| # taz.de -- Neonazi-Festival in Thüringen: Ungestörtes Gedröhne | |
| > Nahe der südthüringischen Kleinstadt Themar trafen sich am Samstag rund | |
| > 6.000 Rechtsextreme. Dieses Jahr ist es das wohl größte Rockkonzert der | |
| > Szene. | |
| Bild: Von überall her: Besucher des Neonazi-Festivals in Themar | |
| THEMAR taz | Kurz vor dem Ortseingang von Themar ist ein großes, weißes | |
| Bierzelt aufgebaut. „Südthüringen bleibt deutsch“, steht auf Plakaten am | |
| Zaun, der das Gelände begrenzt, oder „Linksfaschisten in den Knast“. | |
| Außerhalb des Ortes kommen zum Teil ganze Busse mit Rechten und Neonazis | |
| an, aus anderen Bundesländern, aus Tschechien oder Ungarn. Schon mittags um | |
| zwölf strömen vom Parkplatz aus Gruppen auf das Festivalgelände, vor dem | |
| Eingang zum Bierzelt bilden sich schnell lange Schlangen. | |
| Viele Wartende tragen T-Shirts, auf denen etwa „HKNKRZ“ steht oder „30. | |
| Januar 1933 – Tag der nationalen Erhebung“. Manche haben sich mit Pflastern | |
| großflächig Tattoos abgeklebt, um keine verbotenen Symbole zu offenbaren. | |
| Rund 95 Prozent der Teilnehmenden sind Männer. Sie werden einzeln von der | |
| Polizei kontrolliert, bis sie schließlich von der Öffentlichkeit | |
| abgeschirmt im Zelt verschwinden. „Surreal“ sei diese ganze Szenerie, sagt | |
| einer der Polizisten, der am Rand steht. | |
| Rund 6.000 Rechtsextreme werden es am Abend sein, die zum bundesweit wohl | |
| größten Neonazikonzert in diesem Jahr in die südthüringische Kleinstadt | |
| gekommen sind, mehr noch als erwartet. 43 Strafanzeigen unter anderem wegen | |
| des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, | |
| Bedrohung, Körperverletzung und Verstößen gegen das Waffengesetz werden | |
| gestellt, drei Menschen in Gewahrsam genommen, von 440 weiteren die | |
| Identität festgestellt, so die Polizei. Obwohl das Festivalgelände wegen | |
| dem Andrang zwischenzeitlich vergrößert werden musste, sei das | |
| Sicherheitskonzept jedoch aufgegangen. Auch die Abreise der TeilnehmerInnen | |
| nach Mitternacht sei problemlos verlaufen. | |
| Bis zuletzt hatte es Versuche gegeben, dem Konzert zumindest den Charakter | |
| als politische Versammlung abzuerkennen und es als kommerzielle | |
| Veranstaltung zu deklarieren, womit es mehr Auflagen und Kosten für den | |
| Veranstalter gegeben und die Polizei mehr Möglichkeiten zum Eingreifen | |
| gehabt hätte. 35 Euro Eintritt wurde pro Karte gezahlt. „Es geht hier um | |
| viel Geld“, sagte Madeleine Henfling der taz, Grünen-Abgeordnete im | |
| thüringischen Landtag und als parlamentarische Beobachterin vor Ort. Das | |
| Landratsamt, das geklagt hatte, hätte im Vorfeld jedoch „nicht gut genug | |
| gearbeitet“, um die Klage auch durchzubekommen. | |
| Veranstalter des Konzerts war Tommy Frenck, ein 30 Jahre alter gelernter | |
| Koch, über dessen Hals quer „Aryan“ tätowiert ist. Er betreibt im Ortsteil | |
| Kloster Veßra den Gasthof „Goldener Löwe“, der sich als Szenetreffe | |
| etabliert hat, und den Online-Versand druck18, dessen Shirts viele | |
| Konzert-TeilnehmerInnen trugen. Die Wiese stellte Bodo Dressel zur | |
| Verfügung, Bürgermeister der Nachbargemeinde Grimmelshausen und bis vor | |
| kurzem Mitglied der AfD. Elf Redner und eine Rednerin traten auf, darunter | |
| Jan Jaeschke von der NPD oder Axel Schlimper von der Europäischen Aktion, | |
| einer Organisation von HolocaustleugnerInnen, sowie sieben Bands, etwa die | |
| Headliner Stahlgewitter oder Treueorden, die mit der verbotenen Bewegung | |
| Blood & Honour in Verbindung stehen soll. | |
| ## Grölen im Zelt, Ruhe in der Stadt | |
| JournalistInnen und parlamentarische BeobachterInnen stehen durch | |
| Polizeigitter geschützt am Straßenrand und fotografieren die zum | |
| Festivalzelt laufenden Rechten, von denen sich viele ihre Shirts oder | |
| Eintrittskarten vors Gesicht halten, um nicht erkennbar zu sein. | |
| „Abschaum!“, zischen sie in Richtung der JournnalistInnen oder | |
| „Lügenpresse!“, immer wieder schlagen einige in Richtung der Kameras. | |
| Hier ist ab dem frühen Nachmittag bis etwa nachts um ein Uhr auch Musik und | |
| Grölen zu hören, hundert Meter weiter in Themar selbst aber schon nicht | |
| mehr. Das Konzept der Polizei, die mit rund 1.000 BeamtInnen im Einsatz | |
| war, geht auf: Die Kleinstadt sollte weitgehend frei von Neonazis gehalten | |
| werden. | |
| Im Ort selbst ist für einen Samstag tagsüber recht viel los. Zwar haben die | |
| meisten Läden ab mittags wie üblich geschlossen. Auf einer Bühne spielen | |
| aber Bands, mehrere kleinere Demonstrationszüge laufen immer mal wieder | |
| durch die Stadt, unter anderem 20 KirchgängerInnen, von denen einer ein | |
| Kreuz vorneweg trägt und die ausdauernd Dona Nobis Pacem singen. | |
| Die BürgerInnnen haben sich deutlich positioniert: In Fenstern und an | |
| Laternenmasten der nur 3.000 EinwohnerInnen zählenden beschaulichen | |
| Kleinstadt hängen Plakate mit Slogans wie „Nichts wird besser durch | |
| Fremdenhass“ oder „Wer kein Selbstbewusstsein hat, braucht | |
| Nationalbewusstsein“. Dennoch: Statt der erwarteten rund 2.000 | |
| GegendemonstrantInnen kommen zu den neun angemeldeten Veranstaltungen von | |
| Bürgerinitiativen, der Kirche und Privatleuten letztlich nur wenige hundert | |
| Menschen. | |
| Das Konzert sei „eine Katastrophe für Themar“, sagte der Bürgermeister der | |
| Stadt, Hubert Böse. Wenn eine private Fläche vermietet werde, habe die | |
| Stadt jedoch so gut wie keine Möglichkeit, einzugreifen. Die einzige | |
| Chance, die er künftig sehe, um solchen Veranstaltungen entschlossener | |
| entgegen zu treten, sei die Positionierung der Zivilgesellschaft – | |
| „möglichst das ganze Jahr über, nicht nur jetzt.“ | |
| Das dürfte für die gesamte Region am Südrand des Thüringer Waldes gelten, | |
| die in den vergangenen Jahren zu einem Schwerpunkt rechtsextremer | |
| Rockkonzerte geworden ist. Allein diesen Monat wurde und wird dort zu drei | |
| Open Airs eingeladen: das „Rock für Deutschland“ Anfang Juli, das „Rock | |
| gegen Überfremdung“ am Samstag und das „Rock für Identität“ Ende des | |
| Monats. | |
| 16 Jul 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
| ## TAGS | |
| Themar | |
| Rechtsextremismus | |
| Schwerpunkt Thüringen | |
| Schwerpunkt Neonazis | |
| Themar | |
| Zivilcourage | |
| Rock | |
| Themar | |
| Themar | |
| Rechtsextremismus | |
| Versammlungsrecht | |
| Rechtsextremismus | |
| Rechtsextremismus | |
| Schwerpunkt Thüringen | |
| Schwerpunkt Neonazis | |
| Rechtsrock | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neonazikonzerte in Themar: Rechtsrockkonzert überfordert Polizei | |
| Bei der Veranstaltung im Juli mit 6.000 Neonazis stand die Polizei dem | |
| Treiben hilflos gegenüber. Für Samstag ist dort das nächste Konzert | |
| angekündigt. | |
| Kampf gegen Rechts: Von guten Mächten getragen | |
| Sie habe „'ne Macke mit Nazis“, sagt Katharina König-Preuss. Seit 25 Jahren | |
| dokumentiert die 39-Jährige die Aktivitäten der rechten Szene. | |
| Comeback der Rockband Royal Trux: Die Neunziger haben nie aufgehört | |
| Das beste, das kaputteste Rockduo der Welt ist auferstanden: Royal Trux. | |
| Mit einem neuen Album und einem Deutschlandkonzert. | |
| Erneut Rechtsrock-Konzert in Themar: Ein Zehntel ist noch übrig | |
| Wieder kommen Rechte für Musik und Hetzreden in die südthüringische | |
| Kleinstadt. Doch zeigen auch die Bürger Themars Gesicht und Courage. | |
| Kommentar „Rock gegen Überfremdung“: Versammlungsfreiheit für alle | |
| Für Rechte und Linke darf es keine unterschiedlichen Regelungen geben. Es | |
| gibt nur ein Versammlungsrecht – und das ist auch gut so. | |
| Nach dem Festival in Themar: Nazis sollen „vergällt“ werden | |
| Politiker diskutieren über die Verschärfung des Versammlungsrechts. Auf | |
| einem Video zeigen Besucher den Hitlergruß. | |
| Juristischer Hintergrund zu Themar: Die Crux mit der Versammlung | |
| Das Grundgesetz schützt den, der mit einer Veranstaltung auf die | |
| öffentliche Meinungsbildung abzielt. Laut Gericht galt das auch für das | |
| Nazi-Konzert. | |
| Regelungen zum Versammlungsrecht: Ramelow fordert Präzisierung | |
| Nach dem Nazi-Konzert in Themar verlangt Thüringens Ministerpräsident, es | |
| müsse einfacher sein, solche Veranstaltungen zu verbieten. | |
| Kommentar Neonazi-Konzert in Themar: Auf dem rechten Auge blind | |
| Wo bleibt die Aufregung über das Treffen? Der Wirbel um die G20-Krawalle | |
| bei gleichzeitigem Dulden des rechtsextremen Festivals sagt viel aus. | |
| Linke-Politikerin über Neonazi-Konzert: „Hier findet die Vernetzung statt“ | |
| Neu in der Szene ist, dass sich die Rechtsextremen so gut organisieren, | |
| sagt Katharina König-Preuss. Sie hat in Themar das Geschehen beobachtet. | |
| Neonazi-Konzert in Thüringen: 4.500 hören braune Töne | |
| Die Polizei spricht von einem weiterhin starken Zulauf. 1000 Beamte sind im | |
| Einsatz. Die Gegenproteste fallen bislang verhaltener aus als erwartet. | |
| Nazi-Festival in Thüringen: Proteste gegen Rechtsrock | |
| Zum größten Neonazi-Festival des Jahres werden am Samstag 5.000 Menschen | |
| erwartet. Aber auch Gegenkundgebungen sind angemeldet. |