsweise um die entführten polnischen LOT-Flugzeuge. Dreizehnmal – | |
zwischen 1963 und 1983 – landeten Maschinen der Fluggesellschaft in | |
Tempelhof, weil die Menschen auf diese Weise aus dem sozialistischen Polen | |
flüchteten. Man wird hoffentlich viele spannende Details erfahren. | |
Es gibt doch bereits Führungen über das Gelände zur Tempelhofer Geschichte. | |
Zudem finden weitere Planungen statt. Der Senat unterstützt etwa die | |
Eröffnung einer Ausstellungs-Terrasse. Weshalb braucht es da noch eine | |
weitere? | |
Das ist ja alles touristisch und so etwas wie die Hungerharke (das | |
Luftbrückendenkmal, Anm. d. Red.), die da steht, sagt nichts darüber aus, | |
was da eigentlich ablief. Unsere Dokumentation soll etwas Nachhaltiges | |
schaffen, einen Teil der Berliner Stadtgeschichte präsentieren. Auch wenn | |
die Stiftung Topographie hier keine permanente Außenstelle errichtet. | |
Tut sie nicht? | |
Nein. Das Vorhaben wird hauptsächlich von der Europäischen Union | |
finanziert, die das Kulturerbejahr 2018 fördert. Im September nächsten | |
Jahres soll die Ausstellung eröffnet werden und bis Ende 2018 wird das | |
Vorhaben gefördert. Heißt: Innerhalb des ersten Halbjahres 2019 wird unsere | |
Arbeit dort weitestgehend zu Ende sein. | |
Und damit auch die Erinnerungsstätte geschlossen? | |
Nein, die Sache ist auf Nachhaltigkeit angelegt. Wir hoffen auf ein Shake | |
hands mit anderen Organisationen, die dieses Projekt dann fortführen. Denn | |
der gesetzliche Auftrag der Stiftung ist es nicht, dauerhaft an Orten | |
außerhalb des Geländes der Topographie auszustellen. | |
Das Tempelhofer Feld misst über 300 Hektar. Wo soll denn da ausgestellt | |
werden? | |
An einem möglichst zentralen Ort, vielleicht im Eingangsbereich des | |
Flughafengebäudes oder auf dem, von den Nazis „Ehrenhof“ genannten, | |
Vorplatz. Das ist aber noch nicht entschieden. | |
Und wie wollen Sie die Geschichte des ehemaligen Flughafens erzählen? | |
Die Dokumentation wird sicher nicht museal aufgebaut sein. Wir planen eine | |
Vortragsreise mit Zeitzeugen der Nachkriegszeit, beispielsweise damals hier | |
stationierten Amerikanern, möglicherweise dem ein oder anderen | |
Sowjetsoldaten, der in der Alliierten Luftsicherheitszentrale Dienst getan | |
hat. Dazu sollen Fotos in Text-Bild-Tafeln gestaltet werden. | |
Sie haben Stellen für drei wissenschaftliche Mitarbeiter ausgeschrieben. | |
Die Planung wird dann Ihre Aufgabe? | |
Zum Teil. Der eine soll sich auf die Zeit bis zum 8. Mai 1945 fokussieren, | |
der andere befasst sich mit der Zeit danach; also von der Wiederaufnahme | |
des Flugverkehrs nach dem Krieg bis hin zur Gegenwart. Ein weiterer | |
Mitarbeiter soll sich mit dem pädagogischen Aspekt befassen, etwa wie | |
Geflüchtete oder junge Leute an dieses Thema herangeführt werden. | |
Was muss denn bis zum Ausstellungsbeginn im September 2018 noch erforscht | |
werden? | |
Zum Forschen im Sinne von Archivforschungen werden wir keine Kapazitäten | |
haben. | |
Dabei klingt Herbst 2018 noch so fern. | |
Alleine die technische Herstellung einer Ausstellung dauert ein halbes | |
Jahr. Das, was der Stand der Forschung hergibt, wird innerhalb von sechs | |
Monaten zusammengetragen und in eine verständliche Form gebracht. Wenn’s | |
gut geht, haben wir in einem Jahr eine Ausstellung mit überzeugenden und | |
überraschenden Inhalten. | |
29 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Max Nölke | |
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