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# taz.de -- Petrobras-Affäre in Brasilien: Ex-Präsident Lula verurteilt
> Die Fall Lula da Silva ist Teil der Ermittlungen, die Brasilien seit zwei
> Jahren in Atem hält. Seine Rückkehr hängt nun von der Berufungsinstanz
> ab.
Bild: Soll neun Jahre und sechs Monate in Haft: Lula da Silva
BERLIN taz | Brasiliens Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva ist wegen
Korruption zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Bis zum
Berufungsverfahren darf der 71-Jährige auf freiem Fuß bleiben und verliert
auch noch nicht sein passives Wahlrecht. Erst bei Verurteilung in zweiter
Instanz dürfte er Ende 2018 nicht erneut für das Präsidentenamt
kandidieren. Derzeit führt er in Umfragen mit großem Abstand vor all seinen
potentiellen Mitstreitern. Die Konservativen frohlocken nach dem Urteil,
die Börse machte einen Sprung nach oben und Lulas Arbeiterpartei (PT)
spricht von einem politischen Prozess.
Lula wird passive Bestechung und Geldwäsche vorgeworfen. Laut
Staatsanwaltschaft soll der Baukonzern OAS den einst sehr populären
Staatschef mit umgerechnet rund einer Million Euro geschmiert haben, um als
Gegenleistung lukrative Aufträge des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras
zu ergattern. OAS soll Lula und seiner Familie ein Strandapartment auf der
Insel Guarujá im Bundesstaat São Paulo überlassen und eine aufwendige
Renovierung finanziert haben. Den Anklagepunkt, dass OAS auch die
Aufbewahrung von Präsidentengeschenken aus Lulas Amtszeit (2003–2010)
finanziert habe, ließ Richter Sérgio Moro mangels Beweisen fallen.
Zwei Mitangeklagte OAS-Manager wurden am Mittwoch ebenfalls zu Haftstrafen
verurteilt, vier weitere freigesprochen. Lula, der sich in drei weiteren
Korruptionsprozessen verantworten muss, bestreitet, jemals Eigentümer der
Immobilie gewesen zu sein.
Lulas Arbeiterpartei PT sprach von einem „Angriff auf die Demokratie und
die Verfassung“. Richter Moro sei voreingenommen und stehe im Dienst der
Massenmedien, die seit Langem gegen Lula hetzten. „Das Urteil basiert
ausschließlich auf abgekarteten Kronzeugenaussagen geständiger Krimineller,
die nur die Version der Staatsanwälte bestätigten“, erklärte die PT.
Die Beweislage ist fürwahr dürftig. Dokumente über Lulas Eigentümerschaft
wurden nicht vorgelegt. Die Verteidigung moniert zudem das Zustandekommen
der Aussage der mitverurteilten früheren OAS-Managers Léo Pinheiro. Dieser
änderte offenbar seine Aussage und kam erst dann in den Genuss der
Kronzeugenregelung, als er nach einer ersten Verurteilung Lula
beschuldigte. Die Verteidiger kündigten Berufung an.
Die riesige Korruptionsaffäre um Petrobras und inzwischen auch andere
Großunternehmen hat Brasilien in eine tiefe politische Krise gestürzt.
Jahrelang wurden Parteien aller Couleur mit Millionensummen geschmiert.
Manche Unternehmen schmierten über tausend Politiker. Anfänglich richteten
sich die Ermittlungen vor allem gegen die PT-Regierung unter Lulas
Nachfolgerin Dilma Rousseff. Sie wurde in einem höchst umstrittenen
Amtsenthebungsverfahren Mitte 2016 aus dem Amt gejagt.
Viele ranghohe Politiker der abtrünnigen Koalitionspartner, die damals
Rousseff den Rücken kehrten und dann mit Übergangspräsident Michel Temer
die Macht übernahmen, sind inzwischen weit schwerer Korruptionsverbrechen
beschuldigt. Einige sitzen bereits hinter Gitter. Temer selbst wird vom
Obersten Gerichtshof der Prozess gemacht. Doch dazu muss erst noch der
Kongress dessen Immunität aufheben.
Ein wichtiges Ziel hat die neue konservative Regierungskoalition gerade
noch rechtzeitig erreicht: Am Vortag des Urteils gegen Lula segnete der
Kongress eine Arbeitsrechtsreform ab, die viele Errungenschaften der
letzten 30 Jahre zurück nimmt.
13 Jul 2017
## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Brasilien
Petrobras
Schwerpunkt Korruption
Luiz Inácio Lula da Silva
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