Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neonazikonzerte in Themar: Rechtsrockkonzert überfordert Polizei
> Bei der Veranstaltung im Juli mit 6.000 Neonazis stand die Polizei dem
> Treiben hilflos gegenüber. Für Samstag ist dort das nächste Konzert
> angekündigt.
Bild: Themar, Südthüringen: Für Neonazis ging dort beim letzten großen Konz…
Berlin taz | Die Bilder gingen durch die Medien: Rund 6.000 Neonazis waren
im Juli in der südthüringischen Kleinstadt Themar zum größten
[1][Rechtsrockkonzert zusammengekommen], das je in der Bundesrepublik
stattgefunden hat. Bands wie Sleipnir oder Stahlgewitter spielten, mehrere
Szenegrößen traten als Redner auf. Nun wird in Antworten des Thüringer
Innenministeriums auf sechs Kleine Anfragen der Linkspartei-Abgeordneten
Katharina König-Preuss deutlich: Die Polizei stand dem Spielen indizierter
Songs und dem Zeigen des Hitlergrußes während der Veranstaltung hilflos
gegenüber.
So wurden zum Beispiel die elf Beiträge von Rednern wie Axel Schlimper von
den Holocaustleugnern der Europäischen Aktion oder Denis Nikitin von „White
Rex“ inhaltlich gar nicht erst erfasst oder mitgeschnitten, zwei Redner
sind nicht einmal identifiziert. Auch Ermittlungsverfahren gegen die Redner
wurden insofern nicht eingeleitet.
Zudem waren unter den Helfern, die gemeinsam mit dem Anmelder und Tommy
Frenck das Konzert organisierten, Mitglieder von Combat 18, einer
neonazistisch-terroristischen Organisation, die als militanter Arm des
rechtsextremen Netzwerks Blood and Honour gegründet wurde und nach dem
Prinzip des führerlosen Widerstands agiert – ähnlich wie der NSU. „Das ist
der Beleg dafür, dass die Veranstaltung nicht nur ein einfaches Konzert
war, sondern zur Vernetzung von militanten Neonazistrukturen in ganz Europa
gedient hat“, sagt König-Preuss.
Während der Veranstaltung listete die Polizei 17 indizierte Songs auf, die
gespielt wurden. Härtere Konsequenzen als eine „Ermahnung“ des
Versammlungsleiters wurden daraus jedoch nicht gezogen – im Gegenteil.
Obwohl die Landesregierung selbstbewusst behauptet, die Polizei habe
weitere Straftaten unterbunden, wurden auch nach der Ermahnung noch 14
indizierte Songs gespielt. Und sogar nachdem eine ganze Gruppe von Personen
den Hitlergruß gezeigt und „Sieg Heil“ gebrüllt hatte, wie auf einem
Youtube-Video zu sehen ist, passierte nichts weiter. „Damit ist klar, wie
ernst die Polizei vor Ort genommen wurde“, sagt König-Preuss: „Gar nicht.�…
## 900 BeamtInnen im Einsatz
Das dürfte vor allem daran liegen, dass die Polizei die Herausnahme
einzelner Personen aus dem Bierzelt oder auch eine Auflösung des Konzerts
wohl kaum hätte bewältigen können. Gegen rund 6.000 größtenteils
alkoholisierte und gewaltbereite Personen hätten die 900 BeamtInnen wenig
Chancen gehabt. „Die Beamtinnen und Beamten waren ja noch nicht einmal alle
gleichzeitig, sondern in zwei Schichten vor Ort“, sagt König-Preuss. „Die
Anzahl war also definitiv nicht ausreichend.“
Insgesamt, so die Thüringer Landesregierung, wurden im Zusammenhang mit dem
Konzert 50 Ermittlungsverfahren gegen 49 Personen eingeleitet, vor allem
wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen,
Volksverhetzung, Verstoß gegen das Waffengesetz oder Beleidigung. Ein
Großteil der Tatverdächtigen kommt aus Deutschland, andere stammen aus
Tschechien, Polen oder der Slowakei.
Die Anzahl der von der Polizei aufgenommenen Delikte sei angesichts der
hohen Besucherzahl relativ gering geblieben, zieht das Bundesamt für
Verfassungsschutz in seinem aktuellen Newsletter zufrieden Bilanz. Die
Tatsache, dass die ungezählten Hitlergrüße als nur ein Verfahren gegen
unbekannt erfasst werden, erwähnt das Amt allerdings nicht.
## Diesmal „nur“ 750 TeilnehmerInnen?
Fehler seien schon im Vorfeld der Veranstaltung gemacht worden, sagt
König-Preuss: Die Gefahrenanalyse sei definitiv nicht ausreichend gewesen.
Drei Lerneffekte aus den Vorfällen müsse es nun geben. Erstens müssten von
Polizei, Verfassungsschutz und Versammlungsbehörde eine realistischere
Gefahrenanalyse erstellt werden, die auch Erkenntnisse von
zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Gruppen mit einbezieht.
Zweitens brauche es klarere Auflagen wie die, dass das Spielen indizierter
Songs einen Abbruch der Veranstaltung nach sich zieht. Und drittens brauche
es mehr BeamtInnen, um das auch umsetzen zu können.
Ob Neonazis vor Ort künftig entschlossener entgegengetreten wird, dürfte
sich schon am Samstag zeigen: Da ist das nächste Konzert auf derselben
Wiese wie im Juli angekündigt. Das Landratsamt Hildburghausen rechnet
diesmal „nur“ mit etwa 750 TeilnehmerInnen. Das Bündnis für Demokratie und
Weltoffenheit Kloster Veßra ruft zu einer Gegendemonstration auf.
26 Oct 2017
## LINKS
[1] /!5431155
## AUTOREN
Patricia Hecht
## TAGS
Themar
Schwerpunkt Neonazis
Rechtsrock
Themar
Themar
Combat 18
Zivilcourage
Themar
Themar
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klage wegen rechtem Festival in Themar: Keine Nazis dank Naturschutz
Weil seltene Vögel in Themar ihre Jungen aufziehen, dürfen Neonazis dort
kein Konzert veranstalten. Das bestätigte ein Gericht. Womöglich gibt es
aber einen Ausweichort.
Kolumne Liebeserklärung: Spottgesang der Blaukehlchen
Auch dieses Jahr wollten sich Rechte wieder in Themar treffen. Keiner
schien das verhindern zu können. Zum Glück gibt es den Naturschutz.
Überwachung von Rechtsextremen: Combat 18 ist wieder aktiv
Sie prahlen mit Gewalt und galten als abgetaucht. Jetzt ist die
Neonazigruppe „Combat 18“ wieder da. Hat der Verfassungsschutz sie im
Blick?
Kampf gegen Rechts: Von guten Mächten getragen
Sie habe „'ne Macke mit Nazis“, sagt Katharina König-Preuss. Seit 25 Jahren
dokumentiert die 39-Jährige die Aktivitäten der rechten Szene.
Erneut Rechtsrock-Konzert in Themar: Ein Zehntel ist noch übrig
Wieder kommen Rechte für Musik und Hetzreden in die südthüringische
Kleinstadt. Doch zeigen auch die Bürger Themars Gesicht und Courage.
Neonazi-Festival in Thüringen: Ungestörtes Gedröhne
Nahe der südthüringischen Kleinstadt Themar trafen sich am Samstag rund
6.000 Rechtsextreme. Dieses Jahr ist es das wohl größte Rockkonzert der
Szene.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.