| # taz.de -- Nach dem Austauschjahr in den USA: Zurück in Trump-Land | |
| > Vor einem Jahr war unsere Autorin Austauschschülerin in den USA. Nun | |
| > kehrte sie zurück und fragte: Seid ihr jetzt wirklich glücklich? | |
| Bild: Das Stadtkind auf den Straßen von Minnesota | |
| Als ich am Minneapolis-Saint Paul International Airport aus dem Zollbereich | |
| komme, sehe ich als Erstes zwei Rednecks mit „Make America Great | |
| Again“-Shirts. | |
| Phil und Alex. Meine Freunde. Ich habe sie während meines Auslandsjahres in | |
| der Jugendgruppe der Kirche kennengelernt. In der Schule waren sie ja fast | |
| nie. Als wir in ihrem Pick-up auf den Highway 12 auffahren, frage ich sie, | |
| ob sie sich die Trump-Shirts extra für meine Begrüßung gekauft haben. | |
| „Das hättest du wohl gerne“, sagt Alex. | |
| Da hat er recht. | |
| Anderthalb Stunden später fahren wir in unser Dorf ein. Direkt am | |
| Ortseingang steht das „Abtreibung ist Mord“-Schild. Und jetzt fühle ich | |
| mich wieder zu Hause. Das ist so ein „Alles so wie immer“-Gefühl. Alles so, | |
| wie es war, als ich vor knapp einem Jahr zurück nach Deutschland ging. | |
| Nur dass Donald Trump jetzt tatsächlich Präsident ist. | |
| Vor der Dorfkirche steht eine junge Frau. Sie ist groß, weiß, hat lange, | |
| blonde Haare. Das ist Ashlie. Meine Ashlie. | |
| Ich springe aus dem Pick-up, um sie zu umarmen, und was ist das Erste, was | |
| ich zu hören kriege? | |
| „Ich hab dir gleich gesagt, dass Hillary keine freaking Chance hat, | |
| Paulina.“ | |
| Ah, richtig, man muss hier immer schön „freaking“ sagen. Statt „fucking�… | |
| Damit alles christlich und sauber bleibt. | |
| Ich hatte Ashlie zu Beginn meines Auslandsjahres verachtet. Sogar | |
| verabscheut. Sie war für Trump, ich war für Hillary. Ich hasste Trump, sie | |
| hasste Hillary. | |
| Ich bin aufgewachsen in einer wannabe-progressiven Blase in | |
| Berlin-Kreuzberg und gehe auf eine erst recht wannabe-progressive | |
| Privatschule in Mitte. | |
| Als ich vor 550 Tagen in diesem 1.500-Menschen-Dorf ankam, um ein Jahr dort | |
| zur Highschool zu gehen, konnte ich kaum begreifen, wo ich gelandet war. In | |
| dem Amerika der Maisfelder, weit weg von San Francisco und New York, wo ich | |
| eigentlich hinwollte. | |
| Meine Freundin Ashlie ist in einer ganz anderen Blase aufgewachsen, ihre | |
| Familie ist Mitglied einer streng christlichen Kirche. Wie die meisten | |
| hier. Nicht nur Sex vor der Ehe ist verboten, sondern sogar Nagellack. | |
| Hätte Gott gewollt, dass du rote Nägel hast, hätte er dich mit roten Nägeln | |
| erschaffen, ist ja logisch. | |
| Alle haben auf Facebook die amerikanische Flagge als Profilbild, alle | |
| lieben das Jagen. Im Fernsehen und im Radio läuft Fox News in | |
| Dauerschleife. Darauf basiert dann auch das politische Wissen oder auf den | |
| noch schlimmeren Snapchat News, bei denen der Aufmacher vor Kurzem lautete: | |
| „Kylie Jenner hat einen dritten Nippel.“ | |
| Für den Großteil der Menschen hier würde es nie infrage kommen, einen | |
| Politiker zu unterstützen, der für Abtreibung, Globalpolitik und strengere | |
| Waffengesetze ist. Sie sagten mir immer, dass Clinton sich für alle anderen | |
| einsetzt, nur nicht für sie. | |
| ## „Alles Fake News“ | |
| Ich wurde zum Glück nicht zum Trump-Fan bekehrt, es dauerte aber eine ganze | |
| Weile, bis ich nachvollziehen konnte, warum es aus der Perspektive der | |
| Menschen hier richtig erscheint, Trump zu wählen. Vor allem brachten sie | |
| mir bei, dass man andere Meinungen respektieren kann, auch wenn sie noch | |
| so weit der eigenen entfernt sind. | |
| Seitdem nehme ich es Leuten übel, wenn sie von den dummen Trump-Wählern | |
| sprechen, denn Ashlie ist alles andere als dumm. | |
| Nichtsdestotrotz habe ich meine Lust am Diskutieren nicht verloren, und so | |
| knurre ich noch vor der Umarmung: „Du weißt aber schon, dass Hillary das | |
| Popular Vote hatte?“ | |
| Clinton hatte 2,9 Millionen Stimmen mehr. Allerdings alle in Kalifornien. | |
| „Alles Fake News, totale Unwahrheiten“, antwortet Ashlie routiniert, „Hast | |
| du noch nie etwas von der Silent Majority gehört?“ Sie meint die Leute, | |
| die nicht zur Wahl gegangen sind, aber angeblich alle für Trump gestimmt | |
| hätten. | |
| In meinem Jahr hier in Minnesota habe ich gelernt, dass es menschlichen | |
| Beziehungen guttut, auch mal nichts zu sagen, also schweige ich, ziehe die | |
| linke Augenbraue hoch, und wir umarmen uns endlich. | |
| Ein paar Tage später, an einem Samstagnachmittag, treffen wir uns vor dem | |
| Dairy Queen, wie immer. Das ist eine globale Fast-Food-Kette aus Minnesota. | |
| Die einzige, die in unserem Dorf eine Filiale hat. Phil und Alex lassen | |
| ihre Autos davor stehen, dann cruisen wir zu viert in Ashlies | |
| 850-Dollar-Karre durch die Felder in ein Nachbardorf, um dort ein | |
| Baseballspiel anzuschauen und später auf eine Party zu gehen. Die haben | |
| dort auch einen McDonald’s Drive-through, das ist unser erstes Ziel. | |
| Die Jungs sind heute ohne Trump-Shirts gekommen, tragen dafür die Hoodies | |
| mit dem Schullogo, so wie die meisten es hier tun. | |
| Beide sind Seniors, also im letzten Highschooljahr, und müssen jetzt ihren | |
| Abschluss machen. Sie gehen aber immer noch kaum zur Schule, weil das | |
| nichts für Coole ist. Bringt einem keine Reputation, im Gegensatz zu dem | |
| Hoodie. Der dient dem Gemeinschaftsgefühl. Beide haben überhaupt keine | |
| Idee, was sie nach der Schule machen wollen. Das liegt daran, dass sie | |
| nicht wissen, was sie von der Zukunft wollen. Und weil sie denken, dass sie | |
| keine Zukunft haben. | |
| Ich erzähle ihnen, dass und warum die meisten Deutschen Trump täglich | |
| schlimmer finden. Für sie völlig unlogisch. | |
| „Er unternimmt endlich etwas gegen Abtreibungen, bietet anderen Ländern die | |
| Stirn, beschützt unsere Gewehre und somit die Verfassung und lässt keine | |
| Terroristen mehr ins Land. Was soll daran falsch sein?“, sagt Ashlie. | |
| „Alles“, sage ich. | |
| Trotzdem kann ich nachvollziehen, warum sie so denkt: Für Abtreibung sein, | |
| das ist für sie genauso schlimm wie für mich Rassismus. | |
| ## Vorbei mit der Toleranz? | |
| Alle drei haben meinen taz-Artikel [1][„Allein unter Trump-Kids“] gelesen | |
| und wollen wissen, wie das alles an diesem fremdartigen Ort namens | |
| Deutschland angekommen ist. | |
| „Hmm, einige Leute haben euch besser verstanden, aber andere beleidigten | |
| mich als Trump-Liebchen oder Trump-Fan“, sage ich. | |
| Alle drei lachen, für sie total abwegig. | |
| „Es ist also vorbei mit der Toleranz im toleranten Berlin, sobald es ans | |
| Verstehen von Trump-Wählern geht?“, fragt Alex. | |
| Daraufhin schweige ich. | |
| „So ist das immer mit den Linken und Demokraten, die sind kein Stück besser | |
| als wir, wenn es um Respekt geht, auch wenn sie es denken“, sagt Phil. | |
| Wieder ziehe ich die linke Augenbraue hoch. | |
| Dann ist es, als hätte man den Radiosender gewechselt, denn alle drei reden | |
| nur noch über „Prom“, den Abschlussball der Highschool. Ashlie ist in einer | |
| sehr entspannten Lage, denn sie hat das dafür zwingend vorgeschriebene Date | |
| bereits. Ein Senior hatte sie mit einem Plakat geworben, auf dem ihr Kopf, | |
| sein Kopf und der Kopf von Donald Trump aufgeklebt war. Darüber stand der | |
| Slogan: „Let’s make Prom great again“. Da konnte Ashlie natürlich nicht | |
| Nein sagen. | |
| Vermutlich hatte das Plakat die Mutter des Jungen gebastelt. Diese rituelle | |
| Romantik müssen hier meistens die Mütter beisteuern. | |
| Als wir beim Baseball ankommen, ist die kleine Stahltribüne bereits voll. | |
| Ich kriege noch den allerletzten Platz, das ist der neben Mrs. Bellter. | |
| Meine ehemalige Politiklehrerin hatte uns Schüler auf Parallelen zwischen | |
| Obama und Hitler aufmerksam gemacht. Sie ist Ende vierzig und fühlt sich | |
| als eine Art Über-Mum ihrer Schülerinnen, die sie mit Tipps auf das Leben | |
| vorbereitet. | |
| Sofort erzähle ich ihr etwas weinerlich, wie unfair ich es finde, dass nun | |
| statt einer kompetenten Frau ein Mann Präsident ist, der sich derart | |
| unflätig über Minderheiten und Frauen äußert. | |
| „Schätzchen“, sagt Mrs. Bellter, „so reden doch alle Männer untereinand… | |
| meiner inklusive.“ Sie lacht herzlich. „Das wirst du auch noch sehen.“ Das | |
| sei „ganz natürlich“. | |
| „Außerdem ist dieser Lockerroom-Talk nun wirklich schon Ewigkeiten her“, | |
| sagt Ashlie, die neben mit sitzt. | |
| „Schätzchen, weißt du, vielleicht gibt es einfach bestimmte Positionen in | |
| der Welt, die besser durch Männer besetzt sind“, sagt Mrs. Bellters dann | |
| noch. | |
| Dann ist das Spiel zum Glück aus. | |
| „Ashlie, deprimiert dich das denn gar nicht?“, sage ich, als wir zu zweit | |
| zum Auto zurücklaufen. | |
| „Was?“ | |
| „Der Gedanke, dass du nicht alles erreichen kannst, nur wegen deines | |
| Geschlechts?“ | |
| Ashlie überlegt. „In meinem Leben spielt das keine Rolle“, sagt sie. Sie | |
| möchte zwar studieren, aber eigentlich will sie Mutter sein. Und acht | |
| Kinder haben. In ihren Kreisen haben alle acht Kinder. Mindestens. | |
| Eigentlich wollen sie so viele Kinder wie möglich. Darum geht es doch im | |
| Leben einer Frau. | |
| ## „God sent us Trump“ | |
| „Als Trump gewählt wurde, habe ich ein paar Tränen geweint“, sage ich. | |
| „Ich weiß“, antwortet sie leise. | |
| Dann kommen auch die Jungs zum Auto. | |
| Auf dem Nachhauseweg hören wir „Who runs the world? Girls“ von Beyoncé. | |
| Ashlie kann den ganzen Text auswendig und singt enthusiastisch mit. | |
| Am nächsten Tag ist Sonntag. Alle sind in der Kirche, und wehe denen, die | |
| es nicht sind. | |
| Dem netten Priester ist total feierlich zumute. | |
| „God sent us Trump,“ ruft er mit euphorischer Stimme. Gott hat uns Trump | |
| gesandt. | |
| „Let’s have faith that he will bring the much needed change upon us.“ Las… | |
| uns daran glauben, dass er den Wandel bringt, den wir so dringend brauchen. | |
| Die guten Christen halten ihre Hände vor sich gefaltet, schauen fromm und | |
| nicken. Ich beuge mich zu Alex hinüber: „Hat er gerade gesagt, dass Trump | |
| der neue und bessere Jesus ist?“ | |
| Er schaut verwundert über meine scheinbar schwächelnden Englischkenntnisse. | |
| Ich trenne meine Hände voneinander und falte sie während des gesamten | |
| Gottesdienstes nicht mehr. Am anderen Ende der Kirche sitzt Ashlie mit | |
| ihrer Familie und grinst zu mir rüber. Sie weiß mal wieder genau, was ich | |
| denke. | |
| Nach dem Gottesdienst bin ich bei Ashlies Familie zum Brunch eingeladen. Es | |
| ist ein warmer Tag, so um die 25 Grad, und das schöne weiße Haus liegt | |
| direkt am See. Die ganze Familie hat sich heute versammelt. Fünf von | |
| Ashlies zehn Geschwistern sind älter als sie, keiner ist schon 30, aber | |
| alle sind verheiratet und haben Kinder. | |
| Es ist richtig rührend, zu sehen, wie glücklich sich Ashlies Mutter durch | |
| das Chaos ihrer Enkel und Kinder bewegt. Ihre eigene jüngste Tochter ist | |
| fünf. | |
| Auch mich umarmt sie. Wie immer hat sie für mich extra etwas Vegetarisches | |
| gekocht. Sie erzählt mir stolz, dass sie sich jetzt auch einen | |
| Twitter-Account eingerichtet hat. Damit sie Donald Trump folgen kann. Sie | |
| liest am liebsten @ realDonaldTrump, weil es ihr bei @ POTUS, dem | |
| offiziellen Account des amerikanischen Präsidenten, zu gediegen zugeht. | |
| „Endlich mal Informationen aus erster Quelle“, sagt Ashlies Mutter. | |
| „Einmal hat Trump an einem Tag nichts gepostet. Mom war total enttäuscht“, | |
| sagt Ashlie und kichert ein bisschen, während alle Erwachsenen am Tisch | |
| Platz nehmen. | |
| „Auf unseren Präsidenten“, sagt einer von Ashlies älteren Brüdern. | |
| „Auf einen Rassisten und Frauenfeind stoße ich nicht an und schon gar nicht | |
| mit Leuten, die ihn gewählt haben“, zischt Maureen, die älteste Schwester | |
| von Ashlie. | |
| „Keine Politik“, sagt Ashlies Mutter. Sie klingt etwas besorgt. | |
| Aber es ist zu spät, Maureen steht auf und stürzt aus dem Raum. | |
| „Was war das denn?“ frage ich Ashlie. | |
| „Es ist schrecklich,“ sagt sie leise, „aber Maureen ist jetzt eine | |
| Demokratin.“ | |
| „Ach, was?“ antworte ich laut, „Warum wusste ich davon früher nichts?“ | |
| „Vor Trump war es noch nicht so extrem und außerdem, denkst du, wir wollen | |
| das an die große Glocke hängen?“ | |
| Wir hören draußen den Automotor anspringen. | |
| ## „Pussies fight back“ | |
| „Es tut mir leid, dass du das mitbekommen hast“, sagt Ashlies Mutter zu mir | |
| beim Aufräumen in der Küche. Dafür sind auch in Minnesota die Frauen | |
| zuständig. Sie wäscht schweigend ein paar der Teller ab, die nicht mehr in | |
| die Maschine passen. Dann fügt sie hinzu: „Maureen geht nicht mal mehr zur | |
| Kirche, kannst du dir so etwas vorstellen?“ | |
| Ashlies Mutter sieht unendlich traurig aus. | |
| „Ich will doch nur das Beste für mein Kind“, murmelt sie in sich hinein. | |
| „Die Sache ist die: Wir finden Maureens politische Einstellung nicht toll, | |
| aber sie ist diejenige, die unsere Meinung weniger respektiert als wir | |
| ihre“, sagt Ashlie, als sie mit einem Stapel neuer Teller hereinkommt. | |
| Na ja, sie hadern schon auch, aber es stimmt: Ashlie hatte auch mich | |
| deutlich weniger wegen meiner Meinung verurteilt als ich sie. | |
| Abends klicke ich mich durch Maureens Bilder auf Instagram und sehe, dass | |
| sie beim Women’s March und der Anti-Muslim-Ban-Demonstration in Minneapolis | |
| dabei war. Man sieht sie Schilder hochhalten: „Pussies fight back“ und | |
| „Make Racists afraid again“. Sie und ihr Mann sind Mitglieder einer | |
| Bewegung mit dem Namen „Minnesota Resist“, die Widerstand gegen Trumps | |
| Regierung leisten will. Ein Bild zeigt die beiden mit ihren zwei süßen | |
| Kindern. Darunter schreibt Maureen, dass sie niemals aufgeben wird, für | |
| ein bessere Zukunft für ihre Kinder zu kämpfen. Alle vier lachen auf dem | |
| Bild so schön, dass man das Gefühl hat, die Welt sei bereits ein | |
| wundervoller Ort. | |
| Am nächsten Tag hänge ich mit ein paar Freunden am Parkplatz der Tankstelle | |
| ab. Wie überall in Minnesota blicken wir auf einen großen See, hören | |
| Countrymusik, und die Jungs kauen Tabak. | |
| Dann sehe ich eine Frau mit langen blonden Haaren beim Tanken. Maureen. Ich | |
| zögere einen Moment, dann traue ich mich, auf sie zuzulaufen und ihr die | |
| große Frage zu stellen. | |
| „Wie hast du es geschafft, aus der politischen Meinung hier auszubrechen?“ | |
| Sie sagt, es sei ganz simpel. Sie sei aus dem Dorf herausgekommen, sei | |
| gereist, New York, Europa, und unterwegs habe sie sich verliebt. In einen | |
| Demokraten. „Vorher konnte ich das Geschwätz meiner Familie noch | |
| ausblenden, aber mit Trump wurde es echt zu viel.“ Sie und ihr Mann suchen | |
| gerade nach einem Haus, am liebsten in Minneapolis, das ist die einzige | |
| Großstadt von Minnesota, dort gibt es viele, die so denken wie sie. | |
| Während sich die meisten Familien in der Realität Mühe geben, | |
| Emanzipationsgeschichten und Brüche geheim zu halten, ist das in den | |
| sozialen Medien ganz anders: Hier scheint jeder seine Meinung | |
| herauszubrüllen. | |
| ## „Embrace Diversity“ | |
| Bei Ted ist das auch so. Er ist der Großvater der Familie, in der ich | |
| während meines Auslandsjahres lebte. Damals hat er nie offen darüber | |
| gesprochen, dass er für Clinton war. Und ich war nie auf seinem | |
| Facebook-Profil. Letztens postete Ted einen Artikel der New York Times, in | |
| dem Trumps „Muslim Ban“ heftig kritisiert wurde. Darunter kommentierte | |
| einer seiner besten Freunde: „Es ist schlau, dass du versuchst, dich zu | |
| bilden, doch dumm, dich dabei auf solche Fake News zu beziehen.“ | |
| Daraufhin wurde Ted wütend und es entbrannte ein riesiger Streit, der damit | |
| endete, dass die beiden sich über Facebook gegenseitig als „White Trash“ | |
| und „Hillbilly“ beschimpften. Seitdem reden sie in der wirklichen Welt kaum | |
| mehr miteinander, und wenn, dann nur davon, was die Kinder so machen. | |
| Ich treffe Ted an einem Dienstag bei „Dairy Queen“. Er ist Mitte 60, war | |
| früher Bürgermeister unseres Dorfs und sagt gern, er habe es „eigenhändig | |
| vorangebracht“. Jetzt arbeitet er an meiner ehemaligen Highschool und hat | |
| heute sein „Embrace Diversity“-T-Shirt an, also übersetzt so was wie: | |
| „Heiße Vielfalt willkommen“. Das müssen alle Schulangestellten dienstags | |
| tragen. Natürlich sind 99 Prozent der Leute an der Schule Weiße. | |
| „Trump is a fucking idiot“, sagt Ted. Er gehört zu den wenigen im Dorf, die | |
| nicht „freaking“ sagen. Er hält das für verlogene Etikette und gilt | |
| insgesamt als schwierige Persönlichkeit. Mehr als 40 Leute haben ihm auf | |
| Facebook die Freundschaft gekündigt, seit er dort Stellung gegen Trump | |
| bezieht. | |
| 2016 war das erste Mal in seinem Leben, dass er demokratisch gewählt hat. | |
| „Clinton hat meine Stimme bekommen, weil ich mich mit Politik auskenne und | |
| meine religiösen Prinzipien nicht so stark sind, dass sie meinen Verstand | |
| ausschalten“, sagt er. „Schon irgendwie skurril, viele hier dachten, Trump | |
| wird uns und unsere Familien stärken, dabei hat er das Gegenteil bewirkt, | |
| er hat einige von uns weiter voneinander entfernt“. | |
| Ich frage ihn, wann die Leute hier anfangen werden, Trump und seine Politik | |
| kritischer zu sehen. | |
| „Es geht hier um den amerikanischen Stolz“, sagt er. „Die Leute werden si… | |
| nicht eingestehen, dass Trump schrecklich ist. Und dass sie Idioten sind, | |
| weil sie ihn gewählt haben.“ | |
| Es ist ganz schön paradox: Ich habe von diesen Menschen mühsam gelernt, | |
| andere Positionen zu respektieren. Und jetzt, ein Jahr später, fällt ihnen | |
| das selbst schwer. Es ist auch paradox, dass ich mich ernsthaft frage, ob | |
| die Konservativen in manchen Aspekten nicht sogar liberaler sind als die | |
| scheinbar Progressiven. Weil mein Eindruck ist, dass sie Gegenargumente | |
| eher ertragen. | |
| Trumps Wahlsieg hat Freundschaften zerstört und Familien gespalten, er hat | |
| sie nicht wieder „groß“ gemacht, sondern kleiner. | |
| „Mein Mann und ich fragen uns jetzt oft, was wir in der Erziehung von | |
| Maureen falsch gemacht haben“, hat Ashlies Mutter zu mir an dem Abend in | |
| der Küche gesagt. | |
| Dann hat sie geweint. | |
| 19 Aug 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| paulina unfried | |
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